Wie konstruktive Kooperationen und Kollaborationen verschiedenste Prozesse im und am Bau vernünftig standardisieren können.
Fruchtbare Kooperationen in der Fertighausbranche
Freitag, 15.03.2019
Ein jedes Gebäude, welches auf deutschem Bundesgebiet steht, ist ein Unikat – so lautet ein"beliebter Unkenruf", der auch von Kennern der Bauwirtschaft immer wieder bewusst ins Feld geführt wird, um Kritik an der "Innovationskraft", "Produktivität" und "Transparenz" der Branche zu üben.
Ist das tatsächlich so? Oder gibt es auch konkrete Bestrebungen, diese Kritik gekonnt zu zerstreuen? Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Ja, in der Tat gibt es solche konkreten Bestrebungen oder – besser gesagt – konstruktiven Kooperationen und Kollaborationen, welche in der Lage sind, verschiedenste Prozesse im und am Bau vernünftig zu standardisieren. Im Sinne einer "Win-Win-Win"-Situation zwischen Auftraggeber, Bauunternehmen und Bauzulieferer.
Gute Gebäude, die den Bauherren, Investoren und Nutzern langfristig Freude bereiten, beruhten und beruhen nie auf dem "Ego-Trip" eines einzelnen Bauunternehmens, Herstellers oder eines einzelnen Architekten, Fachplaners oder Anlagenbauers, sondern entstanden und entstehen immer aus einer soliden Teamleistung heraus. Daran wird auch das Stichwort "Integrale Planung" oder das digitale Werkzeug bzw. die Datenhaltungssystematik Building Information Modeling (BIM) nichts ändern.
Warum dann eigentlich das große Tohuwabohu um das Thema?
So richtig können den (aktuellen) Hype auch Marco Hammer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hanse Haus GmbH & Co. KG, Leo Büchner, Leiter Strategischer Einkauf bei Hanse Haus, und Klaus-Jürgen Ehlgen, Geschäftsführer der EQtherm GmbH, nicht fassen.
Und das aus einem sowohl einfachen als auch verblüffenden Grund. In ihrer mittlerweile bald fünfjährigen Zusammenarbeit haben der Fertighaushersteller Hanse und der Spezialist für Flächenheizungen und Flächenkühlungen EQtherm nämlich den eigentlichen Kern der genannten Mega-Trends schon verinnerlicht – geht es hierbei doch in erster Linie darum, die vielfältigen Prozesse rund um den Bau einer (Wohn-)Immobilie solide und belastbar auszugestalten. Im Sinne einer nachhaltigen Verbesserung der Effektivität, Produktivität und Wirtschaftlichkeit der gesamten Wertschöpfungskette Bau.
Die drei wichtigsten Schlagworte dabei und damit auch in der Zusammenarbeit zwischen Hanse Haus und EQtherm: Kommunikation, Koordination und Kollaboration. Ohne dieses "magische Dreieck" läuft bekanntlich auf dem spannenden Spielfeld "Bau" gar nichts. Da darf sich jeder am Prozess beteiligte "Player" gerne an die eigene Nase fassen!
Die Zeiten sind doch endgültig vorbei, in welchen Gebäude einfach von Partei A entwickelt und dann – ruckizucki – zur Ausführung (durch wen auch immer) gebracht wurden. Nach dem Motto: "Voilà, lieber Bauherr, wir haben Ihnen da mal etwas vorbereitet. Wir hoffen, Sie sind zufrieden…!"
Die Welt hat sich weitergedreht. Die Anforderungen an Bauprojekte (in Neubau und Bestand) haben sich verändert. Die Komplexität von Gebäuden und vor allem der Gebäudetechnik, der Technischen Gebäudeausrüstung (Stichwort: Energieeffizienz, Ökobilanz, Automation und Digitalisierung) hat sich gesteigert. Und: Die Bedürfnisse des Investierenden – des Häuslebauers – haben sich verändert (Stichwort: Transparenz).
Nicht zuletzt die letztgenannte Erkenntnis muss dazu führen, dass man die eigene Denk- und Arbeitsweise hinterleuchtet. Vor allem dies war das Ergebnis des Exklusiv-Interviews, welches die HeizungsJournal-Redaktion mit den drei gestandenen "Profis am Bau" im Herbst 2018 in der Firmenzentrale von Hanse Haus im unterfränkischen Oberleichtersbach führte – sozusagen umringt von anmutigen Beispielen moderner Hausbaukunst.
Digitale Daten sind nicht alles
Dass mittels der Datenhaltungssystematik Building Information Modeling ein Bauwerk vom Vorprojekt bis zum Betrieb und dem Facility Management umfassender durchdacht wird, ist für den Investor/Bauherrn/Nutzer sicher vorteilhaft. Jedoch: Ob es dabei sinnvoll ist, den Einsatzplan für die Gebäudereinigung schon in einem frühen Planungsstadium festzulegen und im Datenmodell ein- und mitzupflegen, das sei dahingestellt.
Die echte Herausforderung liegt hier in der Datenmenge. Klar können Rechner und Server heute mit "Big Data" jonglieren. Aber können es die (menschlichen) Baubeteiligten auch? Kann beispielsweise "Otto Normalbauherr", der durchschnittlich einmal im Leben baut, mit tausendundeiner Information adäquat umgehen? Wohl eher nicht…
Die Interviewpartner Marco Hammer, Leo Büchner und Klaus-Jürgen Ehlgen waren sich denn auch einig, dass brauchbare Daten benötigt werden – nach dem Motto: "Die richtige und wichtige Information am richtigen Fleck zur richtigen Zeit!" Hierzu bedarf es zwingend klarer Spielregeln für alle Projektbeteiligten, wie mit Daten umgegangen wird. Es muss klar definiert werden, welche digitalen Informationen effektiv und überhaupt benötigt werden, sprich: einen Mehrwert im Gebäudelebenszyklus darstellen.
Und auch sonst haben BIM und Integrale Planung sehr viel mit Regeln und damit eben Nachvollziehbarkeit und Transparenz zu tun. Und mit Regeln und Prozesssicherheit kennen sich vor allem die Anbieter aus dem Marktsegment "Schlüsselfertiges Bauen" sehr gut aus.
Wie also definiert einer der führenden Fertighaushersteller das Stichwort "Integrale Planung" für sich ganz konkret?
"Es muss heute im Baubereich darum gehen, dass sich möglichst alle Projektbeteiligten zur ersten Stunde des Projekts »am runden Tisch« versammeln und vernünftige Lösungen ausarbeiten im Sinne eines guten Gebäudes", betont Hanse-Geschäftsführer Marco Hammer. "Das bedeutet auch, dass die Schnittstellen zwischen den Gewerken und Partnern eindeutig definiert und geklärt sind und die Baubeteiligten – im Idealfall – bei Veränderungen im Projekt alle auf dem aktuellen Planungs- und Installationsstand sind", ergänzt EQtherm-Geschäftsführer Klaus-Jürgen Ehlgen.
Dass das an dieser Stelle natürlich alles sehr idealisiert dargestellt ist, versteht sich von selbst. Allerdings sind sich beide einig, dass die Ideen und Ansätze rund um die Integrale Planung vor allem die Einführung oder Verbesserung der "Feedback-Kultur" zum Thema machen müssen. Auch das aus einem ganz einfachen wie überzeugenden Grund: Sicherheit und Klarheit hinsichtlich der elementaren Faktoren "Baukosten" und "Bauzeit".
Systematisierung vs. Flexibilität
"Auch deshalb binden wir die Bauherren und späteren Nutzer konsequent in den Planungs- und Bauablauf ein. Das geht – vereinfacht ausgedrückt – so weit, dass das Hanse-Haus bis zur »letzten Steckdose« vorfabriziert wird. Wir wollen viele bis möglichst alle Bau- und Ausbauleistungen direkt in unseren Werken im industriellen Maßstab abbilden. Systematisierung ist für uns demnach das A und O", unterstreicht der Leiter des Strategischen Einkaufs bei Hanse Haus, Leo Büchner.
Beim Signalwort "Systematisierung" fügt Marco Hammer hinzu: "Systematisierung ist für unser Geschäft sicherlich essentiell. Das andere ganz wichtige Moment ist die Kunst, trotz dieser notwendigen Standardisierung von Prozessen, Technologien, Bauteilen und Komponenten den Kunden das Gefühl zu vermitteln, dass sie ihr Haus und späteres Zuhause komplett individuell nach ihren Wünschen konfigurieren können. Sprich: Unsere Herausforderung ist es, die Planungsvariablen und die »Dynamik« seitens der Bauherrschaft in gewissen Grenzen zu halten."
Klaus-Jürgen Ehlgen schätzt diese Standardisierung auf industriellem Niveau – nicht nur, weil es seine Kernkompetenz als Hersteller von Systemen der Flächenheizung und Flächenkühlung befruchtet und seine Verlegeteams der EQtherm Planung + Montage GmbH gut auslastet, sondern vor allem auch deshalb, "weil man auf Augenhöhe technische Vorschläge diskutieren und Lösungen für die Fußbodenheizung effektiv optimieren kann. Das reduziert die sonst auf Baustellen üblichen Reibungsverluste und Schnittstellenprobleme erheblich. Ein griffiges Beispiel sind die komplett vorgefertigten EQ-Heizkreisverteiler und passenden Verteilerschränke, welche wir »just in time« ins Hanse-Werk liefern. Da wissen sowohl der Heizungsbauer bei der hydraulischen Einbindung als auch der Elektriker bei der Verdrahtung vor Ort ganz genau, wo sie hinlangen müssen. Kurz und knapp: Es ist ein Miteinander statt ein Gegeneinander auf der Baustelle!"
Bestätigen kann dies Leo Büchner, der berichtet, dass die vorkonfigurierten Verteiler für die Flächenheizungen komplett in die jeweiligen Wände integriert werden würden: "Da die wasserführende Fußbodenheizung im Einfamilienhaus-Neubau in Deutschland mittlerweile der Quasi-Standard ist, müssen wir hier auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse alle möglichen Rädchen des Getriebes perfekt aufeinander abstimmen." Die Tragweite dieser Aussage wird dann besonders gut greifbar, wenn man sich vor Augen führt, dass Hanse Haus pro Jahr etwa 600 Fertighäuser erstellt – Tendenz: steigend.
Dieser anhaltende Trend, im Neubau auf schlüsselfertige Fertig- und Massivhäuser zu setzen, setzt positive Umsatzimpulse aber nicht nur bei der Flächenheizung, der maschinellen Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung und der (Luft/Wasser-)Wärmepumpentechnik – auch so ein Quasi-Standard im Einfamilienhaus –, sondern setzt in nachhaltiger Manier auch Entwicklungsimpulse in Richtung der elementaren Herausforderung, gerade bei der Gebäude- und Haustechnik zwischen Effizienz und Wirtschaftlichkeit abwägen zu müssen. Das tut der Gebäude- und Haustechnik garantiert gut!
"In Zeiten von Energiewende sowie einem ausgeprägten Kult um Nachhaltigkeit und Erneuerbare Energien spielt sich innovative Heiz- und Lüftungstechnik immer mehr in den Vordergrund. Des Weiteren sind viele Bauherren getrieben oder: besser gesagt, motiviert durch den reizvollen Gedanken, ein »Prosumer« zu sein. Also ein Haushalt, der sowohl Energie aus dem Strom- oder Erdgasnetz bezieht als auch elektrische Energie am Ort erzeugt, selbst verbraucht und bei Überschüssen ins öffentliche Netz einspeist. Die diversen Energietechniken dafür bieten wir mit an und bringen sie zur Ausführung – von der klassischen PV-Anlage auf dem Dach bis hin zur ausgefeilten Brennstoffzellenheizung im Technikraum", bricht Marco Hammer eine Lanze auch für die Heizungsbranche. Er mahnt jedoch gleichzeitig an: "Die Förderlandschaft bzw. der Förderdschungel in Bezug auf die sparsame und umweltfreundliche Energieverwendung im Einfamilienhaus ist ein wahrer Wahnsinn, um nicht zu sagen – mittlerweile ein echtes Problem!"
Hoffnung für die Haustechnik
So wird die moderne Haustechnik also in der Fertighausbranche durchaus ambivalent betrachtet. Will heißen: Auf der einen Seite ist sie ein wichtiges Verkaufsargument, ist sie das effektive Werkzeug fürs "Wohlfühl-Zuhause", ist sie Treibfeder für Energiewende und Klimaschutz. Auf der anderen Seite sehnt man sich – auch bei Hanse Haus – nach einer vernünftigen Vereinfachung und schätzt überladene und überkomplexe Systeme nicht sonderlich. Summa summarum: Ein dringender Appell an die einschlägigen Hersteller sowie die versammelte SHK-Industrie!
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