Der Nibe Konzern ist im Laufe der Jahre unter anderem auch durch die Übernahme von Unternehmen mit starken Marken gewachsen. Im Jahr 2022 stieg der Konzernumsatz um rund 30 Prozent auf über 40 Milliarden SEK (über 3,4 Milliarden Euro). Mittlerweile gibt es weltweit unzählige Tochtergesellschaften. Bekannte Warenzeichen des Konzerns im Heizungsbereich sind neben Nibe hierzulande auch alpha innotec, Novelan, Enertech, Giersch oder Waterkotte. Auf der ISH im Frühjahr 2023 waren alle vertreten. Wie funktioniert das? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Die Wachstumsstrategie der Nibe-Gruppe definiert sich aus organischem Wachstum und durch Zukauf zu ähnlichen Anteilen. Wir stehen mit der Marke Nibe für Ersteres. In der Gruppe gibt es eine hohe Eigenständigkeit der einzelnen Marken. Trotz Zugehörigkeit zur gleichen Gruppe werden die Marken eigenverantwortlich geführt. Das entspricht auch der Nibe-Philosophie von flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen. Das ist eventuell etwas untypisch für einen Konzern dieser Größe, hat sich jedoch in der Praxis bewährt.
Nibe zählt – unter anderem profitierend von den rauen klimatischen Bedingungen in dem Mutterland Schweden – seit vielen Jahren zu den Trendsettern bei Wärmepumpen. In welchen technologischen Bereichen sehen Sie aktuell noch Entwicklungspotential?
Gut beobachtet. Bekannt ist die Umstellung auf Kältemittel mit geringerem Treibhauspotential. Das wird uns die kommenden Jahre beschäftigen. Schweden ist auch bekannt für einen progressiven Umgang mit der Digitalisierung. Eine schnellere Entwicklung erwarte ich in diesem Bereich in unseren Gebäuden. Unterhaltungsmedien sind hier bereits bestens vernetzt.
Unsere Wärmepumpen sind erst zu circa 50 Prozent überhaupt online. Ich vermute, das ist sogar führend in der Branche. Die Kombination mit Photovoltaik-Anlagen ist bereits sehr intelligent möglich. Die Kombination mit preisvariablen Tarifen ist technisch möglich, in Schweden üblich und in Deutschland noch kaum vorhanden.
Ein unerwartetes „Trendthema“ auf der ISH war das Kältemittel Propan (R290). Eigentlich war der kontrollierte Ausstieg aus der Nutzung von F-Gasen (fluorierte Treibhausgase) seit vielen Jahren beschlossen. Wie haben Sie den „Hype“ um Propan verfolgt?
Das Thema wurde medial überhöht. Zunächst einmal ist die Klimabilanz jeder aktuellen Wärmepumpe besser als jede fossile Heizung, selbst dann, wenn das Kältemittel bei einer Havarie in die Umwelt entlassen werden würde. Der Ausstieg aus den F-Gasen ist bekannt und wird von den Wärmepumpenherstellern breit unterstützt. Die Entwicklung und die Praxistests der für langlebige Wärmepumpen notwendigen Komponenten erfordert jedoch etwas mehr Zeit und wird in den kommenden Jahren Schritt für Schritt, aber konsequent, umgesetzt.
Wie steht Nibe zu diesem natürlichen Kältemittel? Kann Propan „die Lösung“ für die Wärmepumpenbranche sein?
Propan ist sicher ein wesentlicher Beitrag. Wir verwenden das Kältemittel bereits seit vielen Jahren für Wärmepumpen in Außen- und Innenaufstellungen. Bei größeren Leistungen gibt es insbesondere für innen aufgestellte Wärmepumpen noch Aufgaben für die Entwicklung. Wir stehen auch noch am Anfang der Lernkurve für den korrekten Umgang in der Breite des Handwerks.
Wieweit ist Ihrer Meinung nach – wie von der Politik postuliert – ein kompletter Umstieg des Heizungssektors von Heizöl und Erdgas auf die mit Strom betriebene Wärmepumpe möglich?
In Deutschland werden in jedem Jahr circa eine Million neue Heizungen installiert, die dann jeweils 20 Jahre in Betrieb sind und maßgeblich für die Kohlendioxid-Emission des Gebäudes verantwortlich sind. Der Wärmpumpenanteil ist mit circa elf Prozent am jährlichen Absatz nach wie vor sehr gering. Selbst wenn wir zunächst nur die Hälfte des Bedarfes mit klimafreundlichen Wärmepumpen liefern, werden die politisch postulierten 500.000 Wärmepumpen pro Jahr erreicht. Das halte ich für ein sehr realistisches Minimalziel. Damit sollten wir erst einmal anfangen, dann sehen wir weiter. Grundsätzlich ist der Umstieg bei den allermeisten Wohngebäuden möglich.