In der EnSimiMaV ging man von 350.000 Abgleichen aus, die aufgrund begrenzter Handwerkerkapazitäten pro Jahr durchgeführt werden könnten. Wenn man jedoch von 21.200.000 Heizungsanlagen (BDH, 2020) ausgeht und annimmt, dass 75 Prozent davon noch nicht abgeglichen sind, wird eine kurzfristige Umsetzung unmöglich. Die beiden Autoren befürchteten, dass entweder Energieberater und ausführende Firmen die Aufträge mit dem Hinweis auf Fachkräftemangel ablehnen oder eine Schattenwirtschaft entstehen wird, bei der unseriöse Energieberatungsunternehmen Bestätigungen des hydraulischen Abgleichs in hinreichend großer Anzahl erstellen, die aber nur auf dem Papier existieren, falls die Anforderungen nicht vereinfacht oder alternative Methoden zugelassen werden sowie der Zeitrahmen nicht gestreckt wird.
Hydraulischer Abgleich: notwendig oder „milking cow“ der Heizungsbranche?
In der DIN 18380 (VOB) hieß es schon in den 90er-Jahren unter Punkt 3.5.1: „Die Anlagenteile sind so einzustellen, dass die geforderten Funktionen und Leistungen erbracht und die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt werden. Der hydraulische Abgleich ist so vorzunehmen, dass bei bestimmungsgemäßem Betrieb, also z. B. auch nach Raumtemperaturabsenkung oder Betriebspausen, alle Wärmeverbraucher entsprechend ihrem Wärmebedarf mit Heizwasser versorgt werden.“
Man geht dennoch davon aus, dass mehr als 75 Prozent der Heizungsanlagen noch nicht hydraulisch abgeglichen sind, unter anderem da dies als eine teure und in der Wohnungswirtschaft umstrittene Optimierungsmaßnahme angesehen wird und viele Installateure sich damit schwertun.
Natürlich ist eine grobe Abstimmung der Wassermengen im Auslegungsfall sinnvoll, um zu verhindern, dass beim letzten Heizkörper oder ungünstigsten Heizkreis nichts mehr ankommt. Der hydraulische Abgleich wird aber seit Jahren auch als Maßnahme zur Energieeinsparung propagiert, gefordert und gefördert, was als Begründung dient, ihn auch gemäß EnSimiMaV und GEG in größeren Anlagen nachträglich im Bestand zu fordern. Da der hydraulische Abgleich gleichzeitig aber auch für fast jede Fördermaßnahme gemäß BEG gefordert wird, ist er damit heute quasi nicht nur für alle Neuanlagen, sondern auch im Sanierungsfall ein Muss. Basis für die Forderung nach hydraulischem Abgleich und dessen Durchführungsweise ist die „Optimus“-Studie der Ostfalia Hochschule mit co2online [3]. Bei dem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten „Optimus“-Programm wurden erstmals Einsparpo-tentiale in der Praxis ermittelt und die Wärmeverluste anschließend mit einem eingeschränkten Leis-tungskatalog minimiert. Zentrales Ergebnis der „Optimus“-Studie von 2014 war aber, dass sich der hydraulische Abgleich nur in neueren oder sanierten Gebäuden lohnt, in Gebäuden mit Kessel deutlich mehr als in Gebäuden mit Fernwärme und in Gebäuden mit geringerem Energieverbrauch mehr als in Gebäuden mit höherem Energieverbrauch.
Da somit in Altbauten (Baujahr < 1978) nur Behaglichkeitsdefizite beseitigt werden können, sah seiner-zeit das ITG Dresden im Rahmen der Validierung der EnEV 2014 die Forderung des § 4 des EnEG als nicht erfüllt an und lehnte eine Verpflichtung für alle Gebäudeeigentümer ab.
Zum Vorgehen bei Fußbodenheizungen schrieben selbst die Verfasser der „Optimus“-Studie seinerzeit:
„Die größten ungelösten Probleme ergeben sich beim hydraulischen Abgleich von Fußbodenheizungen. Auch hier gibt es momentan kein aus Sicht der Ostfalia akzeptables Regelwerk, das einen Lösungsweg beschreibt. Die Leistungsabgabe einer Fußbodenheizung hängt von folgenden Parametern ab:
- Verlegeabstand der Rohrleitungen
- Aufbau des Fußbodens
- Fußbodenbelag (z. B. Teppiche und Abdeckung durch Möbel)
- Wärmedämmung nach unten
- Temperaturniveau (Raumtemperatur, Vorlauftemperatur und Spreizung)
Bei Bestandsanlagen sind diese Angaben in der Regel nicht vorhanden.