Kohle machen mit Fake-News zur Trinkwasserhygiene?

Montag, 20.02.2023

Das Leben ist wirklich hart. Vor allem, wenn man sich als Hersteller in prosperierenden Märkten bewegt – und einem vielleicht nichts wirklich Neues einfällt. Also nix Originelles. Oder nix Innovatives. Oder überhaupt irgendwas, Da ist es doch viel einfacher, hier und da ein Buzz-Word (also so ein eigentlich wirklich wichtiges Meta-Thema wie Erhalt der Trinkwasserhygiene) aufzuschnappen, halb wissenschaftlich mit Tabellen und Grafiken und vor allem plakativen Behauptungen zu garnieren und das Ganze dann (es lebe das billige Online-Marketing über Social Media und Newsletter!) möglichst breit in die Menge zu streuen.

Wie beispielsweise Firma X (der vollständige Name ist der Redaktion bekannt). Deren Chef becheftigt sich (Zitat!) „seit über 20 Jahren mit Wasseraufbereitung und Wasserqualität.“ Das Signal hinter diesem Satz: Wenn einer einen Job nur lange genug macht, sammelt er auch Expertise. Hier also zwei Jahrzehnte Wasserqualität. Sei’s drum, weil keiner zu alt wird, ohne noch klüger zu werden, scheint es hier. Denn jetzt – nach 20 Jahren Becheftigung mit Wasserqualitäten! – hat der Chef auf der Suche nach dem Kelch der Waisen und dem Stein des Anstoßes etwas Sensationelles getan: „Der Frage nach den wahren Inhaltsstoffen des Wassers bin ich seit Anfang letzten Jahres auf der Spur gegangen.“ Also jetzt, nachdem er sich seit über 20 Jahren mit Wasseraufbereitung und Wasserqualität beschäftigt (und vermutlich eine Menge Umsatz mit irgendwelchen Produkten dazu gemacht) hat, schaut er mal nach, was in dem feuchten Stoff der beruflichen Begierde und des fachlichen Trachtens eigentlich so ganz wirklich drin ist ...

Man könnte sich wegschmeißen vor Begeisterung, wenn es – bis hin zum Grammatikfehler – nicht so traurig wäre.

Bild zeigt See mit Warnhinweis
Quelle: Martin
Der kleine Wasserkundler weiß: Es gibt Grundwasser und Regenwasser, Brakwasser, Süßwasser und Salzwasser, es gibt Wasser aus dem Meer und aus Flüssen und von Oberflächen, zudem Prozesswasser und – man höre staunend das Plätschern und Rauschen – sogar Trinkwasser. Da kann man beim richtigen Einordnen schon mal hinten runterfallen, wenn man das nicht fein genug filtert ...

Aber es soll noch dicker kommen. Um die unwissende breite Masse für die drohende Gefahr aus dem gar nicht so sauberen, wenn nicht von X-Firma gefilterten Trinkwasser zu sensibilisieren, wird nämlich mal schlank die plakative Behauptung rausgehauen (Zitat): „Wussten Sie, dass die Europäische Union Deutschland wegen Nichteinhaltung der Nitrat-Grenzwerte im Leitungswasser mehrmals abgemahnt und schlussendlich verklagt hat?“

Ganz ehrlich? Nee, wussten wir nicht. Auch nicht als Redaktion, die sich Tag für Tag mit diesem Thema befasst. Wusste aber auch bei den Beklagten keiner – weil es eine solche Abmahnung und Klage „wegen Nichteinhaltung der Nitrat-Grenzwerte im Leitungswasser“ gar nicht gab. Sondern es ging und geht dabei um den Nitrat-Gehalt im Grundwasser, nicht im Leitungswasser.

Das ist, lieber Chef, ein kleiner, aber deutlich mehr als feiner Unterschied. Nämlich ein ganz großer. Den jeder kennen sollte, der sich seit mehr als 14 Tagen seriös mit diesem Thema befasst. Aber macht doch nix. Hauptsache, die X-Firma-Filter filtern, was ihnen vor die feinen Kapillärchen kommt. Nach Herstellerangaben sind das „bis zu 99 % ALLER Schad- und Fremdstoffe aus Ihrem Leitungswasser.“ Also wohl auch von Medikamenten, Hormonen, Mikroplastik, Nitrat, Pestiziden, Legionellen, Bakterien oder Schwermetallen, wie vorher aufgezählt wird.

Das kann, technisch gesehen, ja durchaus und eventuell sein. Ob es zur Vermarktung der Produkte aber derartiger Fake-News bedarf, sei mal dahingestellt ...

Wir haben übrigens bei Firma X und unserem Chef-Tommy natürlich nachgefragt, wo die Klage denn nun sei. Beklagenswerter Weise kam aber keine Reaktion.

Von Eckhard Martin
Chefredaktion SanitärJournal
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