Ein beispielhaftes Projekt, wie sozialer Wohnungsbau an der Energiewende teilhaben kann, und zwar über den Standard hinaus, entsteht aktuell in Oldenburg. Es zeigt zudem, wie stark das individuelle Verbraucherverhalten prognostizierte Werte beeinflusst.
Idee von gestern, gebaut für heute
Sonnenwärme im sozialen Wohnungsbau
Freitag, 19.05.2023
Die beiden Brüder Carl Herrmann Klävemann, ihres Zeichens Kaufmann und Ratsherr in Oldenburg, und Johann Dietrich, Jurist und Abgeordneter im Oldenburger Land, gründeten im Juni 1871 eine Stiftung mit dem Ziel, in Oldenburg günstigen Wohnraum zu schaffen. Die Klävemann-Stiftung ist nach der Augsburger Fuggerei die zweitälteste dieser Art in Deutschland. Über ihre Stiftung lebt ihr Gedankengut und Ansinnen in Oldenburg weiter. Heute liegt der Stiftungs-Vorsitz beim Rat der Stadt. Im Donnerschweer-Viertel nördlich der Oldenburger Innenstadt wird gerade fortgesetzt, was vor rund 150 Jahren genau dort als die Klävemann-Idee begann. Konkret geht es um zwei Gebäude sozialen Wohnungsbaus. Das erste umfasst elf Wohnungen und das zweite 22.
Die Wohnungen sind zwischen 70 und 100 m2 groß. Der energetische Gebäudestandard ist hoch: Es wird hier schon seit 2019 im Stile „KfW 40“ gebaut. Erst im Jahre 2022 ist „KfW 40“ bekanntlich zur Förderpflicht geworden. Teil des Energiekonzepts ist es, hohe solare Deckungsraten bei der Brauchwarmwasser- und Heizwärmeversorgung der Gebäude zu erzielen. Für beide Häuser ist eine solare Deckungsrate von 30 Prozent angepeilt.
Solarkonzept mit Röhrenkollektoren
Verantwortlich für die Planung und Ausführung des Trink- und Warmwasserversorgungssystems im Klävemann-Projekt ist die WeserSolar GmbH & Co. KG aus Hude. Das Unternehmen hat sich auf erneuerbare Energien spezialisiert und ist unter anderem Systemanbieter für solarthermische Röhrenkollektoren. Gegenüber den weit verbreiteten Flachkollektoren sind CPC-Röhrenkollektoren zwar teurer in der Anschaffung, aber im Ertrag auch deutlich besser. Sie erzielen nicht nur in den Sommermonaten, sondern auch in den Übergangszeiten und sogar noch im Winter bei diffusen Lichtverhältnissen vergleichsweise hohe Energieerträge. Das liegt an den Parabolspiegeln, die unterhalb der Vakuumröhren platziert sind und die die Sonnenstrahlen unabhängig vom Sonnenstand in die Röhren reflektieren.
Im ersten Bauabschnitt mit elf Wohneinheiten beträgt die Kollektorfläche 40,96 m2 und im zweiten Bauabschnitt für 22 Wohneinheiten 70,04 m2. Rein rechnerisch ergeben sich so für Haus 2 etwa 3,2 m2 und für Haus 1 etwa 3,7 m2 Kollektorfläche pro Wohneinheit. Das ist komfortabel. Die meisten Einfamilienhäuser nach KfW wurden in der Vergangenheit oft mit zwei Standard-Flachkollektor-Modulen belegt. Das sind dann zwar in der Regel etwa 5 m2, jedoch oft verbunden mit einer größeren Wohnfläche als hier in Oldenburg die durchschnittliche Wohneinheit. Außerdem liegt der Effizienzfaktor zwischen Röhre und Flachkollektor bei der Warmwassergewinnung bei etwa 1,5.
Eigens gebaute Pufferspeicher
Allerdings ist die Kollektorgröße nur der eine Teil der Gleichung. Um das Solarpotential nutzen zu können, sind große Pufferspeicher nötig. Auf der anderen Seite muss die „Größe“ immer auch vernünftig sein und im Verhältnis stehen, wie lange die Wärme bevorratet werden soll und was der Zusatznutzen einer größeren Dimensionierung ist. Im Haus 1 in Oldenburg wurde ein Speicher mit 2,80 m3 und in Haus 2 einer mit 5,95 m3 Volumen installiert. Solche Dimensionen wurden vom Speicher-Hersteller Unitec dafür individuell gefertigt. Ziel ist es, die Wärme- und Brauchwarmwasserversorgung von Mai bis Oktober – sprich: über sechs Monate im Jahr – komplett mit Solarthermie bereitzustellen. Bei Unterdeckung bzw. zur Spitzlastdeckung greifen Gas-Brennwertkessel ein. Installiert wurden hier im Bauabschnitt 1 ein Kessel „WGB 38“ von Brötje und im Bauabschnitt 2 zwei „WGB 38“ in Form einer Kaskade.
Weiterführende Informationen: https://www.paw.eu/
Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!