Mit der Einführung der CE-Kennzeichnung für technische Dämmstoffe im August 2012 wurden die nationalen Brandklassifizierungen, wie beispielsweise die deutschen Brandklassen nach DIN 4102, durch einheitliche europäische Brandklassen abgelöst. Die europäische Klassifizierung nutzt die bereits für andere Bauprodukte bekannten sieben Brandklassen A bis F.
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Technische Dämmstoffe: neuer Standard erhöht die Sicherheit in Gebäuden
Geringe Rauchdichte ist im Brandfall entscheidend
Freitag, 27.03.2015
Was ist neu bei technischen Dämmstoffen?
Völlig neu für technische Dämmstoffe ist, dass jetzt erstmals auch ihre Rauchbildung ("s" für "smoke") und das brennende Abtropfen ("d" für "droplets") klassifiziert werden.
Während technische Dämmstoffe bislang primär nach ihrer Flammwidrigkeit bewertet wurden, erlauben die Rauchklassen jetzt eine realistischere Beurteilung des Brandverhaltens der verschiedenen Produkte. Mit der Brandklassifizierung BL-s1, d0 hat "Armaflex Ultima" von Armacell einen neuen Sicherheitsstandard in der technischen Isolierung geschaffen. Der hochflexible, geschlossenzellige Dämmstoff verfügt über eine äußerst geringe Rauchdichte und liefert so einen wesentlichen Beitrag zum brandschutztechnischen Sicherheitsniveau von Gebäuden.
Warum dieser neue Standard?
Jährlich sterben in Europa 6.000 bis 10.000 Menschen an den Folgen von Bränden. Nur wenige werden allerdings Opfer der Flammen, die Mehrheit – 95 Prozent der Brandtoten – erliegt den Folgen einer Rauchvergiftung.
Im Brandfall ist es für eingeschlossene Menschen lebensentscheidend, Rettungswege schnell zu finden, was nur bei geringer Rauchentwicklung möglich ist. Dieser Tatsache trägt die europäische Brandklassifizierung Rechnung und prüft zur Beurteilung des Brandverhaltens von Baustoffen nicht nur die Brennbarkeit, sondern auch die Rauchdichte und das sogenannte brennende Abtropfen.
Entscheidend für die Beurteilung des Brandverhaltens von synthetischen Dämmstoffen ist die Brandentstehungsphase. Die charakteristischen Parameter für das Brandverhalten von Bauprodukten zeigt Abb. 2.
Europäische Anforderungen an technische Dämmstoffe
Während in Europa bislang eine Vielzahl unterschiedlicher Prüfverfahren zur Beurteilung des Brandverhaltens von Baustoffen genutzt wurde und die Klassifizierungen von technischen Dämmstoffen mitunter stark voneinander abwichen, gelten in den Mitgliedsstaaten der europäischen Union mit der Verabschiedung von Produktnormen für "Wärmedämmstoffe für die technische Gebäudeausrüstung und für betriebstechnische Anlagen in der Industrie" jetzt verbindlich einheitliche Prüfverfahren und eine europäische Brandklassifizierung.
Nach Ablauf der Übergangsphase, die am 1. August 2012 endete, dürfen in den EU-Ländern nur noch technische Isolierungen vertrieben werden, die den europäischen Produktnormen (und damit der Bauproduktenrichtlinie bzw. der Bauproduktenverordnung) entsprechen und das CE-Zeichen tragen.
Europäische Brandklassifizierung technischer Dämmstoffe
Im Jahr 2000 wurde in der Europäischen Union ein neues System für die Klassifizierung des Brandverhaltens von Bauprodukten, die Grenzwerte und die maßgeblichen Prüfverfahren eingeführt [2]. Die Klassifizierungsnorm DIN EN 13501-1 [3] unterscheidet die Brandklassen A1, A2, B, C, D, E, F.
Tab. 1 zeigt die neuen Euroklassen, das angestrebte Sicherheitsziel sowie ihre Zuordnung zur bisherigen Brandklassifizierung nach DIN 4102-1.
Lineare Produkte
Um die Euroklassen für lineare Produkte (wie beispielsweise Dämmschläuche) von ebenen Produkten (Dämmplatten) zu unterscheiden, werden diese mit einem tiefer gestellten "L" (Kurzzeichen L für linear) gekennzeichnet. Abhängig von ihrem spezifischen Brandverhalten werden Dämmschläuche also mit BL, CL, DL etc. klassifiziert.
Zusätzliche Klassen "s" und "d"
Für viele Länder neu ist auch die Prüfung der Rauchentwicklung und des brennenden Abtropfens. Hierfür wurden zusätzliche Klassen entwickelt, die mit "s" (Kurzzeichen "s" für "smoke") und "d" (Kurzzeichen "d" für "droplets") bezeichnet werden (s. Tab. 2).
Entzündbarkeitstests und "SBI"-Prüfverfahren
Die Euroklasse E wird nach EN ISO 11925-2 [4] im Entzündbarkeitstest geprüft. Für die Klassen A2 bis D ist eine Klassifizierung zusätzlich nach dem neuen "SBI"-Prüfverfahren ("Single-Burning-Item"-Test) nach EN 13823 [5] erforderlich.
Der Entzündbarkeitstest bewertet die Entzündbarkeit eines Bauprodukts, indem es einer kleinen Flamme ausgesetzt wird.
Beim "SBI"-Test wird der potentielle Beitrag eines Bauproduktes zu einem sich entwickelnden Brand bei einer Brandsituation bewertet, die einen einzelnen, brennenden Gegenstand ("Single Burning Item": "SBI") in einer Raumecke nahe an diesem Bauprodukt simuliert (s. Abb. 3a-c).
Der Test stellt eine realistische Brandsituation nach, wie sie beispielsweise durch einen brennenden Papierkorb in einer Ecke des Raumes entstehen kann.
Für ebene Produkte sind die Grenzwerte der Tabelle 1 der EN 13501-1 und für lineare Produkte die Werte der Tabelle 3 anzuwenden. Die für das Brandverhalten relevanten Grenzwerte für ebene Produkte sind im Vergleich zu den Klassifizierungswerten für lineare Produkte um einiges niedriger, d.h., schwieriger zu erreichen.
Abhängig von der spezifischen Zusammensetzung des Produkts erreichen elastomere Dämmstoffe im "SBI"-Test die Anforderungen der Euroklasse "B oder C" (schwerentflammbar) bzw. "D oder E" (normalentflammbar).
Standard-Elastomere neigen zu einer hohen Rauchentwicklung und erreichen daher nur eine "s3"-Klassifizierung. Die Einstufung der Klasse von brennendem Abtropfen/Abfallen ist bei elastomeren Dämmstoffen dagegen sehr gut, typischerweise "d0". Elastomere zeichnen sich durch eine hohe Elastizität in einem breiten Temperaturbereich aus. Ihre molekulare Struktur gleicht einem dreidimensionalen, weitmaschigen Netzwerk. Aufgrund dieser Vernetzungsreaktion, auch Vulkanisation genannt, schmelzen Elastomere nicht, leiten den Brand nicht weiter und tropfen nicht brennend ab.
Elastomere Dämmstoffe mit geringer Rauchentwicklung
Wie alle organischen Dämmstoffe sind flexible elastomere Dämmstoffe (FEF) brennbar. Um eine optimale Brandschutzausrüstung des technischen Dämmstoffs zu erreichen, werden unterschiedliche Flammschutzmittel zugegeben [6].
Flammschutzmittel sind Zuschlagstoffe, die durch physikalische und/oder chemische Wirkungsweise die Entflammbarkeit und Abbrandgeschwindigkeit herabsetzen, die Brennbarkeit der Stoffe selbst aber nicht aufheben.
Bislang konnten technische Dämmstoffe auf organischer Basis die beste Baustoffklassifizierung für brennbare Baustoffe nur mit Hilfe halogenhaltiger Systeme erreichen, da andere Flammschutzmittel nur in relativ niedrigen Temperaturbereichen wirksam sind, während halogenhaltige Systeme im Temperaturbereich von 600-800 °C direkt in den Verbrennungsprozess eingreifen.
Typische Bestandteile von Flammschutzmitteln sind Chlor und Brom. Bromierte Flammschutzmittel inhibieren im Brandfall zwar sehr effektiv die Verbrennung, führen aber durch ihren Wirkmechanismus und ihre Wirkung gerade in der Gasphase zu einer starken Rauchentwicklung. Daher erreichen Standard-Elastomerprodukte im "SBI"-Test zwar eine gute Brandklassifizierung – die Mehrzahl der Premiumprodukte wird als "B", also "schwerentflammbar" eingestuft, sie neigen jedoch zu einer hohen Rauchentwicklung und wurden bislang bestenfalls als "s3" klassifiziert. Elastomere Dämmstoffe mit einer niedrigeren Rauchentwicklung ("s2" oder sogar "s1") erreichen dagegen nur die Brandklasse E oder allenfalls D.
In der Praxis bedeutete dies für die Anwender also bislang die Wahl zwischen einem technischen Dämmstoff mit einer guten Brandklassifizierung oder einer geringen Rauchentwicklung.
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