Interview mit Adrian Willig, Geschäftsführer des Instituts für Wärme und Oeltechnik e.V. (IWO).
Die Bedeutung von flüssigen "Future Fuels" wird wachsen
Dienstag, 24.12.2019
Die Ölheizung ist aktuell wieder sehr kräftig in den politischen wie gesellschaftlichen Diskurs geraten, dafür haben zuletzt die von der Bundesregierung beschlossenen Eckpunkte des Klimaschutzprogramms gesorgt. Diese sehen unter anderem vor, die Neuinstallation reiner Öl-Brennwertgeräte ab 2026 zu untersagen. "Millionen Menschen, die im ländlichen Raum leben, würden dadurch zusätzliche Auflagen bei der Heizungsmodernisierung bekommen. Zudem droht ihnen nach den Beschlüssen des Klimakabinetts auch eine massive Benachteiligung bei Fördermaßnahmen", betont Adrian Willig, Geschäftsführer des Instituts für Wärme und Oeltechnik e.V. (IWO), im Interview mit dem HeizungsJournal hierzu. Es sei falsch, vom Ansatz der Technologieoffenheit abzuweichen, zumal auch heute noch fossil betriebene Öl-Brennwertheizungen durch Einkopplung erneuerbarer Energien und zunehmend treibhausgasneutralem Heizöl eine klimaneutrale Perspektive hätten.
Wie der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH) mitteilte, wurden vergangenes Jahr 732.000 Wärmeerzeuger in Deutschland abgesetzt. Drei Prozent mehr als im Vorjahr. Als Treiber dieses Wachstums nennt der BDH den verstärkten Neubau, der Sanierungssektor setze nicht die erhofften Impulse. Wie erleben Sie das aktuelle Marktgeschehen aus Sicht des IWO?
Wir können die Einschätzung des BDH bestätigen. Die Zahlen zum Wärmemarkt zeigen, dass sich im Gebäudebestand noch immer zu wenig tut. Deutschlandweit entsprechen fast zwölf Millionen Gas- und Ölheizungen nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Dementsprechend groß ist der Modernisierungsbedarf. Doch die Sanierungsquote stagniert auf niedrigem Niveau. Die Herausforderung besteht darin, dass sich die Wärmewende, anders als der Kohleausstieg, nicht einfach politisch beschließen lässt. Wir haben es hier mit Millionen unterschiedlicher Akteure, wie Eigentümern, Mietern und Handwerkern, zu tun. Zudem greifen energetische Modernisierungen ganz unmittelbar in den Alltag der Menschen ein. Deshalb sind Fragen nach der Akzeptanz und gerade soziale Aspekte entscheidend. Hausbesitzer müssen ja nicht nur die Motivation haben, Investitionen zu tätigen, sondern auch in der finanziellen Lage dazu sein.
Dass die Eigentümer durchaus bereit sind, für die Wärmeversorgung im Bestand Geld in die Hand zu nehmen, zeigen die gestiegenen Absatzzahlen für Tanksysteme. Hier haben wir es aus Verbrauchersicht jedoch auch mit Kosten in einer anderen Größenordnung zu tun.
Im deutschen Heizungsbestand tummeln sich laut ZIV (Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband; Stand: 2017) rund 5,7 Millionen Ölheizungen – 5 Millionen Heizwertkessel und 0,7 Millionen Brennwertgeräte. Davon seien 6,5 Prozent über 33 Jahre alt. Mit welchen Mitteln kann es Ihres Erachtens gelingen, diese "Patienten" im Bestand zu aktivieren?
Die von Ihnen genannten Zahlen unterstreichen, dass wir viel mehr Modernisierungen brauchen. In Anbetracht der enormen Herausforderungen bei der Wärmewende haben wir noch einen Marathonlauf vor uns, keinen Sprint. Daher benötigen Hauseigentümer langfristig verlässliche Rahmenbedingungen und, damit verbunden, dauerhafte Anreize. Die vom Klimakabinett jetzt in Aussicht gestellte steuerliche Förderung für Sanierungsmaßnahmen ist schon lang überfällig. Zudem sollten Programme zum Austausch alter Heizkessel nachhaltig, dauerhaft und technologieoffen gestaltet werden. Denn wichtig ist zuallererst, dass die CO2-Emissionen im Gebäudebereich sinken. Wie das im Einzelfall umgesetzt wird, sollten die Eigentümer selbst entscheiden können. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des ITG, Dresden, zeigt zum Beispiel, dass auch ölbeheizte Gebäude die Klimaziele erreichen können. Dafür benötigen wir eben deutlich mehr Heizungsmodernisierungen. Die Ankündigung von Verboten führt jedoch zu einer Verunsicherung bei Verbrauchern und damit zu Attentismus. Bereits die Diskussionen im Vorfeld haben eine starke Zurückhaltung bei der Heizungssanierung verursacht.
Wie beurteilen Sie die Rolle der hybriden Heizsysteme auf Basis der Öl-Brennwerttechnik bei der Bestandssanierung?
Hybridsysteme, die verschiedene Wärmequellen nutzen und erneuerbare Energien einkoppeln, sind nach wie vor ein zukunftsweisendes Konzept. Das hat ja auch das Klimakabinett erkannt, das den Einbau von Hybridsystemen auf Basis von Öl-Brennwerttechnik auch nach dem Jahr 2026 ausdrücklich als Lösungsoption zur CO2-Reduktion anerkennt. Gerade für bestehende Ein- und Zweifamilienhäuser im ländlichen Raum bieten sich solche Hybridsysteme an, denn ein sofortiger Umstieg auf eine vollständig erneuerbare Energieversorgung ist dort in sehr vielen Fällen technisch nicht sinnvoll oder kaum bezahlbar. Gerade Eigentümer von Ölheizungen setzen bereits heute überdurchschnittlich oft zusätzlich auf Solarthermie. Diese Kombination gibt es deutschlandweit mehr als 900.000-mal. Doch auch Strom aus der hauseigenen Photovoltaik-Anlage (PV) kann zur Wärmeversorgung beitragen. So erreicht bei ganzheitlicher Betrachtung ein Öl-Photovoltaik-Hybridsystem mit solarstrombetriebener Warmwasser-Wärmepumpe Treibhausgaseinsparungen von mehr als 50 Prozent. Durch zusätzliche Effizienzmaßnahmen, zum Beispiel durch die Dämmung der Gebäudehülle, kann dieser Wert noch weiter gesteigert werden. Die Kombination von Öl-Brennwerttechnik und Photovoltaik ist eine attraktive Option, um dauerhaft mehr für den Klimaschutz zu tun. Durch einen künftigen Einsatz treibhausgasreduzierter Brennstoffe eröffnet sich für diese Heizsysteme langfristig sogar eine gänzlich klimaneutrale Perspektive.
Dennoch hat das Klimakabinett in seinen Eckpunkten beschlossen, dass Ölheizungen allein ab 2026 nicht mehr eingebaut werden dürfen. Und bei der vorgesehenen Austauschförderung werden ölbasierte Hybridlösungen offenbar nicht mehr berücksichtigt. Können Sie das nachvollziehen?
Der Beschluss des Klimakabinetts, die Neuinstallation reiner Öl-Brennwertgeräte ab 2026 zu verbieten und kurzfristig auch die Fördervoraussetzungen für Öl-Hybridheizungen, die erneuerbare Energien einbinden, einzuschränken, ist kontraproduktiv und ungerecht. Millionen Menschen, die im ländlichen Raum leben, bekommen dadurch nicht nur zusätzliche Auflagen bei der Heizungsmodernisierung. Sie werden auch bei Fördermaßnahmen massiv benachteiligt. Denn Eigentümer, die erneuerbare Energien in eine Öl-Hybridheizung einkoppeln wollen, werden nach dem aktuellen Stand wohl deutlich weniger Unterstützung bekommen als Hauseigentümer mit Gasanschluss. Der Nachteil, der im Zuge der geplanten Austauschförderung den Menschen so entsteht, könnte pro Modernisierungsfall einige tausend Euro ausmachen.
Anstatt Verbote zu verordnen, sollte die Politik daher besser Anreize für die zusätzliche Einbindung erneuerbarer Energien in ölbasierte Hybridsysteme schaffen. Dabei sollte es vielfältige Erfüllungsoptionen geben, zum Beispiel auch der Einsatz CO2-reduzierten Heizöls. Denn Ölheizungen müssen nicht rein fossil betrieben werden. Durch den künftigen Einsatz regenerativer Kraft- und Brennstoffe, wie zum Beispiel fortschrittlicher Biobrennstoffe oder power-to-x, haben sie eine klimaneutrale Perspektive. Maßnahmen zur Einführung solcher erneuerbaren Kraft- und Brennstoffe sieht die Bundesregierung ja vor; es ist aber widersinnig, wenn man zugleich die Anwendungstechnik verdrängen will, die diese grünen Brennstoffe nutzen kann. !PAGEBREAK()PAGEBREAK!
Das Thema "Sektorenkopplung" rückt den Gebäudebereich und hier vor allem den Bilanzraum Heizung, Lüftung, Kühlung und Warmwasserbereitung mehr und mehr in den Fokus des politischen wie öffentlichen Interesses. Wie nehmen Sie die Diskussionen rund um die "power-to-x"-Technologien ("power-to-heat", "power-to-hydrogen", "power-to-gas", "power-to-liquid") wahr?
Das IWO hat in den vergangenen Jahren verschiedene "power-to-heat"-Optionen in Modellvorhaben erprobt. Dabei geht es unter anderem darum, die Herausforderungen zu meistern, die sich durch das schwankende Angebot von Sonnen- und Windenergie ergeben. Auch Öl-PV-Hybridsysteme funktionieren ja nach dem "power-to-heat"-Prinzip und zeigen anschaulich, wie die Sektorenkopplung auch im Kleinen clever umgesetzt werden kann. Heizöl kann als speicherbarer Energieträger im Zusammenspiel mit volatilen erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit gewährleisten und zugleich eine vollflexible, systemdienliche Nutzung der erneuerbaren Energien ermöglichen. "Power-to-heat"-fähige Hybridheizungen, die in der Lage sind, erneuerbaren Strom oder Heizöl als Wärmequelle zu nutzen, können ihre Stromnachfrage optimal an die jeweiligen Verhältnisse auf der Stromseite anpassen – automatisch und ohne jegliche Komforteinschränkungen bei den Hausbesitzern. Anders als etwa reine Elektroheizungen, wie zum Beispiel monovalente Strom-Wärmepumpen oder Nachtstromspeicherheizungen, benötigen solche Öl-Hybridsysteme auch keine zusätzlichen Reservekraftwerkskapazitäten, die mit entsprechendem Kostenaufwand jederzeit bereitgehalten werden müssten. Ein Öl-PV-Hybridsystem lässt sich mit heute bereits bewährter, marktgängiger Technik umsetzen. Für eine solche Kombination mit einem Warmwasserspeicher mit integrierter Warmwasser-Wärmepumpe haben zahlreiche Heizgerätehersteller Lösungen im Angebot. Auch andere Anwendungen, etwa die Nutzung von ansonsten abgeregeltem Öko-Strom, sind technisch leicht umzusetzen. Damit sie für die Hauseigentümer auch wirtschaftlich attraktiv sind, müssten jedoch noch Anreize für eine Flexibilisierung der Stromnachfrage geschaffen werden.
"Power-to-liquid", also die Produktion weitgehend klimaneutraler Brennstoffe mithilfe von erneuerbar erzeugtem Strom, ist ein wichtiges Zukunftsthema. Der Einstieg in die Entwicklung weitgehend treibhausgasneutraler flüssiger Energieträger ist unverzichtbar. Das zeigt beispielsweise die Studie "Status und Perspektiven flüssiger Energieträger in der Energiewende" der Prognos AG. Alternative Brennstoffe, wozu zum Beispiel auch fortschrittliche "Bio-Fuels" zählen, können in der bereits heute genutzten Infrastruktur und Technik ohne aufwändige Umrüstungen eingesetzt werden und verfügen über den spezifischen Vorteil flüssiger Energieträger: ihre hohe Energiedichte. Diese ist um ein Vielfaches höher als etwa in einer Lithium-Ionen-Batterie.
Welche Lösungen und Ansätze halten das IWO und seine Partner in diesem Kontext bereit, bzw. an welchen Themen wird geforscht (Stichwort: "E-Fuels", "green fuels")?
Will Deutschland seine klimapolitischen Ziele für 2050 erreichen, müssen Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas zunehmend treibhausgasneutral werden. Solche "Future Fuels" werden ein wichtiger Bestandteil im Technologie- und Energieträgermix der Zukunft sein. Dass ein solcher Mix viele Vorteile hat und zudem deutlich günstiger ist als ein Vorgehen, das primär auf strombasierte Anwendungen setzt, hat auch die dena-Leitstudie "Integrierte Energiewende" gezeigt.
Zur Herstellung zunehmend treibhausgasneutraler Brenn- und Kraftstoffe können verschiedene Pfade genutzt werden. Derzeit sind biomassebasierte Produkte auf dem Markt erhältlich, die bereits heute Treibhausgasminderungen aufweisen. Durch den Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff können Raffinerieprodukte mit weniger Treibhausgasemissionen produziert, aber auch biomassebasierte Produkte hydriert werden. Der Bedarf an erneuerbaren Kraft- und Brennstoffen wird weltweit allerdings derart groß sein, dass zukünftig auch synthetische Brenn- und Kraftstoffe aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff und CO2 als Kohlenstoffquelle, auch "power-to-x" bzw. "power-to-liquid" oder "E-Fuels" genannt, benötigt werden. Hierzu gibt es eine Vielzahl an Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei insbesondere die sogenannte "drop-in"-Fähigkeit, also die Möglichkeit, erneuerbare Brennstoffe den klassischen Produkten in zunehmendem Maße beizumischen und mit der bestehenden Technik zu nutzen.
Das IWO ist über seine Tochterunternehmen, Tec4Fuels und das OWI Oel-Waerme-Institut, zum Teil direkt an solchen Projekten beteiligt. Darüber hinaus gibt es im Rahmen sogenannter Reallabore vom Bund geförderte Vorhaben, die die Produktion von grünem Wasserstoff vorsehen, der, wie gesagt, wichtiger Bestandteil von "E-Fuels" ist. Untersuchungen, die unter anderem im Auftrag des IWO vorgenommen wurden, zeigen zudem, dass die Produktion erneuerbarer Kraft- und Brennstoffe im Rahmen eines globalen Marktes viele Vorteile hätte – auch für solche Länder, die bislang von der Förderung fossiler Rohstoffe profitieren. "E-Fuels" würden es erlauben, erneuerbare Energie aus Ländern mit besonders günstigen Produktionsbedingungen, wie viel Sonne bzw. stetigen Winden, zu importieren. Neben Effizienzsteigerungen und dem Ausbau der inländischen Ökostrom-Erzeugung werden solche Importe ein wichtiges Standbein für die künftige Energieversorgung in Deutschland sein. Bei der Entwicklung dieser neuen Energieträger ist deren Praxistauglichkeit von großer Bedeutung. In einem Modellvorhaben setzt IWO in verschiedenen Wohngebäuden bereits treibhausgasreduziertes Heizöl ein, das primär aus Altspeisefetten gewonnen wird, wobei wir das Mischungsverhältnis gegenüber dem fossilen Heizöl von Haus zu Haus unterschiedlich hoch angesetzt haben. Die Anlagen laufen seither ebenso zuverlässig und unauffällig wie zuvor mit dem klassischen Heizöl.
Treibhausgasreduzierte Brennstoffe sowie synthetische Kraftstoffe werden demnach intensiv als wichtige Bausteine der Energie- und Wärmewende diskutiert, aktuell sicherlich befeuert durch die öffentlichen Debatten zu einer CO2-Bepreisung. Denn so würden erneuerbare Energien nicht nur im deutschen/europäischen Strommix, sondern auch im Gasnetz und bei flüssigen Brennstoffen an Bedeutung gewinnen. Ein breites Spektrum von Technologien könnte auf diese Weise zu einem Gesamtsystem verknüpft werden. Wie stehen aus Ihrer Sicht die Chancen für eine zügige Marktdurchdringung? Wo sehen Sie noch Hemmnisse?
Neben Forschungsaktivitäten und Reallaboren benötigen wir nun vor allem geeignete Markteinführungsprogramme, zum Beispiel in Form wettbewerblicher Ausschreibungen, und darüber hinaus dauerhaft verlässliche Rahmenbedingungen für Investoren. Dazu zählt auch die schnellstmögliche Anrechenbarkeit klimaneutraler Kraftstoffe bei der EU-Flottenregulierung der Fahrzeughersteller. Durch einen erfolgreichen Markthochlauf im Verkehrssektor können die Vorteile dieser regenerativen Produkte dann auch in anderen Sektoren, wie dem Gebäudebereich, zur Erreichung der Klimaziele eingesetzt werden.
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