Erneuerbare Energien

„Speerspitze der Energiewende“

Interview mit Georg Dasch, Vorsitzender des Sonnenhaus-Instituts

Dienstag, 20.06.2023

Die Energiewende wird künftig vor allem eine Wärmewende sein.

Merkmale klassischer Sonnenhäuser sind großflächige Kollektorfelder für Solarwärme sowie ein leistungsfähiger Wärmespeicher.
Quelle: Sonnenhaus-Institut e.V.
Merkmale klassischer Sonnenhäuser sind großflächige Kollektorfelder für Solarwärme sowie ein leistungsfähiger Wärmespeicher.

Hierzu sind Versorgungskonzepte gefragt, die einfach zu realisieren, umweltfreundlich und bei allem wirtschaftlich sind. Große Solarthermieanlagen mit Langzeitspeichern gerieten in letzter Zeit immer mehr aus dem Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit. Architekt und Effizienzhausexperte Dipl.-Ing. (FH) Georg Dasch, erster Vorsitzender des Sonnenhaus-Instituts e.V. im bayerischen Straubing an der Donau, beschreibt im Interview mit dem HeizungsJournal, welchen Beitrag die Solarthermie künftig wird leisten können.

Herr Dasch, Heizungskonzepte mit Wärmepumpen und Photovoltaik-Unterstützung sind derzeit in aller Munde. Nahezu alle politischen Entscheidungen weisen in diese Richtung. Werden dabei die Vorteile der Solarthermie übersehen bzw. ausgeblendet? Wie erleben Sie diese Entwicklung?

Die Wärmepumpe ist ein einzelner Lösungsansatz in der Energiewende. Wenn ausreichend regenerativer Strom zur Verfügung steht, ist die Wärmepumpe ein guter Beitrag, um fossilen Brennstoff zu sparen. Die Kombination mit Photovoltaik (PV) bringt aber nicht den suggerierten Effekt. Die Heizlast ist in der sonnenarmen Zeit am höchsten und wir haben in dieser Zeit auf lange Sicht zu wenig regenerativen Strom.

Warum wird aus Ihrer Sicht dennoch die Wärmepumpe derart vorangetrieben?

Die Lobby der großen Hersteller hat es in kurzer Zeit geschafft, ihre plötzlich nicht mehr zukunftsfähige Produktpalette der Öl- und Gasheizungen durch das Modell Wärmepumpe zu ersetzen. Die Politik ist dankbar auf diese vermeintliche Zukunftstechnik aufgesprungen, denn es sieht nach einer verhältnismäßig einfachen und schlüssigen Lösung aus.

Die es aber gar nicht ist?

Die es mittelfristig nicht sein kann, weil die Zahl der Stromheizungen vorhersehbar schneller wächst als der regenerative Strom, den wir dafür brauchen.

Und die Solarthermie?

Die Solarthermie war zuletzt zum ungeliebten Stiefkind geworden: zu Zeiten billigen Gases erschien sie vielen nicht mehr rentabel und sinnvoll. Ihr Image geriet zu Unrecht weiter in Schieflage, weil gleichzeitig Know-how und Akzeptanz im Handwerk verloren gingen – was mitunter zu schlecht funktionierenden und gewarteten Anlagen führte. Das ist die Situation, vor der wir heute stehen.

Und weshalb ist aus Ihrer Sicht die Solarthermie auch in Zukunft unverzichtbar?

Um unseren allgemeinen Strombedarf durch Ökostrom decken zu können, sind bereits massive Investitionen und Anstrengungen notwendig. Das größere Problem an der Energiewende ist aber der Heizwärmebedarf der Gebäude. Um diesen theoretisch komplett strombasiert bereitzustellen, wäre nochmal ein Vielfaches an regenerativem Strom notwendig. Hinzu kommt der Bedarf für den Verkehr. Das ist aus heutiger Sicht über Jahre hinweg völlig unrealistisch.

„Ein gutes Miteinander der Technologien ergibt sich automatisch, wenn objektbezogen durch qualifizierte Planer und Berater eine optimale Lösung für jedes Gebäude und Nutzerprofil entwickelt wird“, betont Georg Dasch.
Quelle: Georg Dasch
„Ein gutes Miteinander der Technologien ergibt sich automatisch, wenn objektbezogen durch qualifizierte Planer und Berater eine optimale Lösung für jedes Gebäude und Nutzerprofil entwickelt wird“, betont Georg Dasch.

Wie punktet bei all dem die Solarthermie?

Wenn ich Wärme brauche, kann ich diese mit Solarthermie einfach und kostengünstig erzeugen und sogar speichern. Solarthermie ist da unverzichtbar, weil sie einen wertvollen Beitrag zur CO2-Einsparung leisten kann. Viele Bestandsgebäude – besonders im Geschosswohnungsbau – könnten mit großen Solarthermieanlagen ausgerüstet werden, um Öl und Gas zu sparen.

Durch solche Heizsysteme – auch kombiniert mit Biomasse – werden keine Stromnetze belastet. Versuche ich das gleiche mit Strom zu lösen, bekomme ich hohe Umwandlungsverluste, hohe Kosten für die Stromspeicherung und eine völlige Überforderung der ohnehin extrem belasteten Netze. Und ich verschärfe einen Verteilungskonflikt um nachhaltigen Strom zwischen Industrie, Haushalten und Verkehrssektor.

Wie könnte anstelle eines Gegeneinanders ein Miteinander gestaltet werden, bei dem die Solarthermie eine gewichtige Rolle spielen kann?

Ein gutes Miteinander der Technologien ergibt sich automatisch, wenn objektbezogen durch qualifizierte Planer und Berater eine optimale Lösung für jedes Gebäude und Nutzerprofil entwickelt wird. Neugebaute Einfamilienhäuser eignen sich für einfache Systeme mit PV und Wärmepumpen. Bei großen Wohnanlagen im Bestand werden häufig andere hybride Lösungen zum besten Ergebnis führen.

Welcher Stellenwert kommt dabei Häusern mit extrem hohen solaren Deckungsgraden nach dem Sonnenhaus-Konzept zu?

Ohne Solarthermie würde es unsere klassischen Sonnenhäuser nicht geben, die ihren Bewohnern seit Jahren mit unkomplizierter Technik extrem niedrige Verbrauchskosten bescheren. Wer schon vor 20 Jahren ein Sonnenhaus gebaut hat, und mit einer großen PV-Anlage nachgerüstet hat, hat eine sehr hohe Strom- und Wärmeautarkie und ist von der derzeitigen Energiekrise praktisch nicht betroffen.

Langfristig sind diese Lösungen also sehr wirtschaftlich?

Durchaus, meine 40 m2-Solarthermieanlage spart momentan 15.000 kWh Erdgas pro Jahr. Bei einem Arbeitspreis von 19 Cent pro Kilowattstunde ergibt sich eine Einsparung von 2.850 Euro pro Jahr. Die lange Lebensdauer und Robustheit der Technik bringen weitere Vorteile.

Die Wirtschaftlichkeit war aber lange nicht gegeben ...

Ja, die niedrigen Energiepreise in den vergangenen Jahren zwangen uns dazu, in der Nische zu bleiben. Und deswegen haben wir heute viel zu wenige Partner beim ohnehin überlasteten Handwerk. Im Moment registrieren wir aber ein rapide wachsendes Interesse am Sonnenhaus-Konzept seitens der Bauherren. Aber das Handwerk hat wegen seiner dünnen Personaldecke und den vielen Aufträgen für Wärmepumpen und PV nicht die notwendigen Kapazitäten, um dieses Thema bedienen zu können.

Wie müssten Ihres Erachtens die Bedingungen für finanzielle Förderungen gestaltet sein, um der Solarthermie Chancengleichheit zu verschaffen?

Es sollte keine Technik einseitig bevorzugt werden. Außerdem sollte in Zukunft bei Subventionen, die für die Energiewende notwendig sind, berücksichtigt werden, wo die Wertschöpfung gewonnen wird.

Wir vergleichen aktuell die Preise von in Europa handwerklich gefertigten, solarthermischen Kollektoren und Wasserspeichern mit PV-Modulen und Batteriespeichern aus Asien. Wir werden in Zukunft sehr sorgfältig abwägen müssen, ob es sinnvoll ist, weiterhin unsere Fördermillionen nach Asien zu leiten.

Wie beurteilen Sie dabei die Inhalte des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)?

Das Gebäudeenergiegesetz soll den zulässigen CO2-Ausstoß regeln und die Grundlagen für die Berechnung der Emissionen setzen. Leider beinhaltet es jetzt auch die Fixierung auf die Wärmepumpe und dies ist meines Erachtens zu stark von Industrieinteressen getrieben.

Welche weiteren Rahmenbedingungen müssten geschaffen werden, um den Nutzen der Solarthermie voll auszuschöpfen?

Das größte Hemmnis für den Ausbau der Solarthermie ist der Fachkräftemangel. Das gilt sowohl für die Planung als auch für das Handwerk. Es fehlt oft das Fachwissen und die Fähigkeit, die Vorteile der Solarthermie dem Kunden gegenüber darzustellen. Hier wären konzertierte Steuerungskonzepte der Politik und Anstrengungen der Verbände dringend notwendig.

Inwieweit ist die Solarthermie im Sanierungsobjekt womöglich die bessere Alternative als eine PV-unterstützte Wärmepumpe?

Im Gebäudebestand sind vielfach Heizverteilungssysteme mit Vorlauftemperaturen über 60 °C im Einsatz. Solarthermie kann mit entsprechenden Kollektoren solche hohen Arbeitstemperaturen erreichen. Eine Wärmepumpe ist da nicht wirtschaftlich und kann auch größeren Verschleiß am Verdichter mit sich bringen. Generell ist im Altbau aber zunächst eine gute Wärmedämmung gefragt – und wo möglich auch Flächenheizungen.

Ihr Verband hat jüngst den Gesetzesentwurf zur Markteinführung der intelligenten Stromzähler („Smart Meter“) als positives Zeichen gelobt. Wie ist das zu verstehen?

Wenn in Wohnhäusern Wärmepumpen zum Einsatz kommen, sind flexible Stromtarife von Nutzen. Hierfür braucht es intelligente Zähler, um die Wärmepumpe wirtschaftlicher betreiben zu können. Wir gehen jedoch noch einen Schritt weiter und sagen: Erst mit der Kombination der Wärmepumpe mit einem ausreichend dimensionierten Pufferspeicher wird das Gesamtsystem eine runde Sache.

Beim Neubau lässt sich der großvolumige Speicher natürlich am einfachsten
in das Gebäude integrieren – aber auch für Sanierungen gibt es praktikable
Lösungen für Sonnenhäuser.
Quelle: Sonnenhaus-Institut e.V.
Beim Neubau lässt sich der großvolumige Speicher natürlich am einfachsten in das Gebäude integrieren – aber auch für Sanierungen gibt es praktikable Lösungen für Sonnenhäuser.
Der großzügig dimensionierte Pufferspeicher – hier verputzt im Treppenhaus
installiert – kann auch der elektrischen Wärmepumpe als Speicher dienen
oder Wärme aus überschüssigem PV- und Windstrom aufnehmen.
Quelle: Sonnenhaus-Institut e.V.
Der großzügig dimensionierte Pufferspeicher – hier verputzt im Treppenhaus installiert – kann auch der elektrischen Wärmepumpe als Speicher dienen oder Wärme aus überschüssigem PV- und Windstrom aufnehmen.

Wie soll man sich das vorstellen?

Sie können die Pufferspeicher wahlweise durch die Solarthermie oder durch die Wärmepumpe beladen und somit die Energie bevorraten. Das Speichermedium Wasser erlaubt theoretisch unbegrenzte Be- und Entladezyklen mit minimalen Verlusten. Die Speicherkomponente des Sonnenhaus-Konzepts schafft somit Entlastung für die Umwelt, die Stromnetze und den Geldbeutel.

Auf diese Weise können also neue Konzepte wie intelligentes Heizen („Smart Heating“) oder die „digitale Heizung“ über eine hausinterne Regelung, dem sogenannten „Home Energy Management System“ (HEMS), realisiert werden?

Ja, hier liegen große Chancen, die aber auf der Flexibilität des großen Wasserspeichers begründet sind. Wir erwarten, dass man mittels intelligenter Zähler künftig in sonnenarmen Zeiten auch preiswerten Windstrom zur Wärmegewinnung wird nutzen können. Dies kann beispielsweise auch nachts erfolgen. Sie sehen, der ursprüngliche autarkie-basierte Ansatz des Sonnenhaus-Konzepts kommt auch weiterhin voll zum Tragen – nur eben mit einem breiteren technologischen Ansatz.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang Konzepte, die Photovoltaik und Solarthermie kombinieren (PVT-Kollektoren) – auch in Verbindung mit Wärmepumpen?

Solarthermie und Photovoltaik lassen sich gut kombinieren. Ob das hybride Kollektoren sind oder die Systeme parallel aufgebaut werden, ist im Einzelfall zu entscheiden. Bei einem Forschungshaus meines Architekturbüros wurde – gefördert durch das Bundesbauministerium – eine elektrische Arbeitszahl von 10,6 zwischen Strom zu nutzbarer Wärme erreicht.

Zugleich konnte die PV-Anlage mit Batteriespeicher den Stromverbrauch des Hauses für Heizung, Warmwasser, Haushaltsstrom und Mobilität zu 60 Prozent decken.

All diese Ausführungen über die große Vielfalt, wie sich das Sonnenhaus-Konzept kombinieren lässt, machen deutlich, dass Sie mit Ihrem Verband die ganze Bandbreite des Heizens im Blick haben und nicht nur Häuser mit extrem großen Kollektorflächen und Langzeitspeichern?

So ist es, wir beschäftigen uns schon länger mit allen sinnvollen Kombinationen. Wobei für uns nach wie vor gilt: Sonnenhäuser sind die „Speerspitze der Energiewende“.

Von Martin Frey
Fachjournalist
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