Vielversprechende Projekt im Bereich der Nichtwohngebäude, die verschiedene Technologien erfolgreich miteinander kombinieren, vorgestellt.
Energieverwendung in Nichtwohngebäuden - Teil 1
Freitag, 14.12.2018
Gewerbe, Industrie und Dienstleistungsbetriebe besitzen hohe Energiebedarfe, vornehmlich für Wärme bzw. Prozesswärme oder Klimatisierung. Neben klassischen Konzepten kommen hier vermehrt auch Lösungen mit Solarthermie, Biomasse, Umweltwärme und -kälte, PV-versorgten Wärmepumpen, passiver Kühlung, Eisspeichern, Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und Kombinationen davon zum Einsatz.
Das HeizungsJournal stellt in dieser Serie (hier geht es zu Teil zwei) Projektbeispiele vor, die unterschiedliche Technologien erfolgreich miteinander kombinieren und teils auch die Stromversorgung und Mobilität mit berücksichtigen – zumal der Aspekt der Kopplung der Sektoren Wärme, Strom und Mobilität mehr und mehr an Bedeutung gewinnt.
Die Ausgangslage ist frappierend: Industrie und Gewerbe sind die größten Energieverbraucher in Deutschland. Mit einem Anteil von 44 Prozent am Gesamt-Endenergieverbrauch hängen sie die Haushalte mit 26 Prozent locker ab – und hier ist der Verkehr beiderseits nicht berücksichtigt. Wie auch immer, die Relevanz dieses Gebäudebereichs für die Energiewende ist nicht von der Hand zu weisen.
Im Gegensatz dazu liegt der Fokus des öffentlichen Interesses jedoch oft auf Wohngebäuden und hier speziell auf den mengenmäßig relativ wenigen Neubauten. Geschuldet ist dies wohl auch der Tatsache, dass es in Deutschland etwa 18 Mio. Wohngebäude gibt, dafür aber nur etwa 2 bis 3 Mio. Nichtwohngebäude. Hinzu kommt, dass Letztere relativ wenig erforscht sind, was sich in einer schlechten Datenlage widerspiegelt.
Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass sich praktisch jedes Objekt von anderen unterscheidet – und so entzieht sich das Thema "erfolgreich" einer systematischen Erforschung. Für den Planer respektive den installierenden Fachhandwerker stellen sich bei solchen Projekten folgerichtig besonders große Herausforderungen.
Von den Nutzerbedürfnissen und Betriebsabläufen ausgehend, ist schon in der Frühphase der Planung ein stimmiges energetisches Konzept abzuleiten. Wer dann auch noch Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen will, braucht "gute Nerven“. Die nachfolgenden Lösungen (Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit) zeigen aber, dass es Fachleute gibt, die diese durchaus aufbringen.
Bäckereifiliale mit "Kraftdach"
Eine ausgeklügelte Lösung im Gewerbebereich ist beispielsweise mit dem Neubau einer Bäckereifiliale in Gelsenkirchen gelungen. Das Ladenlokal der Bäckerei Zipper wurde dafür jüngst vom Eurosolar e.V. – Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien – mit dem "Deutschen Solarpreis" ausgezeichnet.
Bäckereien haben neben dem Strom- und Wärmebedarf aufgrund ihrer Wärmequellen auch einen relativ hohen Kühlbedarf, der bei dem Projekt mittels eines Eisspeichers gedeckt wird.
Der 30 m³ Wasser fassende Betonspeicher ist als Latentwärmespeicher von Viessmann ausgeführt und vier Meter in den Untergrund eingebracht. Er wird mittels Absorbern auf dem Gebäudedach nahezu ganzjährig mit Niedertemperaturwärme versorgt. Im Winter entzieht ihm eine Sole/Wasser-Wärmepumpe Energie. Sie besitzt eine Leistung von 28,6 kW bei einem Jahreswärmebedarf von etwa 50.000 kWh. Ihr Betriebsstrombedarf wird, zumindest bilanziell, von einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) auf dem Dach mit einer Jahreserzeugung von etwa 22.000 kWh gedeckt.
Die Kombination von Photovoltaikanlage und selbst entwickeltem Absorber, von den Verantwortlichen als "Kraftdach" betitelt, unterstreicht die Bedeutung von Strom und Wärme für das Gesamtkonzept.
Arnold Berens, der Geschäftsführer der Kraftwerk Solutions GmbH aus Siegburg, verantwortlich für Konzept und technische Ausführung, unterstreicht: "Die Bäckereifiliale wird, wie die meisten Projekte der Kraftwerk Solutions, autark versorgt. Die Versorgung mit Wärme und Kälte erfolgt ausschließlich direkt über das Kraftdach oder indirekt über den Eisspeicher."
Die Regelung erfolgt über ein intelligentes Energiequellenmanagement, das automatisch Heizen, Kühlen und Speichern koordiniert. "Unser Ziel war es, ein extrem CO2-armes System anzubieten", so Berens. Man habe schon ähnliche Projekte im Gewerbebereich, aber auch für Einzelhandel und öffentliche Einrichtungen, wie Kindergärten, realisiert.
Mehrkosten, die bei einem solch ambitionierten Projekt anfallen, sollen sich nach sieben bis neun Jahren amortisiert haben, rechnen die Planer vor. Allerdings förderte auch die Energieagentur Nordrhein-Westfalen ein Viertel der Kosten des Eisspeichers. Wie bei vielen Projekten waren auch bei der innovativen Bäckereifiliale etliche technische Herausforderungen zu lösen: "Bei diesem Gebäude war der Technikraum sehr klein und wir hatten einige Arbeit, die Vielzahl an Leitungen darin unterzubringen", so Berens.
"Kraftdach" und Eisspeicher sind für das Unternehmen aus Siegburg ein vielversprechender Systemansatz: "Das »Kraftdach« wird ausschließlich auf gewerblich und industriell genutzten Gebäuden sowie im größeren Objektbereich von Wohnungen und Büros realisiert. Die Einstiegsgröße beträgt in der Regel 30 kW", so Arnold Berens. Dabei hätten sich die Einsatzmöglichkeiten in den letzten Jahren deutlich erweitert: "Zu Beginn des Eisspeichers vor zirka zehn Jahren wurden vorrangig Systeme im Einfamilienhaus und Kleingewerbe installiert. Seit einigen Jahren werden Eisspeicher bis 1.500 m3 Volumen verbaut."
Für die Bäckerei ist das neue Heiz- und Kühlsystem ein Glücksfall – zudem einer mit Langzeitwirkung: Aufgrund des Energieversorgers innogy, der als Contractor das Projekt finanzierte, fielen für den Nutzer keine Investitionen an und die Energiepreise sind künftig vertraglich gesichert. Die Kraftwerk Solutions GmbH kann auf mehrere solcher Projekte zurückblicken, die man bereits gemeinsam mit innogy realisieren konnte.
Naturkosmetik-Spezialist setzt auf Solarwärme
Ein nicht minder zukunftsgerichtetes Projekt befindet sich in Österreich in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze: Für das Naturkosmetik-Unternehmen Aromapflege aus Lechaschau bei Reutte in Tirol wurde im Jahr 2016 ein Bürogebäude errichtet, welches Vorführräume, Produktion, Lager und Büroflächen miteinander vereint. Es erreicht bei der Wärme einen Autarkiegrad von 76 Prozent und beim Strom von 80 Prozent.
"Das Gebäude erfüllt schon heute die Energiestandards von 2050", hebt Professor Timo Leukefeld hervor, der als Energieberater für das Projekt beauftragt wurde. Der Experte aus Deutschland hat langjährige Erfahrung mit der Planung und Realisation von "Sonnenhäusern", die ihren kompletten Wärmebedarf über Solarthermie mittels Langzeitspeichern decken können.
An der Südfassade des Gebäudes kommen Flachkollektoren mit 140 m2 Fläche und im Inneren ein 25 m3-Langzeitwärmespeicher zum Einsatz, wovon Letzterer über beide Stockwerke reicht. Zur Stromerzeugung befindet sich auf dem Flachdach aufgeständert eine Photovoltaikanlage mit 24 kWp, die an vier Lithium-Ionen-Akkus mit einer Kapazität von 40 kWh angeschlossen ist. Neben energiesparenden Verbrauchern, wie LED-Beleuchtung, steht für die Mitarbeiter auch ein Elektroauto als Firmenwagen zur Verfügung.
"Wir können das Gebäude bis in den Herbst hinein komplett mit Sonnenenergie beheizen", so Leukefeld. Aber auch dann sei der Wärmebedarf aufgrund der gewählten Architektur relativ gering. Im Betrieb sorgt ein Gebäudeleitsystem dafür, die Energieverbräuche an die Gewohnheiten der Benutzer anzupassen.
Das in Holzbauweise errichtete zweistöckige Gebäude mit 770 m2 Nutzfläche erreicht mittels seiner speziellen Architektur sowie einer Dämmung aus Hanf, Holzfasern und Mineralwolle den Niedrigenergie-Standard. Die U-Werte bei Außenwänden und Dach betragen beispielsweise 0,13 bzw. 0,12 W/m2K, was zu einem spezifischen Gesamt-Heizwärmebedarf von nur etwa 30 kWh/m2a führt.
Die Technik sei dabei nicht einmal revolutionär, betont Leukefeld: "Allerdings ist sie in dieser Konsequenz wohl noch nie so zusammengeführt worden." Bei der Planung sei es ihm vor allem auf eine Minimierung der Energiebedarfe angekommen. Außerdem habe er Wert auf die detaillierte Simulation der Anlagen gelegt. Die größte Herausforderung bei dem Projekt sei gewesen, den hohen Autarkiegrad zu erzielen. "Außerdem war das Zusammendenken der Bereiche Wärme, Strom und Mobilität wichtig", so Leukefeld.
Am meisten habe ihn aber bei dem ganzen Projekt der Baustoff Holz fasziniert, wobei die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Holzbauunternehmen Holzbau Saurer hervorzuheben sei. Leukefeld: "Ich habe schon öfters mit Holz gearbeitet, aber ein Holzobjekt dieser Größenordnung, das war auch für mich neu."
Logistikhalle nutzt Abwärme
Nach der Bäckereifiliale und dem Gewerbebau soll nun noch ein Gebäude aus dem industriellen Bereich folgen: Anders als die beiden vorangegangenen Projekte nutzt das dritte nicht Solarenergie zur Wärmeversorgung, sondern verwendet vorhandene Prozessabwärme aus der Spritzgussproduktion. Das Unternehmen Roth Plastic Technology in Wolfgruben in Nordhessen versorgt damit die Industrie- und Freiflächenheizung einer Logistikhalle.
Der kunststoffverarbeitende Betrieb arbeitet mit Spritzgussverfahren, bei denen Abwärme anfällt, die sinnvoll genutzt werden kann: "Derzeit haben wir 38 Spritzgießmaschinen im Einsatz. Unsere Maschinen liefern autark Wärme für das Flächenheizsystem bis zu Außentemperaturen von -6 °C", erklärt Herbert Blodig, Geschäftsleiter bei Roth Plastic Technology, das zum Kunststoffverarbeitungs-Unternehmen Roth Werke gehört.
Selbst neue, energieeffiziente Herstellungsmaschinen, die zum Einsatz kommen, liefern ausreichend Wärme, um die Heizbedarfe zu decken: Die Halle und eine außenliegende Ladezone werden über im Boden verlegte Systemrohre aus dem eigenen Haus, Typ "Duopex" 20 mm, mit einer Vorlauftemperatur von 33 °C beheizt. Die 3.600 m² große Halle besitzt dabei 130 in Mäandern verlegte Heizkreise. Dort werden nach der Herstellung die Produkte gelagert. Das "sanfte Temperaturprofil" der Industrieflächenheizung entspreche den hohen Lagerungsanforderungen. Außerdem gibt es eine 750 m² große, überdachte Ladezone im Außenbereich, die ganzjährig genutzt wird. Um sie im Winter schnee- und eisfrei zu halten, wurden noch einmal 40 Heizkreise verlegt, die ebenfalls mit der Prozessabwärme versorgt werden.
Die Abwärme aus den Spritzgussmaschinen gelangt mittels einer modular aufgebauten Energiezentrale des Herstellers ONI-Wärmetrafo GmbH aus Lindlar in das Wärmeverteilnetz. Die Energiezentrale umfasst dabei Wärmeübertrager, Pumpen sowie eine Steuerung. Bei der Errichtung der Halle im Jahr 2016 wurden insgesamt rund 29 km der Roth Systemrohre installiert. Mittels eines leistungsfähigen Bodenaufbaus können die notwendigen Lagerregale genutzt werden, aber auch Gabelstapler rangieren.
Außerdem strebt man in der Produktion bei Roth einen maximalen Einsatz erneuerbarer Energien an und hat daher auf dem Werksgelände zwei Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 155 kWp installiert, die 140 MWh Solarstrom im Jahr 2017 erzeugten. Zusätzlichen Strom bezieht das Unternehmen aus Wasserkraft und gleicht verbliebene und unvermeidbare CO2-Emissionen über einen Kompensationsfonds aus. Im Ergebnis produziert das Unternehmen seit dem Jahr 2017 klimaneutral.
Vielfältige Perspektiven
Die drei aufgeführten Projekte zeigen beispielhaft, in welcher Vielfalt derzeit nachhaltige Konzepte zur Wärme- und Kälteversorgung, mit gleichzeitiger Berücksichtigung des Strombedarfs von Gewerbe und Industrie, realisiert werden. Die weiter voranschreitende Verschmelzung der Sektoren Wärme und Kälte sowie Strom und Mobilität eröffnet vielfältige Perspektiven – erst recht, wenn man die zudem vorhandenen Potentiale von Energieeinsparung und Energieeffizienz zu heben versteht.
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