Herz kann auf eine lange Firmengeschichte zurückblicken und verfügt über großes Know-how u.a. in den Bereichen Heizung, Kühlung, Trinkwasser und Gas.
„Lieben und heizen, muss man mit Herz!“
Interview mit Dr. Gerhard Glinzerer, Geschäftsführer und Inhaber der Herz Armaturen GmbH
Dienstag, 03.05.2022
Der Grundstein für diese Entwicklung wurde vor ziemlich genau 125 Jahren gelegt und seither entwickelt sich das Unternehmen kontinuierlich weiter – erschließt neue Märkte. Der Geschäftsführer und Inhaber der Herz Armaturen GmbH, Dr. Gerhard Glinzerer, wirft im Interview mit der HeizungsJournal-Redaktion einen Blick auf die bewegte Geschichte der Heizungsmarke – gibt aber vor allem spannende Einblicke in das aktuelle Geschehen.
Herr Dr. Glinzerer, seit unserem letzten persönlichen Treffen und der Vor-Ort-Reportage in Ihrer Firmenzentrale in Wien sind nun schon wieder etliche Jahre vergangen. Bitte fassen Sie, als Branchenkenner und -urgestein, die für Sie wichtigsten Erkenntnisse bzw. Ereignisse des letzten halben Jahrzehnts für unsere Leserinnen und Leser zusammen.
„Branchenurgestein“ klingt schon fast wie ein Nachruf, aber ich werde versuchen, Ihre Frage natürlich etwas aus österreichischer Sicht zu beantworten: Viel mehr als früher ist die Politik zur treibenden Kraft vieler Entwicklungen geworden und hat neue Schwerpunkte gesetzt. Das Thema Klima, CO2, Energieeffizienz ist auch bei uns angekommen und unsere Branche wird einen ganz wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten müssen, vor allem in der Sanierung, aber auch im Neubau. Die zuständige Ministerin Gewessler (Anm. d. Red.: Leonore Gewessler, seit Januar 2020 Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Republik Österreich) gibt dabei ein Tempo vor und stellt Mittel zur Verfügung, wie es vor Jahren undenkbar erschien.
Mit der Leistung unserer Branche zur Erreichung der Klimaziele ist auch eine erhöhte Wertschätzung für das Gewerbe des Heizungsbauers/Installateurs verbunden, ist doch der Installateur mit dazu zu berufen, das Klima zu retten. Erfreulicherweise steht der Installateur auch bei Jugendlichen für die Verbesserung der Klimasituation, was bei der Findung von Nachwuchs natürlich hilft.
Ich denke, dass das Thema Klima mit all seinen Facetten und der damit verbundenen politischen Dynamik andere Bereiche wie leistbares Wohnen, Fachkräftemangel, Inflation, Logistikprobleme und Materialmangel in den Hintergrund drängt. Für unsere Branche eine Herausforderung, aber auch eine Riesenchance.
Die Corona-Pandemie hält uns jetzt ziemlich genau zwei Jahre in Atem – den Infektionswellen folgend, erleben wir alle „Hochs“ und „Tiefs“. Wie kommt die international aufgestellte Herz Gruppe (ca. 3.500 Mitarbeiter, 40 Produktionsstätten in zwölf europäischen Ländern) durch diese Zeit? Welche „Hochs“ und „Tiefs“ haben Sie, als erfahrener Unternehmenslenker, dabei erlebt?
Wir haben bis auf zeitweilige vom Gesetzgeber angeordnete Werksschließungen in Frankreich und Italien überall durchgearbeitet, natürlich mit den entsprechenden Regeln, wie Abstand, Maske, Desinfektionsmittel, und haben die Zahl der Infektionen sehr niedrig halten können. Auch die sechs Standorte unserer Konzerngesellschaft Hirsch Servo AG in Deutschland – Hirsch Porozell – haben ohne Unterbrechung gearbeitet. Wir mussten ja die Versorgung unserer Kunden sicherstellen.
Herz ist vor allem auch in Osteuropa sehr präsent und schon wegen der beschränkten finanziellen Möglichkeiten dieser Länder war „Zusperren und zu Hause bleiben“ keine Option. Und letztlich, auch wenn es nicht dem Zeitgeist entspricht, waren unsere Mitarbeiter froh, in die Arbeit gehen zu können und nicht während der Zeit des Lockdowns in einer möglicherweise nicht sehr großen Wohnung mit Partner und Kindern faktisch eingesperrt zu sein.
Apropos „lenken“: Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Corona-Zeit für die zukünftige strategische Ausrichtung des Traditionsherstellers Herz? Etwa in Sachen Produktspektrum, Fertigungstiefe und -standorte.
„Traditionshersteller“ klingt ein bisschen nach verstaubt und zurückgeblieben. Ich sehe die Gruppe als sehr zukunftsträchtig aufgestellt. Mit Glück und Gefühl wurden in den letzten Jahren richtige Entscheidungen getroffen. Mit den drei Unternehmensbereichen Armaturen und Regeltechnik, Biomasseanlagen und Wärmepumpen sowie Dämmstoffen (EPS, EPP) sind wir gut gerüstet für kommende Aufgaben.
Wir haben bewusst auf eine Produktion in Ostasien verzichtet. Dies war über Jahre natürlich ein Kostennachteil, heute ist die auf Europa konzentrierte Fertigung natürlich ein Vorteil. Zusätzlich wurde immer darauf geachtet, Technologien umfassend im Hause zu beherrschen, sodass wir heute in der Sparte „Armaturen“ eine unglaublich breite Palette an Produkten für Heizung, Kühlung, Trinkwasser und Gasinstallationen aus eigenen Werken für unsere Partner anbieten können. Vergleichbares gilt auch für Biomasseanlagen, Wärmepumpen und Dämmstoffe.
Ein erheblicher Teil des Wachstums der Herz Gruppe ist ja auf die Übernahme bestehender Unternehmen zurückzuführen und jedes Mal kamen neue Technologien, weitere Produktlinien und zusätzliches Know-how in die Gruppe. Den Weg werden wir auch weiter beschreiten – Übernahmen und Ausbau der eigenen Produktionsstätten. In den nächsten Monaten werden wir in Allersberg unsere neue Deutschland-Zentrale in Betrieb nehmen, in Österreich bauen wir die Kesselfertigung aus und in Serbien wird die Fertigung von dynamischen Regelventilen größerer Dimension sowie von Fernwärmeübergabestationen erweitert. Nicht traditionsbehaftet, sondern zukunftsträchtig. Grundsätzlich hat diese Vorgehensweise funktioniert, bei meinem Einstieg bei Herz lag der Umsatz bei 14 Mio. Euro, das noch bis Ende März 2022 laufende Geschäftsjahr werden wir mit einem Umsatz von über 600 Mio. Euro abschließen.
Zum Stichwort „Technologien“: Der viel beschworene „schlafende Riese Wärmemarkt“ kommt offensichtlich in Bewegung und die thermische Nutzung der einzelnen Energieträger verschiebt sich deutlich – „getrieben“ u. a. durch CO2-Bepreisung, finanzielle Förderanreize, Klimaschutzgesetz, „Klimaschutzminister“. Oder wie beurteilen Sie die aktuelle Situation? Welche Strategien verfolgt die Herz Gruppe dabei in ihren Sparten Armaturen und Energietechnik?
Wenn die schon genannte Ministerin Gewessler eine Medienkampagne gestaltet unter dem Titel „Holt die Leichen aus dem Keller“, garniert mit schaurigen Kesseldarstellungen, die dem Gruselkabinett des Dr. Frankenstein entstammen könnten, um den Austausch von alten Kohle-, Öl- und Stromdirektheizungen anzukurbeln, dann ist doch klar, welche Bewegung in den Markt gekommen ist. Die finanzielle Förderung der Umstellung ist, neben dem Wunsch für das Klima etwas zu tun, natürlich wesentlich. Wir haben in der Firmengruppe über Jahre die entsprechenden Produkte entwickelt, sind gut lieferfähig und mussten daher auch keinen Strategieschwenk vollziehen.
Nun wollen wir ebenfalls mit viel Optimismus in das Jubiläumsjahr schauen. Herz feiert nämlich den 125. Geburtstag: Ein Firmenjubiläum, welches nur die allerwenigsten Unternehmen begehen können! Worauf dürfen sich Wegbegleiter, Kunden und die Herz-Familie denn besonders freuen?
Das Firmenjubiläum ist gekommen, weil es Herz schon so lange gibt. Aber es ist kein Grund, in Ruhe zu verweilen oder sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Wenn man nicht ständig dranbleibt, sich nicht ohne Unterlass um die Kunden kümmert, Produkte entwickelt, die am Markt nachgefragt werden, etc. etc. wird man vielleicht 150 Jahre Firmenjubiläum nicht mehr feiern können. Gerade auch in der Bundesrepublik sind sehr renommierte Unternehmen übernommen worden oder vom Markt verschwunden. Herz sollte selbstständig bleiben als mittelständische Firmengruppe für unsere zumeist mittelständischen Partner und Kunden. Wir haben keine Geschenke für unsere Wegbegleiter und Kunden, aber den festen Vorsatz und Willen, in Zukunft einen noch besseren Service bieten zu können, die „richtigen“ Produkte zu liefern und für die Zukunft zu entwickeln.
Die Heizungsmarke Herz hat in ihrer Geschichte viel erlebt und „durchgemacht“: Logisch, die Welt war im Gründungsjahr 1896 eine ganz andere. Das Automobil zum Beispiel war da gerade einmal elf Jahre alt. Inwiefern hilft eine solch stolze Geschichte im Rücken bei der Bewältigung der aktuellen, vielfältigen Herausforderungen?
Tatsächlich hat Herz viel durchgemacht. Gegründet in der Habsburgermonarchie mit einem Markt von 50 Mio. Einwohnern, 1918 der Zusammenbruch der Monarchie, der verbliebene Reststaat gebeutelt von Hyperinflation, Bürgerkrieg und Massenarbeitslosigkeit. Von 1945 bis 1955 lag die Fabrik in der sowjetischen Besatzungszone in Wien und nach dem Abzug der Besatzungsmächte war ein großer Teil des Landes umgeben vom Eisernen Vorhang. So manche historisch interessierten Besucher finden das durchaus spannend, aber die „stolze Geschichte“ ist bei näherer Betrachtung immer wieder der schlichte Kampf ums Überleben gewesen. Im Vergleich wirken die Herausforderungen der heutigen Zeit doch sehr bewältigbar.
125 Jahre Herz bedeutet auch 33 Jahre Dr. Glinzerer: Welche Ziele haben Sie sich persönlich für die kommenden Jahre gesetzt? Geht es beispielsweise weiter in Sachen „Internationalisierung“?
Vieles, was in dieser Zeit geglückt oder leider manchmal auch missglückt ist, war nicht geplant, sondern Gelegenheiten wurden genutzt. In unserer Wirtschaftsstruktur führt für eine Gruppe wie Herz kein Weg an Wachstum vorbei. Dieses Wachstum müssen wir sowohl geographisch wie auch durch eine Verdichtung vorhandener Präsenz erzielen.
Die Person Glinzerer spielt dabei nicht die große Rolle. Meine Kollegen in den einzelnen Unternehmensteilen ziehen mit mir an einem Strang in eine Richtung. Natürlich ist es hilfreich, dass im Falle Herz der Eigentümer auch operativ tätig ist. Damit sind wir in der Schnelligkeit bei Entscheidungsfindungen wirklich gut, können in dieser Struktur auch risikoreiche Entscheidungen treffen, wie es zum Beispiel im Falle des Erwerbs der Hirsch Servo AG seinerzeit der Fall war. Natürlich nagt der „Zahn der Zeit“ auch an Glinzerer und so arbeiten wir intensiv auch an der Schaffung von Strukturen, um Bestand, Wachstum und Weiterführung der Herz Gruppe zu sichern.
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