Erneuerbare Energien

Kälteschein für alle Wärmepumpen-Typen?

Freitag, 25.03.2022

Kein Blick in die Glaskugel

Wie ist nun der Stand der Dinge? Ungewiss. Auf dem 19. Forum Wärmepumpe schilderte Thomas Nowak die Situation. Der EHPA-Generalsekretär ersetzte in seinen Einführungssätzen das Adjektiv „ungewiss“ durch „Glaskugel“: „Die habe ich nicht bei mir. Ich kann nicht hineinschauen. Tatsächlich ist das Thema mit so vielen Meinungen durchzogen, dass ich mir nicht zutraue, es umfassend zu behandeln. Meine Botschaft, die ich aus Brüssel mitbringe, ist die, dass es eine wunderbare Zukunft für die Wärmepumpe gibt, nur bedarf es noch einer »Coming-of-age«-Geschichte, bis sie sich fest etabliert hat. Das ist die Reihe von Abenteuern, die der junge Held bestehen muss, bevor das Königreich oder die Liebste sein ist.“

Nowak gibt einen Marktausblick: „Die Klimaneutralität setzt nach Schätzungen voraus, dass bis 2050 etwa 1,8 Mrd. Wärmepumpen weltweit verbaut sein sollten. Wenn man uns allerdings keine Kältemittel gibt, wird das nicht passieren. Auch auf der europäischen Ebene werden wir nicht weiterkommen. Die Sektor-Integrationsstrategie hat zum Ziel, bis 2030 etwa 40 Prozent aller Wohngebäude und 65 Prozent aller kommerziellen Gebäude effizient elektrisch zu beheizen. Wir sprechen also von etwa 50 Mio. Wärmepumpen bis 2030 europaweit. Die Politik ist gefordert. Die Alternative zur Wärmepumpe für dekarbonisiertes Heizen ist praktisch nicht existent beziehungsweise sie lässt sich nicht in der gleichen Menge ausrollen. Das heißt, wir stehen am Anfang einer sehr steilen Wachstumskurve.“

Das Bild zeigt eine Grafik.
Quelle: UBA
Die Verbreitung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) über Luft, Wasser und Boden.

Kollisionen vorprogrammiert

„Nur, Berlin, Brüssel – wir haben ein Problem. Nämlich dann, wenn die Kältemittel nicht da sind. Die positive Rezeption, der steile Anstieg der Nachfragekurve, trifft auf einen sehr stark regulierten Sektor: Gebäudevorschriften, Schallschutz, Datenschutz – was darf in die Cloud hinein, was nicht –, wir haben hier unsere Hausaufgaben gemacht. Wenn jetzt allerdings die Kältemittel hinzukommen, wird es für die Wärmepumpe schwierig werden. Wir brauchen Zeit. Von den HFC-Kältemitteln, den Fluorkohlenwasserstoffen mit relativ hohem GWP und ODP (Anm. d. Red.: Treibhaus- und Ozonabbaupotential), zu den Kältemitteln der vierten Generation, den HFO (Fluorolefinwasserstoffe) mit nur geringer Umweltbelastung, hat es etwa 15 Jahre gedauert. Die neuen Kältemittel verlangten wegen ihrer spezifischen Eigenschaften neue Komponenten für Wärmepumpen und Klimaanlagen. Und die standen nicht zur Verfügung. Wir waren auch nicht vorbereitet. Heute überblicken wir die Situation besser. Wir werden Kältemittel mit niedrigem GWP forcieren. Dabei wird es allerdings zu Kollisionen kommen, etwa zwischen den Gebäudestandards und dem Umweltschutz. Bei den natürlichen Fluiden mit niedrigem GWP handelt es sich ja in der Regel um entflammbare Kältemittel, gleichgültig ob schwer oder leicht entflammbar. Dafür brauchen wir Gebäudevorgaben, die die Verwendung erlauben“, betont Thomas Nowak und ergänzt: „Kann es zu Verboten kommen? Ja, kann es. Und zwar immer dann, wenn die Politik zu der Auffassung kommt, dass man bestimmte Kältemittel eben gar nicht braucht, weil Alternativen verfügbar sind und die Industrie das auch signalisiert. Deshalb kann ich die Industrie wirklich nur dazu aufrufen, Kompetenz für Wärmepumpen mit brennbaren Kältemitteln aufzubauen. Wer diese Kompetenz nicht hat, wird sich im zukünftigen Markt schwertun.“

REACH- vs. F-Gase-Verordnung

Der EHPA-Generalsekretär erläutert weitere Details: „Was liegt bei den Kältemitteln an Arbeit vor uns? Zwei The-men. Das erste Thema ist die Kältemittelverordnung. Dort geht es im Wesentlichen um den GWP-Wert. Die F-Gase-Verordnung sieht vor, die Höchstmenge für das Inverkehrbringen von HFKW von 100 Prozent im Jahr 2015 auf 21 Prozent im Jahr 2030 zu senken. Wenn wir uns den Sektor anschauen, den wir vertreten, den Wärmepumpensektor, hätten wir damit überhaupt kein Problem, wenn das das einzige Thema wäre. Weder technisch noch mengenmäßig. Wir hätten Planungssicherheit. Doch nun kommen als zweites Thema die PFAS in die Diskussion hinein. Die Gesundheitsbedenken für diese Substanzen haben Deutschland, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Dänemark vorgebracht. Diese fünf Länder sehen das so dramatisch, dass sie fordern, diese Verbindung nicht mehr abzugeben. Es ist nicht zu erkennen, dass wir als Industrie das sinnvoll verhindern könnten. Das Einzige, das wir tun können, ist, einen entsprechenden Vorschlag zur Nutzungsbegrenzung für die Europäische REACH-Verordnung auszuarbeiten. REACH hebelt die F-Gase-Verordnung aus. Was tun wir? Wir arbeiten intensiv und parallel bei beiden Themen mit. Ein Verbot würde uns natürlich dramatisch die Suppe versalzen. Unsere Aus-sage gegenüber der Politik ist die: Es geht uns nicht um ein einziges Kältemittel. Wir können zustimmen, dass es Verbote für sehr spezifische Produkte gibt. Auch wir wollen ein größeres Ziel erreichen. Nahziel ist selbstverständlich, die Kältemittelversorgung sicherzustellen. Das höhere Ziel ist, der Politik deutlich zu machen, dass die Wärmepumpenverbreitung auf ein Niveau, das der Klimaschutz für 2030 und 2050 vorgibt, ohne die heute verfügbaren Kältemittel kaum zu schaffen ist.“

Galerie

  • „Sind die Installateure ausreichend geschult, um das Kältemittel in der Recyclingkette zu halten beziehungsweise um es zumindest umweltgerecht zu entsorgen, anstatt es einfach in die Atmosphäre abzublasen“, fragt Thomas Nowak, Generalsekretär des Europäischen Wärmepumpenverbands.
  • Die Verbreitung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) über Luft, Wasser und Boden.
  • Die möglichen gesundheitlichen Gefahren durch PFAS-Exposition.
Von Bernd Genath
Düsseldorf
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