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Noch große Potentiale in der Gebäudeautomation

Interview mit Dr. Peter Hug, Geschäftsführer Fachverband Gebäudeautomation im VDMA

Dienstag, 16.01.2018

Die Europäische Union (EU) treibt das Thema Energieeffizienz im Gebäude weiter voran und plant dabei, den Stellenwert von Steuerungstechnik und Automation zu erhöhen. Zu Recht, meint Dr. Peter Hug, Geschäftsführer des Fachverbandes Gebäudeautomation und Sprecher des Forums Gebäudetechnik im VDMA.

Dr. Peter Hug, Geschäftsführer des Fachverbandes Gebäudeautomation und Sprecher des Forums Gebäudetechnik im VDMA.
Quelle: VDMA
"In der europäischen Norm EN 15232 wird der Zusammenhang zwischen Gebäudeautomation und Energieeffizienz modellhaft nachgewiesen. So kann zum Beispiel in einem vollautomatisierten Bürogebäude gegenüber einem Referenzgebäude mit Standardausstattung 30 Prozent thermische und 13 Prozent elektrische Energie durch Automatisierung eingespart werden", so Dr. Peter Hug, Geschäftsführer des Fachverbandes Gebäudeautomation und Sprecher des Forums Gebäudetechnik im VDMA.

Der Rat der Energieminister der EU-Mitgliedsländer hat Ende Juni 2017 seinen Standpunkt zum Vorschlag für eine Novelle der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD, Energy Performance of Buildings Directive) verabschiedet. Außerdem hat am 11. Oktober 2017 der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Europäischen Parlaments beschlossen, den Fokus der EPBD auf die Energie- und Kosteneffizienz bei der Sanierung bestehender Gebäude in der EU zu lenken. Welche wesentlichen Änderungen sind denn im Gespräch?

Erfreulich ist zunächst einmal, dass sowohl die EU-Kommission als auch das Parlament das Potential der Gebäudeautomation und Regelungstechnik in Sachen Energieeffizienz erkannt hat. Im aktuellen Vorschlag, den der Parlamentsausschuss Ende Oktober veröffentlicht hat, sind Automatisierungstechnologien für Nichtwohngebäude ab einem Primärenergieverbrauch von 250 MWh einzuplanen und gelten quasi auch als Ersatz für Inspektionen.

Gebäudeautomation kann über Monitoring und Analysefunktionen zahlreiche Hinweise auf Fehlfunktionen und Optimierungsmöglichkeiten in der Anlagentechnik liefern. Uns ist es weiterhin wichtig, dass Nutzer Raum für Raum die Temperatur regeln können. In Deutschland ist dies längst umgesetzt, aber europäisch eben nicht. Und dass die Energieeffizienz der Systeme nicht nur im Volllastbereich definiert wird, sondern dass Anlagen auch im Teillastbereich effizient betrieben werden können.

Das ist in den Kompromissvorschlägen aus unserer Sicht gut wiederzufinden. Es gilt nun, diese Positionen, die von der Kommission sicher als guter Kompromiss gesehen werden, im Trilog mit den Mitgliedsstaaten zu verteidigen. Gegenstimmen gegen den Kommissionsentwurf gab es bereits mit Hinweis etwa auf das Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, Nationalstaaten wollen die Vorgaben selbst gestalten und dies nicht der EU überlassen. Im Detail gibt es sicher noch Diskussionspunkte, nicht nur die Gebäudeautomation betreffend, die zwischen Parlament, Rat und Kommission diskutiert werden.

Der Evaluationsbericht zur bestehenden EPBD bezeichnet eine Erhöhung der Sanierungsquote sowie die Verbesserung der Qualität und der Effizienz von Bestandsgebäuden als größte Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Warum ist das so wichtig?

Die EPBD, wie auch in Deutschland die ENEV, die ja die Umsetzung in nationales Recht darstellt, bezieht sich auf Neubau und Totalrenovierungen. Das ist natürlich im Vergleich mit den Energieverbräuchen im gesamten Gebäudebestand nur ein kleiner Anteil. Es gibt Initiativen, welche die Renovierungsquote verdoppeln oder verdreifachen wollen. Bislang aber ohne Erfolg.

Meiner Meinung nach liegt das an dem falschen Ansatz, dass man meist Totalrenovierungen fordert. Es sollen also möglichst gleichzeitig die Fenster getauscht, Wände und Dächer isoliert und die Anlagentechnik erneuert werden. Zumindest soll aber ein Sanierungsfahrplan eingehalten werden. Dies führt leider wegen der dazu notwendigen Investitionen und zu langen Amortisationszeiten eher zu einer abwartenden Haltung der Investoren. Ich meine, wir kämen weiter, wenn Investitionen mit kurzen Amortisationszeiten zuerst getätigt würden. Aus den schnellen Einsparungen können dann Investitionen getätigt werden, die sich weniger schnell rechnen. Mit einer solchen Strategie ließe sich eine größere Hebelwirkung erzeugen.

Stellen Sie sich vor, sie haben 500.000 Euro zur Verfügung und sanieren damit ein älteres Mehrfamilienhaus umfänglich, sodass Sie beispielsweise 80 Prozent Energie in diesem einzelnen Objekt einsparen. Sie erreichen dann doch absolut deutlich mehr, wenn Sie mit den effektivsten Maßnahmen in 50 Häusern jeweils 25 Prozent Einsparungen erzielen.

In dem Vorschlag der EU-Kommission heißt es, der Entwurf präsentiere Gebäudeautomations- und Steuerungssysteme als Alternative zu Inspektionen. Ist also davon auszugehen, dass die Neuerungen der EPBD den Stellenwert von Automatisierungslösungen in Gebäuden erhöht?

Nachdem große Teile der Anlagentechnik im Gebäude durch Mindestanforderungen oder Labels geregelt sind und die Gebäudehüllen, zumindest im Neubau, sehr dicht und weitgehend sehr gut isoliert sind, liegen die großen Effizienzpotentiale in der Steuerungstechnik und Gebäudeautomation. Ich denke, die Politik hat dies – auch dank ausgedehnter Informationskampagnen unserer Branchenverbände – erkannt.

Welchen Beitrag zur Effizienzsteigerung von bestehenden Gebäuden können Automatisierungs- und Steuerungssysteme denn leisten?

In der europäischen Norm EN 15232 wird der Zusammenhang zwischen Gebäudeautomation und Energieeffizienz modellhaft nachgewiesen. So kann zum Beispiel in einem vollautomatisierten Bürogebäude gegenüber einem Referenzgebäude mit Standardausstattung 30 Prozent thermische und 13 Prozent elektrische Energie durch Automatisierung eingespart werden.

Heißt das, wirklich nachhaltig wird der Gebäudebestand nur durch den Einsatz von Automation?

In jedem Fall liefert Gebäudeautomation über Monitoring-Funktionen die Informationen, die es braucht, um Gebäude zu steuern. Was ich nicht weiß, kann ich auch nicht steuern.

Der Kommissionsentwurf stellt einen sogenannten "smartness indicator" – also einen "Intelligenzindikator" – vor, der als Maß dafür dienen soll, wie gut ein Gebäude dazu in der Lage ist, mit dem Stromnetz zu interagieren. Warum ist diese Integration unserer Gebäude in intelligente Stromnetze wichtig?

Der "smartness indicator" (SRI) ist noch gar nicht definiert. So es ihn geben wird, wird er sicherlich auch Gebäudeautomation und Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (MSR-Technik) berücksichtigen. Wir gehen davon aus, dass der "smartness indicator" kein eigenständiges Label, sondern etwa eine Kennziffer auf den sowieso vorhandenen Energieausweisen sein wird. Für den SRI soll ein sogenannter "delegated act" geschaffen werden. Wir werden uns an den entsprechenden Diskussionen mit Sicherheit einbringen.

In Deutschland haben Unternehmen momentan die Wahl, ob Sie den Anforderungen der europäischen Energieeffizienzrichtlinie durch ein Energieaudit oder ein Energiemanagementsystem nachkommen. Derartige Audits werden jedoch häufig als zu wenig wirkungsvoll kritisiert. Warum?

Weil die Audits nicht mit Nachrüstverpflichtungen verbunden sind. Das Audit stellt lediglich die Information über den Istzustand dar. Niemand wird dadurch gezwungen, an diesem Zustand etwas zu verändern. Ich denke, man sollte es in den meisten Fällen auch wirklich den Investoren überlassen, wie sie ihre Mittel einsetzen.

Doch die tun bislang scheinbar zu wenig. Die Sanierungsquote soll weiter erhöht werden, um die Klimaziele zu erreichen…

Die Sanierungsquote zu erhöhen, ist ein hehres Ziel. Die Prioritäten der Investoren sind aber doch die Kernfrage. Im Falle von Nichtwohngebäuden und professionellen Investitionen sind die Amortisationszeiten von Investitionen in die eigene Energieeffizienz im Vergleich zu den Alternativen oft schlicht zu lang.

Im privaten Bereich fehlt es an drei Dingen: Einmal ist die Finanzierung für viele, insbesondere ältere Hausbesitzer, eine Herausforderung, da sie die Liquidität einschränkt und sich nur sehr langfristig rechnet. Darüber hinaus sind die Rahmenbedingungen und der Förderdschungel in Deutschland meines Erachtens eher geeignet, Attentismus zu erzeugen als einen Schub in Sachen Sanierungen. Und drittens kommt noch hinzu, dass in Deutschland der Anteil der Bürger, die im Eigentum leben, im Vergleich mit anderen europäischen Staaten sehr niedrig ist. Dies führt auch eher zu einer abgeschwächten Nachfrage nach Investitionen in Energieeffizienz.

In jedem Fall aber bieten die Audits Anhaltspunkte über Verbesserungspotentiale. Derzeit werden bundesweit sogenannte Energieeffizienz-Netzwerke gegründet. Das sind Gruppen von Unternehmensvertretern, die sich über Energieeffizienzmaßnahmen austauschen. Der VDMA betreut mehrere solcher Netzwerke und baut viele weitere auf. Hier werden Auditinformationen verarbeitet und Strategien ausgetauscht. Energieeffizienz ist am Ende nicht nur Selbstzweck, sondern auch ein gutes Mittel, das eigene Image zu definieren.

Von Julia Ockenga
WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG
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