Ausweg Wärmewende
Dass die Menschheit fähig für unvorhersehbare Veränderungen ist, hat sie häufig bewiesen. Aus dieser Zuversicht schöpften dann auch alle Redner ihre Hoffnungen. Sie lieferten zahlreiche Möglichkeiten, die in Deutschland bereits heute technisch umsetzbar sind und auch angegangen, im Tempo aber deutlich erhöht werden müssen. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern, der Ausbau einer CO2-neutralen Stromerzeugung und Energieversorgung, klimaneutrale Umstellungen in den Bereichen Industrie und Verkehr, Sektorkopplung, Speichertechnologien, Effizienzmaßnahmen – für den Gebäudesektor alles zusammengefasst unter dem Begriff „Wärmewende“.
Sie war das bestimmende Thema beider Tage der „Zukunftswerkstatt“. Und seit Monaten beherrscht sie die politische Debatte, sorgt mit dem beschlossenen GEG-Kompromiss („Heizungsgesetz“), kommunalen Wärmeplanungen sowie einer noch unklaren Förderkulisse (Stichwort: BEG) für mehr Verunsicherung als Klarheit in der Industrie, bei Herstellern, im Handwerk und bei Betreibern von Heizungsanlagen. „Was wir im Handwerk jetzt dringend brauchen, sind zuverlässige Rahmenbedingungen, um unsere Kunden bei der Wärmewende auch mitnehmen zu können und zu überzeugen“, erklärte Bernd Simon für den Fachverband SHK Baden-Württemberg. Die Wärmewende sei mit dem SHK- und Elektro-Handwerk auch mit den vorgegebenen Zahlen bis 2030 möglich, brauche jetzt aber weitere Unterstützung.
Wärmewende heißt Wärmepumpe
Für das SHK- und Elektro-Fachhandwerk bedeutet es also, sich quantitativ und auch qualitativ ganz auf die Wärme-pumpe auszurichten. Denn wenngleich 2023 wegen des politischen Schlingerkurses beim GEG nochmals ein „Superjahr“ für Gas und sogar Öl werden wird: Die Wärmewende ist nur zu schaffen mit den sich noch in der Planungsphase befindlichen Wärmenetzen für zentrale Lösungen und mit Wärmepumpen für alle anderen dezentralen Be-reiche. Weder Wasserstoff noch Biomasse oder andere Alternativen machen wirklich Sinn, was Prof. Quaschning belegen konnte. Vor allem der Gebäudebestand muss jetzt schnell angepackt werden.
Martin Eggstein vom Umweltministerium Baden-Württemberg sprach diesem Bereich mit einer dringend notwendigen Verdoppelung der Sanierungsrate eine entscheidende Rolle zu. Im Ländle sieht man sich in Sachen „Wärmewende“ übrigens als politischen Vorreiter. Denn kommunale Wärmeplanungen finden hier seit 2020 statt und das Erneuerbare-Wärme-Gesetz greift sogar schon seit 2010 – auch im Bestand. Günther Schlachter vom Hersteller Viessmann sprach in diesem Kontext gar von einer Jahrhundertaufgabe, weil rund 85 Prozent der Gebäude in Deutschland renovierungsbedürftig seien. Dabei ist alles angerichtet: Stand heute ist das Handwerk darauf vorbereitet, viele Wärmepumpen zu installieren. Für nahezu jeden Bedarf gibt es Geräte und sie lassen sich nachweisbar in älteren Ein- und Mehrfamilienhäusern mit guten Jahresarbeitszahlen ab einem Wert 3 betreiben.
„Das geht in vielen Fällen sogar mit den vorhandenen Heizkörpern“, wie Dr. Marek Miara vom Fraunhofer ISE in Freiburg gleich mehrfach betonte. Seit 20 Jahren arbeitet er mit seinem Wärmepumpenteam in der Forschung und kann heute auf ein in Deutschland wohl einmaliges Praxiswissen durch unzählige Messungen zurückgreifen. Beim Kältemittel sieht er Propan (R290) als wichtigste Zukunftslösung, für das inzwischen ein umfangreiches Angebot an Luft/Wasser-Wärmepumpen verfügbar ist.
Aussichten mit Hoffnung
Es waren erkenntnisreiche zwei Tage bei Testo im Schwarzwald. Fasst man zusammen, dann stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir ab dem kommenden Jahr 500.000 Wärmepumpen denn schaffen werden. Die Antwort lautet: Wir haben gar keine andere Wahl! Und auch die eingangs gestellte Sinnfrage ist mit einem schnellen „Ja“ beantwortet, wenn wir es nicht nur mit den Klimazielen ernst meinen, sondern die sonst drohenden Negativszenarien verhindern wollen.