Die Energiewende kommt – sie muss kommen. Das fordert unter anderem der Paris Klimavertrag. Wie sieht die Umsetzung in der Systemtechnik konkret aus? Smart Grids – intelligente Stromnetze – werden dabei immer wichtiger. Ebenso die Wärmepumpe. Bereits jetzt gibt es in diesem Bereich einen Wettbewerb der Modelle, dabei entstehen Kooperationen verschiedener Versorger.
Last des Überflusses: Die Wärmepumpe im Smart-Grid-Konzept
Haustechnik hat hohen Stellenwert bei Smart-Grid-Konzepten
Montag, 15.08.2016
Die Transformation der Pariser Beschlüsse in konkrete Systemtechnik ruft Akteure aus verschiedenen Branchen auf den Wärmemarkt. Doch ohne fundierte heizungstechnische Kompetenz geht hier wenig – wie auch wenig ohne profunde IT-Kompetenz geht. Also entstehen derzeit landauf, landab Kooperationen zwischen neuen und etablierten „Playern“ mit der Intention, Smart Grids aufzubauen. Die könnten Blaupausen für andere Versorger sein. Deshalb hat bereits ein Wettbewerb der Modelle begonnen.
Ein Beispiel
Für den 16. September 2017 sagt der Deutsche Wetterdienst eine Schlechtwetterfront für den westlichen Teil Norddeutschlands mit Windstärken bis acht Beaufort voraus. Der Sturm soll in den beiden Viertelstunden zwischen 17.00 und 17.30 Uhr über der Nordsee toben. Die Leistung von rund 660 MW der beiden Windparks „Riffgrund I“ und „Riffgrund II“ mit ihren zusammen 175 Generatoren, rund 35 km im Meer vor der Insel Borkum, hat der Übertragungs-Netzbetreiber Tennet TSO für diese beiden Viertelstunden eingeplant. Doch der Deutsche Wetterdienst irrt. Die Bö verspätet sich um eine halbe Stunde. Zwischen 17.00 und 17.30 Uhr herrscht stattdessen Flaute auf der Nordsee. Im Netz droht Unterdeckung, in der nachfolgenden stürmischen halben Stunde dagegen Überlastung. Die Strompreise für die Versorger klettern auf 700 Euro je Megawattstunde, weil zunächst teure, aber schnell regelbare Gaskraftwerke spontan als Ersatz für die stillen Windgeneratoren anlaufen und später negative Regelenergie untergebracht werden müssen. So jedenfalls sähe es klassisch aus.
Kompensierte Verspätung aus Warmwasserpuffern
Wenn nicht Lichtblick, Enera, Designetz und andere einspringen würden. Angesichts des Engpasses im Netz verschieben diese Stromlieferanten den Einschaltpunkt der Wärmepumpen und anderer flexibler Verbraucher ihrer Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden auf den verspäteten Durchgang der Bö. Sie reduzieren so den prognostizierten und eigentlich bereitzustellenden Strombedarf. Einspeisen und Ausspeisen bleiben im Gleichgewicht. Sowohl zwischen 17.00 und 17.30 Uhr als auch zwischen 17.30 und 18.00, als das Unwetter über Borkumriff den Flügeln Beine machte. Die entsprechende Reserve hat das digitale Energiemanagement in den häuslichen Warmwasserpuffern freigehalten. Die Umsteuerung nimmt nur wenige Minuten in Anspruch. Um 18.00 Uhr gibt es die Elektrizität bereits wieder zum Normaltarif, ohne dass ein einziges fossiles Regelkraftwerk zu hohen Kosten ein- und abschalten musste. Für ihre Dienstleistung erhalten Lichtblick et. al. natürlich eine üppige Vergütung.
Die Entdeckung der Wärmepumpe
Die Netze und Gesellschaften Enera, Lichtblick und Designetz stehen nur stellvertretend für eine Unsumme anderer Einzelunternehmen und Zusammenschlüsse ähnlicher Art, die eines vereint: die Entdeckung der Wärmepumpe als öffentliche Stromsenke. Der Charme der Wärmepumpe, im Verbund mit einem Speicher, liegt darin, dass Wärmepumpen negative Regelenergie aufsaugen. In diesem Zusammenhang macht ganz besonders Lichtblick von sich reden. Der Hamburger Stromhändler ließ sich im November vergangenen Jahres als Mitglied im Bundesverband Wärmepumpe e.V. (BWP) aufnehmen.
Man sei sich einig, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung des BWP und des Stromlieferanten, dass „die Energiewende auch im Wärmemarkt stattfinden muss.“
Dazu gehörten Wärmepumpen – sofern sie mit Ökostrom betrieben werden –, vorzugsweise ergänzt mit einem Batteriespeicher. Für den hat Lichtblick drei Aufgaben vorgesehen:
- Angebot und Verbrauch im Haus zu entkoppeln.
- Als zusätzliche Stromsenke, neben der eingeschalteten Wärmepumpe, im Falle von Überschuss zu fungieren.
- Als Stromquelle im Falle einer Unterdeckung ins Öffentliche Netz zu liefern.
Das Dilemma mit der Photovoltaik
Das Hamburger Unternehmen baut damit sein „Schwarmenergie“-Netzwerk auf neue Komponenten auf. In der Vergangenheit stand das BHKW mit dem VW-Motor – und dem VW-Vertrag – im Vordergrund. Das Modell wollte zu Hochtarifzeiten „privaten“ Strom ins Öffentliche Netz schieben.
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