Entstanden aus einem kleinen Temperaturmessgeräte-Hersteller ist Testo, Lenzkirch, heute ein globaler Konzern. Mit 33 Tochtergesellschaften ist das Unternehmen auf allen Kontinenten vertreten. Ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von zehn Prozent seit der Gründung im Jahr 1957 und ein aktueller Umsatz von über 250 Millionen Euro zeigen, dass Hochschwarzwald und High-Tech-Systeme sehr wohl zusammenpassen. Welche wegweisenden Impulse das Unternehmen gerade im Bereich der Abgasanalyse gesetzt hat und heute noch setzt, lesen Sie im folgenden Beitrag.
Die Vermessung der (SHK-)Welt
Testo - Seit 60 Jahren Marke moderner Messlösungen
Freitag, 22.09.2017
"Überall sei eine Erfindung. Und den Raum an sich gebe es dort, wo Landvermesser ihn hintrügen. Pater Zea schloß die Augen, hob sein Weinglas und stellte es wieder ab, ohne daraus getrunken zu haben. Die drei Männer hätten unvorstellbar genau gearbeitet. Trotzdem hätten ihre Daten nie übereingestimmt. Zwei Bogenminuten auf dem Gerät La Condamines seien drei auf dem Gerät Bouguers gewesen, ein halbes Grad im Fernrohr Godins eineinhalb im Fernrohr La Condamines. Um ihre Linie zu ziehen, seien sie auf astronomische Messungen angewiesen gewesen, solch nützliche, tragbare Uhren, der Pater streifte das Chronometer an Humboldts Gürtel mit einem spöttischen Blick, habe es noch nicht gegeben. Die Dinge seien noch nicht gewöhnt gewesen ans Gemessenwerden. Drei Steine und drei Blätter seien noch nicht gleich viele gewesen, fünfzehn Gramm Erbsen und fünfzehn Gramm Erde noch nicht gleich schwer. Dazu die Hitze, die Feuchtigkeit, die Moskitos…", schreibt Daniel Kehlmann in seinem Roman "Die Vermessung der Welt" (20. Auflage, Juni 2011, Rowohlt Taschenbuch Verlag) im Kapitel "Der Fluß" und umreißt damit scharfsinnig und wortwitzig zugleich, welch spannende Geschichte die Messtechnik durchlebte.
Wer misst, misst Mist…!?
Jeder, der während seiner Ausbildung oder seines Studiums im Labor oder am Prüfstand physikalische Größen, wie Temperatur, Druck, Masse, oder einfach "nur" die Zeit gemessen hat, musste, auch ohne von Moskitos gestochen zu werden, feststellen, wie extrem sensibel und fehlerbehaftet das Vermessen von Dingen eigentlich ist bzw. sein kann (Stichwort: Messabweichung bzw. Gauß’sche Fehlerfortpflanzung). Man musste neidlos anerkennen, dass die Vor-Väter wohl ganze Arbeit geleistet hatten, damit man heute mit seinem Smartphone beliebige Messreihen der eigenen Vital-Werte und Aktivität aufstellen und diese am besten mit der ganzen Welt teilen kann.
Ein Unternehmen, welches – wie die Roman-Figuren Humboldt und Gauß – ein ganz eigenes Lied von der Geschichte und der Vielfalt der modernen Messtechnik singen kann, ist die Testo SE & Co. KGaA aus Lenzkirch.
Umgeben vom Hochschwarzwald und nahe am Titisee, Schluchsee und dem Feldberg sitzt die Firmenzentrale sozusagen direkt in einem heilklimatischen Kurort. Und tatsächlich ist Lenzkirch ein idyl-lischer Ferienort, der keine 5.000 Einwohner zählt. Wer als Bewohner einer beispielsweise nordrhein-westfälischen Großstadt an dieser Stelle ins Schmunzeln gerät und sich fragt, was denn nun kommen wird, dem sei gesagt: Es folgt Wissen pur. Ein Fauxpas wäre es, beziehungsweise eine schwerwiegende Fehleinschätzung, wenn dieses beschauliche Dorf im äußersten Südwesten Deutschlands wirtschaftlich einzig und allein auf Tourismus und Hotellerie festgelegt werden würde.
Eine Fehleinschätzung gerade deshalb, weil man heute bei bloßer Betrachtung des Standorts eines Unternehmens nicht unbedingt etwas über das Unternehmen und dessen Bedeutung sagen kann. Oder anders ausgedrückt: Ein Unternehmen, das in einer innovativen Region zu Hause ist, muss noch lange nicht das Attribut "innovativ" tragen.
Dagegen weist der ländliche Raum hier und da sogenannte "hidden champions" auf – Unternehmen, die einem größeren Publikum nicht unbedingt bekannt sein müssen, jedoch in einem oder mehreren Segmenten Marktführer sein können. Und genauso verhält es sich bei Testo aus dem beschaulichen Lenzkirch!
Wobei – die Beschreibung "hidden champion" passt eigentlich schon lange nicht mehr. Denn Testo, mittlerweile genau 60 Jahre am Markt und im September 2017 Jubiläum feiernd, musste sich noch nie verstecken.
Testos Weg zum High-Tech-Unternehmen
Entstanden aus einem kleinen Temperaturmessgeräte-Hersteller ist Testo heute ein globaler Konzern. Mit 33 Tochtergesellschaften in 25 Ländern und über 80 Vertriebspartnern ist das Unternehmen auf allen Kontinenten vertreten. Ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von zehn Prozent seit der Gründung im Jahr 1957 und ein aktueller Umsatz von über 250 Millionen Euro zeigen, dass Hochschwarzwald und High-Tech-Systeme sehr wohl zusammenpassen.
"Etwa ein Zehntel des jährlichen globalen Umsatzes investiert Testo in Forschung & Entwicklung (F&E) und festigt damit seine Stellung als führender Spezialist für portable und stationäre Messlösungen. Rund 2.700 »Testorianer« forschen, entwickeln, produzieren und vermarkten die Produkte weltweit; 200 F&E-Ingenieure kümmern sich zum Beispiel um Megatrends wie das Internet der Dinge", berichtet Mathias Haeffner, Leiter Vertriebsmarketing Deutschland, über die strategische Ausrichtung von Testo.
Forschung & Entwicklung: Dieses Stichwort zieht sich durch die Testo-Firmenhistorie wie ein roter Faden, ist quasi "Testo-DNA", welche der Gründer Hans Bauer vererbt hat. Er soll, laut Unternehmenschronik, ein echter "Bastler und Tüftler" gewesen sein. Er war es, der die "Mutter aller Testo-Messgeräte" erfunden hat – das elektronische Sekunden-Thermometer für die Messung von Fieber-, Haut- und Differenztemperaturen (damals üblich waren Quecksilber-Thermometer).
Aufgrund der mangelnden Nachfrage im medizinischen Bereich bemerkte Bauer aber schnell, dass der Markt für elektronische Fieberthermometer noch nicht reif war. Bei industriellen Abnehmern fiel das elektronische Thermometer dagegen gleich auf fruchtbaren Boden. So entstanden die "Testo-term"-Sekunden-Thermometer, die hauptsächlich zur Oberflächenmessung an metallischen und anderen Festkörpern eingesetzt wurden – "eine absolute Weltneuheit", heißt es hierzu in der Chronik.
Messen ist Wissen
Der rote Faden war damit in der Tat gelegt: Tragbare elektronische Messgeräte für den professionellen Einsatz im technischen Bereich. "Lösungen für den Endverbraucher stehen bei uns daher nicht im Fokus", beschreibt Mathias Haeffner die Vertriebsstruktur und ergänzt, "das ausführende Fachhandwerk mit den Tätigkeitsschwerpunkten Heizung, Lüftung, Klima und Kälte (HVAC/R) ist eine der wichtigsten Kundengruppen. Hier sind wir groß geworden!"
"Wichtige Kundengruppen": Das sind bei Testo vor allem auch Anwender aus den Marktsegmenten Pharmaindustrie, Gesundheitswesen, Lebensmittelherstellung, -transport und -lagerung, Küche und Gastronomie, Industrie, Energie-, Gebäude- und Reinraumtechnik sowie Facility Management. In diesen Anwendungsfeldern erfassen und verwerten Testo-Geräte u.a. folgende Messgrößen:
- Temperatur (auch Wärmebilder),
- Feuchte,
- Druck,
- Strömung,
- Licht,
- Schall,
- Drehzahl,
- elektrische Messgrößen,
- pH-Wert,
- CO, CO2,
- Abgas, Gas und Feinstaub.
Mit diesen elf Attributen lässt sich im Grunde die komplette SHK-Welt vermessen und beschreiben bzw. die Qualität der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) validieren. Das zeigt doch, welch hohe Relevanz die Produkte aus Lenzkirch für die Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Kältetechnik besitzen. "Messen ist Wissen", heißt es da bei Testo.
Entwicklungen in der Abgasanalyse
Von besonderer Relevanz für das Heizungsbauhandwerk sind natürlich die Messgrößen "Abgas, Gas und Feinstaub". Auch dazu wurde anlässlich des 60. Firmenjubiläums das Testo-Archiv intensiv befragt: Einfach erstaunlich, welche Dokumente der Heiztechnikgeschichte hier (wieder-)entdeckt wurden.
So mussten zum Beispiel vor 1978 bei Kaminprüfungen die Abgastemperatur und der CO2-Gehalt des Abgases separat ermittelt werden. Verschiedene und kompliziert zu handhabende Geräte musste der Schornsteinfeger damals bedienen können, noch dazu unter Verwendung ätzender Flüssigkeiten. Das Rauchgas-Messgerät "testo 31" machte damit Schluss.
Ein weiterer wichtiger Schritt passierte dann schon ein Jahr später: 1980 wurde mit dem Rauchgas-Analysegerät "testo 3100" ein neues Messgerät zur elektronischen Bestimmung des CO2-Anteils und der Abgastemperatur – für Öl- und Gasheizungen – präsentiert. "Von nun ab wird also nur noch eine Prüfungseinrichtung für alle Messungen von CO2 und Temperatur benötigt", lässt sich der Unternehmenschronik entnehmen.
"Der große Durchbruch im Rauchgas-Geschäft kam für Testo aber erst einige Jahre später – mit »testo 33« im Jahre 1987", berichtet Michael Willmann, Senior Product Manager in der Business Unit HVAC/R. Das aus zwei Teilen bestehende Rauchgas-Analysegerät "testo 33" wog insgesamt nur 3 kg und konnte mit nur drei Tasten bedient werden. "Ziel war es also damals schon, über eine leichte Bedienbarkeit Zeit bei der Messung zu sparen. Heute nennen wir das eben »easy to use« und verwenden unser Smartphone bzw. mobiles Endgerät als Display", ordnet Willmann diesen messtechnischen Quantensprung ein, der vor gut drei Jahrzehnten stattfand.
Freilich hat sich in den darauffolgenden 30 Jahren noch einiges Wichtiges in Bezug auf die Abgasanalyse getan: Michael Willmann nennt hier beispielhaft die Themen "Miniaturisierung der Sensorik und Geräte", "Sensor-Standzeit bzw. »Longlife«-Sensorik" und "Messen ohne Prüfgas-Abgleich".
"Heute beschäftigen wir uns dagegen primär mit der Frage, wie die Datenmengen, welche bei einer Messung anfallen, vernünftig weiterverarbeitet und gemanagt werden können. Oder anders gesagt: Unsere Kunden sollen die Daten clever nutzen können", beschreibt Willmann die aktuellen Herausforderungen in der Entwicklung. Die Megatrends "big data" und "internet of things" lassen grüßen!
Vernetzte, smarte Messtechnik
"Die Ansprüche unserer Kunden werden durch moderne Kommunikationstechnologien geprägt. So geht der Trend dazu über, dass Messdaten sofort und überall verfügbar sein sollen, zum Beispiel auf dem Rechner oder dem Smartphone. Um weiteres Wachstum zu erzielen, ist die konsequente Ausrichtung auf das Messdatenmanagement Kernstück unserer Konzernstrategie. Dies geht deutlich über die bislang eingesetzten Speicherkarten und USB-Verbindungen hinaus", erklärt Willmann weiter.
An dieser Stelle hakt Tobias Kleinknecht, Manager Produkt und Applikation im Deutschland-Vertrieb von Testo, ein: "Im Fokus stehen heute neben den vielen Produkt-Features vor allem auch die Möglichkeiten in der Anwendung. Das heißt, die Fähigkeit zur Konnektivität unserer Messlösungen ist wichtig. Wir nennen das »smarte Messtechnik«."
Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? "App-gesteuerte Messgeräte, einfache Touchscreen-Bedienung und mobile Messdatenübertragung", fasst Kleinknecht kurz zusammen. "Der Ansatz muss es doch sein, Daten, die man einmal erfasst oder entsprechend angelegt hat, mehrmals zu nutzen. Dann haben wir intelligente Messtechnik", betont er.
Abgasanalyse heute
Als aktuelles Beispiel stellt Tobias Kleinknecht das Abgas-Analysegerät "testo 330i" vor, welches technologisch auf dem "in der Praxis tausendfach bewährten" Vorgänger "testo 330-2 LL" fußt – mit einem entscheidenden Unterschied: Das "testo 330i“ benötigt kein eigenes Display, sondern überträgt die Messwerte via "Bluetooth" und "330i"-App auf das Smartphone oder Tablet des Anwenders.
"Dadurch haben wir eine neue Flexibilität bei der Abgasmessung geschaffen, denn der Heizungsfachmann hat die Messwerte immer dort im Blick, wo er sie braucht – völlig unabhängig vom Messort", so Kleinknecht. Die App ermögliche so nicht nur mehr Freiheit bei der Bedienung, sondern nehme Handwerkern und Servicetechnikern auch Dokumentationsaufwand ab. Protokolle könnten direkt vor Ort über ein paar Klicks am Smartphone oder Tablet erstellt, kommentiert, mit Fotos versehen und bequem per Mail an den Kunden oder ins Büro geschickt werden.
"Damit reduziert sich der Zeitaufwand für die Dokumentation erheblich. Wie gehabt, kann das Messprotokoll aber auch noch klassisch ausgedruckt werden", schmunzelt Tobias Kleinknecht mit Blick auf den offensichtlichen Paradigmenwechsel in der Datenverarbeitung – Messtechnik von heute eben.
Übrigens: Testo feiert den 60. Geburtstag mit diversen "testo 330i LX"-Jubiläums-Sets! Also: Einfach mal ausprobieren.
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