Beim Neubau oder der Sanierung von Gebäuden steht zunehmend deren Energieeffizienz im Fokus.
Von der Praxis in die Theorie
Methode zur Bestimmung des spezifischen Transmissionswärmeverlustes eines Gebäudes aus Langzeit-Feldversuchsdaten
Freitag, 28.07.2023
Insbesondere mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) ergeben sich für Bauherren und Immobilieneigentümer detaillierte Vorschriften zur Energieeffizienz. Aus technischer Sicht tragen die Wärmeisolationseigenschaften der Gebäudehülle entscheidend zur Reduzierung des Energiebedarfs eines Gebäudes bei. Daher ist die geeignete Materialauswahl und deren konstruktive Verarbeitung bei der Gebäudehülle von entscheidender Bedeutung.
Mit den bekannten konstruktiven und technischen Parametern der eingesetzten Materialien kann der Energiebedarf für das Wohngebäude formal vorherbestimmt werden. Allerdings beruhen diese Angaben auf vereinfachten bzw. pauschalen Annahmen sowie allgemeinen Tabellenwerten. Daher kann der tatsächliche Energiebedarf im realen Betrieb mehr oder weniger deutlich von diesen Annahmen abweichen. In diesem Beitrag werden die energetischen Betriebswerte einer Langzeitdatenerfassung für ein Gebäude ausgewertet, um die für das Gebäude angegebenen energetischen Kennwerte messtechnisch zu überprüfen.
Der Wärmebedarf von Gebäuden wird maßgeblich mit dem Wärmefluss durch die Gebäudehülle bestimmt. Hervorgerufen wird der Wärmefluss dabei durch die Differenz zwischen Gebäudeinnen- und Außentemperatur und erfolgt hauptsächlich durch Wärmeleitung. Im stationären Fall gilt bei Wärmeleitung und linearen Materialien für den Wärmefluss durch die Gebäudehülle das Fouriersche Gesetz entsprechend Gleichung (1).
HT bezeichnet den Transmissionswärmeverlust der Gebäudehülle in Watt je Kelvin (W/K). Durch Erfassung von Wärmefluss- und Temperaturdifferenzwerten kann somit messtechnisch der Transmissionswärmeverlust für ein Gebäude ermittelt werden. Um den Wert vergleichbar zu machen, wird er auf die Hüllfläche A des Gebäudes bezogen. Dies ergibt den spezifischen Transmissionswärmeverlust H'T in Watt je Quadratmeter und Kelvin (W/m2K) entsprechend Gleichung (2).
Der spezifische Transmissionswärmeverlust ist eine wichtige Kenngröße in der energetischen Gebäudebewertung und wird unter anderem nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) im Energieausweis eines Gebäudes ausgewiesen.
Angaben zum Gebäude und Heizsystem
Das betrachtete Gebäude besitzt die in Tabelle 1 aufgeführten Eckwerte. Zur Beheizung des Gebäudes wird eine Sole/Wasser-Wärmepumpe eingesetzt. Die technischen Parameter der Wärmepumpenheizanlage sind in Tabelle 2 aufgeführt.
Über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren wurde wöchentlich die von der Heizungsanlage aufgenommene elektrische Energie sowie die an das Gebäude abgegebene Wärmemenge gemessen. Zusätzlich wurde die wöchentliche Durchschnittstemperatur an der Gebäudeaußenseite erfasst. Mit den gesammelten Daten wurden die Betriebseigenschaften der Anlage und die Energieflüsse des Gebäudes untersucht. Das Diagramm in Abbildung 1 stellt die zeitlichen Verläufe der wöchentlichen Elektroenergie- und Wärmeflüsse der Heizanlage sowie den Außentemperaturverlauf dar.
Aus dem Verhältnis der erzeugten Wärmeleistung zur insgesamt aufgewendeten elektrischen Leistung ergibt sich die sogenannte Jahresarbeitszahl (JAZ) der Wärmepumpenanlage. Die JAZ ist insbesondere von der Temperatur und verschiedenen weiteren Einflussfaktoren abhängig und daher allgemein nicht konstant. Eine ausführliche Beschreibung kann dem Beitrag von [1] entnommen werden.
Die Abbildung 2 zeigt für das betrachtete Wohngebäude den zeitlichen Verlauf der Jahresarbeitszahl der Wärmepumpenanlage im Vergleich mit der durchschnittlichen Wochentemperatur.
Messtechnische Ermittlung des spezifischen Transmissionswärmeverlustes
Die Innentemperatur im betrachteten Gebäude ist geregelt und kann daher als hinreichend konstant angenommen werden (21 °C). Daher ist für die Temperaturdifferenz lediglich die Gebäudeaußentemperatur relevant. Da in den wärmeren Jahreszeiten ab einer bestimmten Außentemperatur kein Heizbetrieb mehr stattfindet, sind für die Auswertung lediglich die Datensätze mit wöchentlichen Durchschnittstemperaturen von T ≤ 16 °C verwendet worden.
Aus den wöchentlichen Wärmeflüssen werden die durchschnittlichen Wärmeleistungen in Watt errechnet (1 kWh/Woche = 5,9524 W). Trägt man die durchschnittlichen wöchentlichen Wärmeleistungen über den durchschnittlichen wöchentlichen Außentemperaturen ab, so ergibt sich das Diagramm in Abbildung 3.
Aus den Datenpunkten ist für Außentemperaturen unter 16 °C zu erkennen, dass trotz der deutlichen Streuung der Einzelwerte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Wärmeleistung und Außentemperatur besteht.
Legt man eine Ausgleichsgerade nach der „Gauß‘schen Fehlerquadratmethode“ [2] in die Punktmenge, dann beschreibt der Betrag der Steigung der Geraden den gesuchten Transmissionswärmeverlust in Watt je Kelvin entsprechend Gleichung (3).
Die Anzahl an verwendbaren Datenpunkten betrug n = 71. Aus der Ausgleichsrechnung ergibt sich der Betrag des Transmissionswärmeverlustes zu HT = 338,8 W/K.
Der Schnittpunkt der Ausgleichsgeraden mit der Wärmeflussachse berechnet sich nach Gleichung (4).
Für den Schnittpunkt wurde ein Wert von 6.206,4 W errechnet. Für die „heizfreie Zeit“ ergibt sich ein konstanter Wärmefluss von durchschnittlich 777,4 W. Diese konstante Leistung wird durchschnittlich für die Brauchwassererwärmung aufgewendet.
Auswertung
Um den spezifischen Transmissionswärmeverlust zu erhalten, muss entsprechend Gleichung (2) der Wert für HT durch die Hüllfläche A des Gebäudes geteilt werden. Damit errechnet sich der spezifische Transmissionswärmeverlust zu 0,452 W/m2K. Im Vergleich mit dem in Tabelle 1 spezifizierten Wert für das Gebäude ergibt sich eine Abweichung von 39,5 Prozent.
Diese deutliche Abweichung soll durch eine Vergleichsrechnung überprüft werden. Dazu wurde der für das Gebäude ausgewiesene jährliche Heizenergiebedarf (s. Tab. 1) mit dem über zwei Jahre gemittelten messtechnischen Energiebedarf verglichen. Da in diesem Wert auch die Energie für die Brauchwarmwasserbereitung enthalten ist, muss diese zunächst vom Gesamtwert abgezogen werden.
Der Energieanteil für die Brauchwarmwasserbereitung ergibt sich aus den Betriebswerten für die Wärmepumpe. Er beträgt etwa 20 Prozent. Die von der Anlage erzeugte jährliche Gesamtwärmemenge betrug 26.660,1 kWh/a. Daraus ergibt sich ein Heizenergieanteil von 0,8 x 26.660,1 kWh/a = 21.280 kWh/a. Die Abweichung zum Tabellenwert (s. Tab. 1) beläuft sich hiermit auf 35,5 Prozent und bestätigt somit in ähnlicher Weise die Abweichung des realen spezifischen Transmissionswärmeverlustwertes vom Tabellenwert.
Fazit
Die vorgestellte Methode zur Bestimmung des Transmissionswärmeverlustes eines Gebäudes eignet sich zur messtechnischen Überprüfung der aus Tabellenwerten ermittelten nominellen Transmissionswärmeverlustwerte.
Die Anwendbarkeit der Methode wird durch eine Vergleichsrechnung auf Basis von Gesamtenergiewerten bestätigt. Damit ist es möglich, die Energiekennwerte in den Unterlagen eines Gebäudes den tatsächlichen Werten anzupassen und somit eventuelle Diskrepanzen im Energiebedarf aufzuklären.
[Prof. Dr.-Ing. Ansgar Wego]
Literatur
[1] Wego, Ansgar: Wärmepumpenheizung im Feldversuch; HeizungsJournal; Ausgabe 10/2022 (Okt.); S. 60 – 64; https://tga.li/fiv5
[2] Wikipedia: Methode der kleinsten Quadrate; https://de.wikipedia.org/wiki/Methode_der_ kleinsten_Quadrate; Bearbeitungsstand: 27.01.2023, 19:25; Abgerufen am: 02.02.2023, 08:00
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