Mit welcher Vielfalt an Lösungen eine moderne Holzenergienutzung realisiert werden kann, zeigte eine 1,5-tägige Pressefahrt der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. (AEE) zusammen mit dem Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband e.V. (DEPV). Sie führte in die Region Stuttgart und den Nordschwarzwald, wo Holzpellets, Holzhackschnitzel und Biogas in verschiedensten Projekten zum Einsatz kommen.
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Moderne Holzenergienutzung im Südwesten
Gute Beispiele aus Stuttgart und dem Nordschwarzwald
Donnerstag, 25.01.2018
"Baden-Württemberg ist das Land, in dem die moderne Holzenergie zu Hause ist", beschrieb Martin Bentele, geschäftsführender Vorsitzender des DEPV, die – auch wegen des Waldreichtums – vorteilhafte Ausgangssituation.
In Stuttgart werden elf kommunale Pellet- und vier Holzhackschnitzelheizungen betrieben. Diese Anlagen seien ein Beitrag, um die Landeshauptstadt bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen, informierte Dr. Jürgen Görres, Leiter der Abteilung Energiewirtschaft im Amt für Umweltschutz der Landeshauptstadt.
Dabei stammten die Holzhackschnitzel im Wesentlichen sogar aus der eigenen Gemarkung und auch die Pellets kämen immerhin aus einem Umkreis von 50 km. In diesem Sinne sei man doppelt nachhaltig unterwegs. "Die Luftsituation in der Innenstadt ist ja kritisch", so Görres. Daher wolle man aber die Biomassenutzung nur außerhalb der City weiter ausbauen. Da die Anlagen mit Filtern ausgerüstet seien, leisteten sie zwar ihren Beitrag zur Luftreinhaltung. Und doch: "Wir wollen den Zielkonflikt nicht offen ausbrechen lassen."
Kirchengemeinde und Schulzentrum versorgt
Die erste Station der Pressefahrt war der Stadtteil Stuttgart-Möhringen: Dort werden sowohl die Kirchengemeinde St. Hedwig als auch das nur wenige hundert Meter entfernte Rembrandt-Schulzentrum über Pelletheizungen versorgt. Bei der Kirchengemeinde stammen 95 Prozent der benötigten Wärme aus einer 100 kW starken KWB-"Multifire"-Anlage. Den Rest liefert ein Gas-Spitzenlastkessel. "Er kommt aber nur im eiskalten Winter zum Einsatz", berichtete Franz-Xaver Friedel, der Vorsitzende der Kirchengemeinde.
Durch eine Kombination mit drei 10.000 l Pufferspeichern wird der Pelletkessel immer im optimalen Leistungsbereich gefahren, um Emissionen zu minimieren und eine möglichst hohe Effizienz zu erzielen. Die Wärme wird anschließend über ein Mikronetz an die Kirche, das Gemeindehaus, das Pfarrhaus und den direkt dabei ansässigen Kindergarten verteilt. Die Heizung war Teil einer energetischen Sanierung des Gesamtkomplexes, der unter anderem der Bau einer großen Photovoltaik-Anlage auf dem Kirchendach vorangegangen war.
Im nahe gelegenen Rembrandt-Schulzentrum sorgt ebenfalls eine KWB-Pelletheizung, eine "Powerfire" mit einer Leistung von 300 kW, kombiniert mit einem Gas-Spitzenlastkessel, für ausreichende Heizleistung. Die Anlage produziert nach Angaben von Jürgen Görres jährlich 1,1 Mio. kWh Wärme. Dies reiche noch nicht ganz für das Schulzentrum, man wolle aber durch Sparmaßnahmen noch höhere Wirkungsgrade erreichen.
Beim Einsatz biogener Brennstoffe in der Bundesrepublik ist nach Ansicht der Organisatoren der Reise noch viel zu tun: "Die Wärmewende ist noch längst nicht auf Kurs", konstatierte Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien aus Berlin. "Der Anteil der erneuerbaren Energien am Wärmemarkt stagniert seit Jahren um die 13 Prozent, außerdem ist hier bislang keinerlei Dynamik zu sehen", so Vohrer.
Die Folgen seien verheerend: Ginge die Entwicklung weiter wie bisher, würden die Klimaschutzziele für Deutschland "krachend verfehlt". Die Gründe dafür seien vielfältig: Neben dem zu billigen Öl gäbe es auch falsche Anreize des Staates, wie die weiterhin bestehende Förderung fossiler Heizungen oder das sich verzögernde Gebäudeenergiegesetz, dessen Gesetzesinitiative darauf zielt, die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) miteinander zu verbinden. Hinzu kämen weitere Herausforderungen, etwa, dass unterschiedlichste Akteure im Wärmesektor miteinander kooperieren müssten.
Kommunen stärker in die Pflicht nehmen
Bei all den Herausforderungen sind paradoxerweise die Voraussetzungen für die Wärmewende gar nicht so schlecht. Die technologischen Lösungen seien vorhanden, um das Potential von 100 Prozent erneuerbaren Energien im Wärmemarkt auszuschöpfen, war zu erfahren. Nötig sei aber auch eine deutliche Reduktion des Endenergiebedarfs für Wärmezwecke. Außerdem müssten der Strom- und Wärmesektor effizient miteinander verknüpft und überschüssige Erzeugung von Wind- und Solarstrom zur Wärmeversorgung herangezogen werden.
Ein besonderes Augenmerk, so Vohrer, verdiene dabei auch die Prozesswärme, die etwa zwei Drittel des industriellen Endenergieeinsatzes ausmache und bisher nur zu etwa fünf Prozent mit erneuerbaren Energien gedeckt werde: "Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig". Künftig müsse man auch die kommunale Wärmeplanung verstärkt in den Mittelpunkt stellen sowie die kommunalen Akteure wie Stadtwerke stärker in die Entwicklung einbeziehen.
Martin Bentele verwies als Verbandsvertreter darauf, dass man mit Holz am meisten CO2 einsparen könne. Zudem reiche die Pelleterzeugung in Deutschland aus, dass sich das Land selbst damit versorgen könne. Man sei derzeit sogar noch Netto-Exporteur. "Das Ganze bekommt man aber nicht geschenkt", mahnte er.
Initiativen, wie die des Landes Baden-Württemberg, mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) für bessere Ausgangsbedingungen zu sorgen, hätten nicht gerade zu einem Boom im Heizungsmarkt geführt. Bentele mahnte daher: "Wir sehen die neue Bundesregierung in der Pflicht, durch ein maßvolles Ordnungsrecht steuernd einzugreifen." Man müsse den Verbraucher eben ein wenig mehr zu seinem eigenen Glück hinbewegen.
Untersteller fordert Wärmegesetz für den Bund
Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), der für ein Kamingespräch zur Delegation hinzustieß, bekräftigte, man werde sich dafür einsetzen, dass das in seinem eigenen Land geltende Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) auch als Vorbild für den Bund dient: "Wenn wir mit der Wärmewende weiterkommen wollen, müssen wir das Wärmegesetz auf die Bundesebene bekommen. Was aber nicht heißt, dass es dort eins zu eins wie in Baden-Württemberg umgesetzt werden muss", so Untersteller.
Als weitere Möglichkeiten, die Wärmewende anzuschieben, nannte Untersteller die Einführung von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten sowie einer CO2-Steuer, die ja derzeit immer häufiger gefordert werde. "Des Weiteren ist wünschenswert, den Strompreis zu entlasten, um neue Anwendungen wie Power-to-Gas oder Speichermodelle rentabler zu machen."
Der Förderung von Effizienzmaßnahmen und der Erstellung von objektbezogenen Sanierungsfahrplänen misst Untersteller ebenfalls hohe Bedeutung bei: "Die meisten Hausbesitzer befassen sich dann zum ersten Mal auf diese Weise mit ihrem Gebäude." Es bestehe berechtigte Hoffnung, dass hieraus auch Sanierungsschritte erfolgten. Er hoffe aber genauso, dass auch die Installateure noch mehr die Chance erkennen, dass sie dank des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes eine höhere Wertschöpfung erzielen können, als würden sie weiter fossile Heizungen verbauen.
Ähnlich forderte auch Dr.-Ing. Amany von Oehsen, Projektleiterin am ifeu–Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH, neue Politikinstrumente für die Wärmewende: "Wir brauchen jetzt ein sehr starkes Signal durch eine ökologische Steuerreform, die Öl und Gas verteuert", betonte sie.
Die bisherige Erhöhung der Förderung für die Modernisierung von Heizungen hätte bisher nämlich nicht allzu viel gebracht. Zudem sei der Bereich des Handwerks genauer unter die Lupe zu nehmen, in wie weit dieser bevorzugt Öl- und Gasheizungen verbaut. Hilfreich könne vielleicht ein Prämienmodell sein, das genau jene "Hightech-Handwerker" belohnt, die gezielt nach komplexeren Lösungen suchen und nicht wie üblich fossile Standardpakete anbieten.
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