Zukunft Erdgas sieht aktuellen Plan als zu kurz gegriffen
"Die Wasserstoffstrategie markiert einen Wendepunkt der deutschen Energiepolitik. Sie zeigt, dass sich die Bundesregierung von der Utopie der Vollelektrifizierung verabschiedet und stattdessen einen realistischen Zukunftsweg einschlägt“, bekräftigte Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas.
"Wasserstoff bietet Wirtschaftszweigen, die sich nur schwer elektrifizieren lassen, bezahlbaren Klimaschutz. Aber auch im Wärmesektor wird der Energieträger den Klimaschutz voranbringen. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass die Bundesregierung den Blick auch auf diesen wichtigen Markt lenkt. So soll künftig der Einsatz von wasserstofffähigen Heizgeräten unterstützt werden. Auch die Förderung der Brennstoffzellenheizung, eine Schlüsseltechnologie der Energiewende, soll ausgebaut werden. Damit erhalten die rund 20 Millionen Gaskunden in Deutschland eine Perspektive, selbst an der Energiewende mitzuwirken." Mit der Gasinfrastruktur sei bereits das Fundament für eine erfolgreiche Wasserstoffzukunft gelegt, betonte Kehler. "Richtig umgesetzt, kann die Strategie Deutschland zum europäischen Wasserstoff-Drehkreuz machen." Bei der Erzeugung von Wasserstoff greift der Plan für Kehler jedoch zu kurz. "Hier fokussiert sich die Politik ausschließlich auf grünen Wasserstoff. Nur durch einen technologieoffenen Ansatz lassen sich die großen Mengen Wasserstoff, die wir zukünftig benötigen werden, zum besten Preis erzeugen."
DWV und DVGW fordern Anpassung des Ordnungsrahmens
Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) bewerteten die Nationale Wasserstoffstrategie als wichtiges Signal für die Zukunft der Gasbranche. Das vorhandene Erdgasnetz biete die optimale Infrastruktur, um Wasserstoff in den Wärmemarkt zu bringen. Dort könne schon jetzt mit der Umstellung auf wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenheizungen ein wichtiger Beitrag zur Senkung der Kohlendioxid-Emissionen erfolgen. Dazu tragen aber auch bestehende Technologien wie Brennwertheizungen bei, die ohne Umrüstung mit Wasserstoff-Anteilen betrieben werden können. Aktuell würden bereits Feldtests mit Geräten durchgeführt, denen im Labor eine 20- bis 30-prozentige Verträglichkeit mit Wasserstoff attestiert wurde. Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des DWV, hielt für einen marktwirtschaftlichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft neben der Förderung eine stärkere Fokussierung auf die zeitnahe Ausgestaltung geeigneter regulatorischer Rahmenbedingungen für erforderlich.
Beispielsweise seien im konventionellen Verkehrssektor grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte im Vergleich zu anderen Optionen der Treibhausgasemissionen bereits heute wettbewerbsfähig. "Es fehlt jedoch an der geeigneten Regulierung."
"Wir stehen bereit, die sehr guten strategischen Ansätze zum Markthochlauf von Wasserstoff jetzt zügig umzusetzen“, unterstrich auch Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW.
Doch der Strategie müssten nun technische Umsetzungsmaßnahmen sowie Anpassungen des Ordnungsrahmens folgen. Die Bundesregierung habe bislang kaum regulatorische Hindernisse aus dem Weg geräumt. "In der Strategie finden sich nur wenige Maßnahmen, um nachhaltig Märkte für Wasserstoff zu schaffen. Die geplanten Förderinstrumente und Umlagebefreiungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind hier nur der erste richtige und notwendige Schritt", so Linke. "Blauer und türkiser Wasserstoff dürfen bei der Marktentwicklung nicht unter den Tisch fallen, um auf die industriell benötigten Mengen zu kommen. Insbesondere aber im Wärmemarkt sehen wir einen der größten Wachstumssektoren für Wasserstoff, dessen Attraktivität jedoch nur noch besser auszugestalten ist, indem die schrittweise Erhöhung der Wasserstoffanteile aktiver gefördert wird."
NOW sieht einen industriepolitischen Durchbruch
"Für den Industrie- und Technologiestandort Deutschland, der seit vielen Jahren im Bereich Wasserstoff zur Weltspitze gehört, ist die Wasserstoffstrategie der lang erwartete Durchbruch. Sie setzt den Rahmen für die breite Anwendung von Wasserstofftechnologien und stellt die für einen Markthochlauf notwendigen Fördermittel zur Verfügung", resümierte Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW). Für ihn mindestens so wichtig wie die Fördermittel seien die regulatorischen Maßnahmen, die in der Strategie adressiert sind. "Damit der Schwung durch die Verabschiedung der Strategie nicht verpufft, sollten die angekündigte Befreiung des Elektrolysestroms von der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) und die ambitionierte Umsetzung der RED II (Renewable Energy Directive) jetzt schnell und überzeugend kommen", so Knobelsdorff. "Nur so erhalten die Unternehmen die nötige Investitionssicherheit."