Mittels intelligenter Nahwärmestrategien müssen Netze künftig nicht mehr zwingend auf hohem Temperaturniveau betrieben werden.
Intelligente Nahwärmenetze
Einblicke in verschiedene Umsetzungsstrategien
Dienstag, 21.09.2021
Während vielerorts in Deutschland nur noch über die gescheiterte Klimawende lamentiert wird, nehmen einige pfiffige, kreative und mutige Kommunen Gemeinden ihr Schicksal selbst in die Hand und entscheiden sich für eine neue, innovative Form der Energieversorgung – das sogenannte Intelligente Nahwärmenetz. Dabei handelt es sich bei der Intelligenten Nahwärme eher um einen Sammelbegriff, der die Tatsache umschreibt, dass ein Netz durch die geringeren Heizlasten von modernen Gebäuden nicht mehr zwingend auf hohem Temperaturniveau betrieben werden muss. Schauen wir uns zuerst einmal den genauen Unterschied zwischen einem "Intelligenten" und einem "Konventionellen Nahwärmenetz" an.
Konventionelles Nahwärmenetz
Die Vorlauftemperatur liegt ganzjährig zwischen 60-85°C, die Wärmeerzeugung läuft meist über BHKW, Biomasse, Gas- oder Ölfeuerungen, Wärmepumpen finden bei diesen Temperaturniveaus kaum Anwendung. Im Sommer ergeben sich hohe Verlustleistungen, da meist sehr wenig Abnahme innerhalb des Netzes (nur Trinkwasserbereitung) stattfindet. Viele Netze laufen über die Sommermonate daher defizitär und müssen die Wärmepreise nach oben korrigieren. Durch die geringe Wärmeabnahme kommt es auch immer wieder zu Problemen in der Temperaturspreizung innerhalb des Netzes, was sich wiederum negativ auf die Erzeuger auswirken kann.
Intelligentes Nahwärmenetz
Bei dieser Netzvariante können verschiedene Temperaturniveaus - je nach angestrebter Netzstrategie – gefahren werden. Zudem zeichnet das Nahwärmenetz eine zukunftsflexible Erzeugerstrategie aus: Die zentrale Sammlung von Umweltwärme, Erzeugung und Verteilung ist der markante Leistungsindikator für ein intelligentes Nahwärmenetz. Ein Intelligentes Nahwärmenetz bietet dem Nutzer eine Vielzahl an Vorteilen: Primär handelt es sich um ein zukunftsoffenes System, sowohl was den Herstellungsprozess der Wärme als auch deren Verbrauch betrifft. Beispiel: heute ist die KWK mittels BHKW das Mittel der Wahl. Bei politischen Anpassungen der Rahmenbedingungen oder technischen Neuerungen kann das BHKW gestrichen und die neue - zumeist effizientere Energiequelle eingesetzt werden. Gerade Gebäude mit einem höheren Energiebedarf oder auch Bestandsgebäude können über diese Technik versorgt werden. Auch Mischgebiete aus Neu- und Bestandsbau sind "Versorgungskandidaten". Grundsätzlich ist weniger Strom notwendig als im reinen Quellnetz, da die Wärmepumpen weniger Hubarbeit verrichten müssen und in einem besseren Betriebspunkt arbeiten (höherer COP). Die Eigenstrom-Erzeugung bzw. Eigenwärme-Produktion ist auf Nutzer- bzw. Betreiberseite problemlos möglich.
Unterschiedliche Umsetzungsstrategien eines "Intelligenten Nahwärmenetzes"
Intelligentes Nahwärmenetz - kalte Strategie
Ganzjährige Vorlauftemperatur liegt bei 8-12°C, dadurch kommt es kaum zu Wärmeverlusten im Netz. Durch den Einsatz von nicht isolierten Rohleitungen kann "auf dem Weg zum Endabnehmer" zusätzlich noch Energie aufgenommen werden, was die Erschließung der eigentlichen Quelle (Sondenfeld, Grundwasserbrunnen, etc.) günstiger macht. Dafür ist aber relativ viel Strom notwendig für den Betrieb der dezentralen Wärmepumpen, was den Stromnetzausbau vor Probleme stellen kann. Diese Netze nutzen ausschließlich Umweltwärme auf geringem Temperaturniveau und können nicht durch zusätzliche Energieträger unterstützt werden. Bestandsgebäude können in der Regel nicht mit eingebunden werden, da die Heizlasten zu hoch sind.
Intelligentes Nahwärmenetz – kalt/warm Strategie
Im Winter wird das Netz auf eine Vorlauftemperatur von 60-85°C gefahren, wie ein klassisches Netz. Damit kann die Heizlast der Gebäude komplett abgedeckt werden. Das Warmwasser wird ebenfalls und ausschließlich über die Nahwärme direkt erzeugt. Ab einer Außentemperatur von ca. 12°C und wärmer wird das Netz auf Sommerbetrieb umgeschaltet und läuft mit einer Vorlauftemperatur von 10-30°C. Die Vorwärmung der Netztemperatur erfolgt über eine Heizzentrale mit Solarthermie oder andere Energiequellen (BHKW, Hackschnitzel, etc.). Der große Vorteil: Die solarthermische Komponente kann maximiert werden. Die Warmwasserbereitung und eventuelle "Rest-Heizlasten" in der Übergangszeit übernimmt die dezentrale Wärmepumpe innerhalb jedes einzelnen Gebäudes. Ideal geeignet für diesen Netz-Typ sind Mischbebauungen (Neubau + Bestand), da die Heizlasten im Winter unabhängig von der Leistung der Wärmepumpe nahezu beliebig hoch sein können, denn die Wärmeübertragung geschieht mit einer klassischen Fernwärme-Übergabestation.
Weiterführende Informationen: https://ratiotherm.de/