Die Wärmewende hinkt der Stromwende hinterher.
Potential für oberflächennahe Geothermie wird nicht genutzt
Fraunhofer IEG: Erdwärmepumpen könnten Deutschland zu drei Viertel mit Wärme versorgen
Mittwoch, 26.10.2022
Um Gebäude nachhaltig, zukunftssicher und unabhängig von Rohstoffimporten zu beheizen und zu kühlen, stellen Wärmepumpen, die oberflächennahe Geothermie als Wärmequelle nutzen (sprich: Erdwärmepumpen), die vorteilhafteste Option dar. Zu diesem Ergebnis kommt die „Roadmap oberflächennahe Geothermie“. Das Strategiepapier gibt Handlungsempfehlungen, um die nationalen Klimaziele für das Jahr 2045 zu erreichen.
Welche Rolle können Erdwärmepumpen für die Energiewende spielen? Die „Roadmap oberflächennahe Geothermie“ beleuchtet die aktuellen Potentiale und Hemmnisse und gibt Handlungsempfehlungen. Die Studie wurde durch die Fraunhofer IEG (Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie) erstellt – mit Unterstützung des BVG (Bundesverband Geothermie), des BWP (Bundesverband Wärmepumpe) und der Erdwärme Gemeinschaft Bayern. Im Rahmen einer digitalen Pressekonferenz stellten Prof. Dr. Rolf Bracke (Leiter der Fraunhofer IEG), Dr. André Deinhardt (Geschäftsführer des BVG), Dr. Martin Sabel (Geschäftsführer des BWP) und Christoph Knepel (Vorstand der Erdwärme Gemeinschaft Bayern) im Juni 2022 die Eckdaten der Roadmap vor.
Die Wärmewende hinkt der Stromwende hinterher, heißt es in dem Strategiepapier. Während Wind und Sonne in guten Jahren die Hälfte der elektrischen Energie nachhaltig liefern, decken regenerative Wärmequellen weniger als ein Fünftel des Wärmebedarfs. Während eine Reduzierung des Energiebedarfes für Raumwärme vor allem durch die Sanierung von Bestandsgebäuden möglich ist, kann die komplette Vermeidung von Treibhausgasemissionen nur durch eine Abkehr von den fossilen Energieträgern Erdgas und Öl erreicht werden. Doch von über 900.000 verkauften Wärmeerzeugern in 2021 waren immer noch rund 70 Prozent Gasheizungen und etwa fünf Prozent Ölheizungen. So hatten erneuerbare Energien lediglich einen Anteil von 16,5 Prozent am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte in Deutschland.
Damit komme der Umstellung der Energieversorgung von Bestandsimmobilien und dem Neubau von Quartieren der Wohnungswirtschaft eine Schlüsselrolle bei der Wärmewende zu. Erdwärmepumpen, die als Wärmequelle den oberflächennahen Untergrund nutzen, seien eine der effizientesten Optionen und müssen zukünftig einen signifikanten Beitrag für die Wärme- und Energiewende leisten. Die Bedarfstemperatur für Heizungen liegt zwischen 30 °C und 70 °C und lässt sich durch Erdwärmepumpen in der Regel gut abdecken.
Investitions- vs. Betriebskosten
Zwar haben Erdwärmepumpen im Vergleich zu Luftwärmepumpen höhere Kapitalkosten aufgrund der notwendigen Bohrungen. Dementgegen stehen niedrigere Betriebskosten, die auf den jahreszeitlich vergleichsweise konstanten und hohen Untergrundtemperaturen beruhen. Daraus resultiert eine deutlich höhere Effizienz von Erdwärmepumpen im Vergleich zu Wärmepumpen, die Umgebungsluft als Wärmequelle nutzen, so die Studie. Vorteile dieser höheren Effizienz seien ein geringerer Strombedarf je erzeugter Kilowattstunde Wärme, die Wirtschaftlichkeit und die Umweltverträglichkeit des Anlagenbetriebs werden erhöht und aufgrund der höheren Quellentemperaturen sind höhere Heizungsvorlauftemperaturen für den Einsatz in Bestandsgebäuden möglich.
Erdwärmepumpen sind eine seit Jahrzehnten etablierte Technologie für die Wärme- und Kältebereitstellung in Wohn- und Nichtwohngebäuden. Nach einem ersten Boom Anfang der 1980er-Jahre, etablierten sich Wärmepumpen seit der Jahrtausendwende auf dem deutschen Heizungsmarkt. Seit 2006 werden jährlich über 50.000 Wärmepumpen verkauft, in 2021 gar über 150.000. Jedoch gab es mit den Jahren eine Trendverschiebung von Erdwärmepumpen hin zu Luftwärmepumpen. Bei den Absatzzahlen sank der Anteil der Erdwärmepumpen auf unter 20 Prozent. In Summe ergibt sich für Ende 2021 ein Feldbestand von rund 435.000 Erdwärmepumpenanlagen in Deutschland, die rund 10 Terawattstunden im Jahr (TWh/a) Wärme bereitstellen. Demgegenüber umfasst der Bestand an Luftwärmepumpen mittlerweile rund 770.000 Anlagen (16,5 TWh/a Wärme).
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