Mit Dr. Roger Schönborn sprach das HeizungsJournal über aktuelle Herausforderungen und Chancen der Bau- und SHK-Branche.
Im Interview: Dr. Roger Schönborn, Leiter Division Building Solutions bei Rehau
Dienstag, 05.02.2019
Rehau bietet ganzheitliche Lösungen für nachhaltiges Bauen und Modernisieren. Die Systeme und Services des Unternehmens mit rund 20.000 Mitarbeitern und über 170 Standorten kommen so auch in den Bereichen Gebäudetechnik, Tiefbau und Fenster zum Tragen.
Die Rehau Gruppe ist ein Konzern mit einem Milliarden-Umsatz und über 20.000 Mitarbeitern. Welchen Stellenwert nimmt die Gebäudetechnik – und damit auch der SHK-Markt – innerhalb des Unternehmens ein?
Hier möchte ich meine Antwort aus zwei Blickwinkeln beleuchten: Einerseits setzt sich die Rehau Gruppe aus insgesamt fünf Divisionen zusammen, wobei die Division Building Infrastructure Solutions nach der mit Abstand größten Division Automotive schon heute die zweitgrößte Säule darstellt. Wir sind weltweit in den Gebäudetechnik-Märkten der Regionen EMEA (Europa, Naher Osten und Afrika), Asia/Pacific sowie Amerikas vertreten und sehen für uns in diesen Märkten sehr großes Wachstumspotential.
Andererseits bieten nicht nur unsere Division, sondern auch unsere Schwester-Divisionen Window Solutions und Industrial Solutions einige Produkte und Lösungen an, wie zum Beispiel ein im Fenster integriertes Lüftungs- und Alarmanlagenkonzept oder ein smartes Gartenbewässerungssystem. Sie erkennen auch aus diesen Aktivitäten, welchen Stellenwert die Gebäudetechnik in der gesamten Rehau Gruppe einnimmt.
Mit welchen Geschäftsfeldern der Gebäudetechnik beschäftigt sich denn Ihre Division?
Im Wesentlichen sind wir heute in fünf Marktsegmenten vertreten: In der Trinkwasserinstallation, Hausentwässerung, Flächentemperierung, Fernwärme sowie mit verschiedensten Produkten, die im Bereich der regenerativen Energien eingesetzt werden. Sie werden allerdings bei der ISH 2019 erkennen, dass wir unsere Marktsegmente erweitern werden.
Ein Kernthema in jeder Facette der Gebäudetechnik bzw. des installierenden Bau-Fachhandwerks ist der Faktor "Mensch und Zeit". Sprich: In Zeiten des offenkundig hohen Fachkräftebedarfs muss der "Wirkungsgrad" des Praktikers auf der Baustelle (zwangsläufig) verbessert werden. Wie optimiert Rehau den Installationsalltag?
Dieser sicher auch noch für viele Jahre weiter anhaltende Umstand ist für uns eine permanente Aufgabenstellung, die wir bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungsangeboten seit vielen Jahren immer berücksichtigen, natürlich bewerben und mit konkreten Produkten belegen können.
Dann geben Sie unseren Lesern bitte jeweils ein kurzes, knackiges Beispiel, wie sich die praxisgerechten Systemlösungen in den Bereichen a. Flächenheizung und Flächenkühlung, b. Sanitär- und Abwasserinstallation, c. baulicher Brandschutz und d. Rohrverbindungstechnik und Werkzeuge konkret darstellen.
Zu a.) Bislang wurden Verteilerschrank, Verteiler und Anbauteile zeitaufwändig auf der Baustelle zusammengebaut. Diese Arbeitsschritte entfallen mit den neuen "Rautherm Units". Die vorkonfektionierten Verteilereinheiten werden direkt auf die Baustelle geliefert und müssen dort nur noch gesetzt und angeschlossen werden. Die Montagezeit auf der Baustelle reduziert sich dadurch um bis zu 45 Prozent. Ein weiteres Beispiel liefert das Klettsystem "Rautherm Speed", welches sich bis zu 30 Prozent schneller und auch kraftschonender verlegen lässt als herkömmliche Verlegesysteme. Die Montage kann dabei von einem Mann und ohne den Einsatz von Werkzeugen ausgeführt werden.
Zu b.) Ein weiteres Beispiel sind unsere vorkonfektionierten Sanitärboxen, mit denen der Handwerker die Wandanschlüsse bis zu 70 Prozent schneller und mit einwandfreier Optik herstellen kann.
Zu c.) Mit unserem neuen Brandschutzband ermöglichen wir bei werkzeugloser Montage vorbeugenden Brandschutz auf engstem Raum, was gerade in Installationsschächten von enormem Vorteil ist.
Zu d.) Abschließend ist unser neues, robustes Kombiwerkzeug "Rautool A-one" zu nennen, mit dem die Verbindungsschritte "Aufweiten" und "Verpressen" einfach und komfortabel durchgeführt werden können.
Noch ein paar Details zum Segment Flächenheizung und Flächenkühlung: Ein wichtiger Trend in diesem Markt ist seit einiger Zeit in der Regelbarkeit der raumflächenintegrierten, wasserführenden Wärmeübergabesysteme zu finden. Mit welchen technischen Raffinessen sagt Rehau hier der "Trägheit" den Kampf an?
Zuerst möchte ich anmerken, dass der Begriff "Trägheit" der Flächenheizung bei den heutigen Dämmstandards bei weitem nicht mehr die Rolle spielt wie in der Vergangenheit. Eine Lösung zu diesem Thema bieten wir zum Beispiel mit "Rautherm Speed Plus renova" an, einem sehr dünnschichtigen Flächenheiz- und -kühlsystem. Die Rohre liegen nur wenige Millimeter unter der Raumoberfläche und die Wärme wird schnell übertragen.
Unsere intelligenten Regelsysteme "Nea Smart" tragen auch ihren Teil bei: Selbstlernende Algorithmen analysieren das Heizverhalten von Nutzer und Gebäude und sorgen dafür, dass zum richtigen Zeitpunkt die gewünschte Temperatur herrscht.
Wächst Ihres Erachtens die Bedeutung der Flächenkühlung im Neubau von Wohn- und Nichtwohngebäuden?
Ja, wenn auch bislang noch nicht ein Stellenwert im Markt erzielt wurde, den wir uns als Unternehmen wünschen würden, welches ein komplettes Produktsortiment für die Flächenkühlung inklusive Planungsunterstützung anbietet.
Wir sind jedoch davon überzeugt, dass mit den zunehmenden Kühlanforderungen – nicht zuletzt auch getrieben durch den merklichen Klimawandel – das Ankühlen von Räumlichkeiten mit einer Flächenkühlung immer stärker in den Fokus rücken wird; sei es im Wohn- oder im Nichtwohnbereich.
Wie stehen Sie zur elektrischen Flächenheizung? Wird Rehau auch in diese Richtung aktiv?
Wir bieten bereits seit vielen Jahren eine elektrische Flächenheizung an, wobei wir hiermit vor allem in den Märkten aktiv sind, die ein entsprechendes Potential bieten. Die hydraulisch basierte Flächentemperierung hat jedoch für Rehau einen deutlich höheren Stellenwert.
Die Stichwörter "Smart Home" und "Smart Heating" sind in aller Munde. Was verstehen Sie eigentlich ganz grundsätzlich unter "smarter" Gebäudetechnik?
Smarte Gebäudetechnik verdient nach unserer Überzeugung diese Bezeichnung dann, wenn tatsächlich ein intelligentes, aber vor allem sinnvolles und benutzerfreundliches Konzept dem Gebäudenutzer, -betreiber und/oder dem Wartungsunternehmen angeboten wird, welches die Aspekte Energieeinsparung, Komfort, Sicherheit und Gesundheit abdeckt. Gleichzeitig ist es aus unserer Überzeugung zwingend notwendig, gewerkeübergreifende Lösungen anzubieten, denn vielfach ist erst dann ein echter Nutzen zu generieren. Damit verhindert man gleichzeitig, dass womöglich mehrere auf Gewerke fokussierte Systeme nicht zusammenspielen oder sich im schlimmsten Falle sogar behindern.
Daher sind zwingend offene Systeme von Nöten, welche im Idealfall beliebig mit anderen Systemen kommunizieren und interagieren können. In Bezug auf den Nutzen gibt es allerdings vielfach ingenieurgetriebene Stilblüten, die in der Lebensrealität eigentlich gar keine Bedeutung haben. Daher legt Rehau beispielsweise großen Wert auf die Realisierung von sogenannten "Use-Cases", die tatsächlich die vorher aufgeschriebenen Nutzen-Aspekte bedienen.
Ist das "Smart Home" im klassischen Ein- und Zweifamilienhaus-Neubau bereits Realität? Oder bietet das Stichwort Chancen vor allem bei der Bestandssanierung?
In der Breite des Neubau-Marktes sicher noch nicht, aber im gehobenen Segment zunehmend stärker. Die Bestandssanierung ist ebenfalls ein guter Zielmarkt, zumal sich die Zielgruppe in der Regel in einer anderen finanziellen Ausgangssituation befindet als die junge Familie, die sich das erste Haus baut.
Welche Faktoren müssen neben der von Ihnen erwähnten Notwendigkeit der "vernetzten Gebäude (-technik)" für eine echte Marktdurchdringung Ihres Erachtens noch erfüllt werden (z.B. Interoperabilität, "offene" Datenstandards, herstellerneutrale Plattformen, Qualifikation auf Planer- und Handwerkerseite)?
Ich denke, dass wir zwar technisch in der Branche noch einige Notwendigkeiten abzuarbeiten haben, aber die Fragestellung nach der Qualifikation, vor allem auf der Handwerkerseite, sowie die Notwendigkeit eines gewerkeübergreifenden Ansatzes die mit Abstand größten Herausforderungen darstellen.
Bei den Handwerkern sehen wir ja nach wie vor eine extrem gute Auftragslage, die am Ende sogar hinderlich sein kann, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen. Andererseits hoffe ich jedoch, dass mit einem zunehmenden Verständnis der smarten Gebäudetechnik – wie ich es eingangs beschrieben habe – die Hersteller, die in die verschiedensten Gewerke liefern, zunehmend stärker von einer isolierten Vermarktungsstrategie auf eine kooperative wechseln werden, weil nur so das Potential des smarten Gebäudetechnik-Marktes schneller genutzt werden kann.
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