Wegen der Heterogenität im Netz kommt es zwangsläufig zu entgegengesetzten Interessen der einzelnen Agenten. So will der Mieterstrom-Agent die Kilowatt zu den günstigsten Konditionen direkt vom eigenen Dach beziehen, der PV-Agent dagegen genau diesen Strom wegen des höheren Ertrags netzintern an die Wärmepumpe im Nachbarhaus verkaufen. Wie sich einigen? Im Ausbalancieren der unterschiedlichen Bestrebungen der Netzteilnehmer zu einer Win-win-Situation für alle Akteure liegt die besondere Herausforderung einer effizienzoptimierenden Programmierung der Agenten. Das Modell bemüht sich also, zunächst intern Angebot und Nachfrage in der Substruktur auszugleichen, bevor es auf das übergeordnete Verteilernetz zugreift. Im Labormaßstab auf dem Teststand von Fraunhofer ISE funktioniert das Verfahren bereits zufriedenstellend. Das Pfaff-Areal als Reallabor soll belegen, dass Theorie und Praxis dieses dezentralen, zukunftsfähigen Lösungskonzepts übereinstimmen.
Gießerei als Wärmequelle
Zukunftsfähig heißt, dass das Energiekonzept auf eine klimaneutrale, sichere und bezahlbare Energieversorgung auszurichten ist und das Bebauungsgebiet als Gesamtsystem mit den Komponenten Strom, Heizwärme, Warmwasser, Kälte und Elektromobilität zu betrachten hat. Abwärme- und Abwassernutzung, Sektorenkopplung, Photovoltaik, Geothermie, „Smart Grids“ und andere Begriffe aus dem Bereich der erneuerbaren Energien stehen denn auch im Schlagwortregister des Masterplans „EnStadt:Pfaff“. Zur Wärmeversorgung sollen, laut Plan, Teile des Kalorienstroms aus dem Abwasser-Hauptsammler sowie aus der Kühlung der benachbarten Gießerei in ein Nahwärmenetz fließen. Die Stromversorgung stützt sich unter anderem auf PV-Anlagen auf den Dächern plus Batteriespeicher ab. Die Stärkung des Gemeinschaftslebens will eine Informations- und Kommunikationsplattform fördern. Sie bietet mit verschiedenen Diensten einen gesellschaftlichen Mehrwert. Beispielsweise mit dem „Pfaff-Funk“. Der verbindet Teilnehmer untereinander, unterstützt sie im Austausch von Waren und Informationen und bietet sich für weitere Dienste im Miteinander an. So auch für Energiespartipps, die eine Software individuell für die Nutzer ermittelt, oder für ein Modul, das zum Ausprobieren umweltschonender Mobilitätskonzepte, wie ein Fahrrad- und Carsharing, anregt.
Der Stand der Dinge
HeizungsJournal fragte Gerhard Stryi-Hipp vom Fraunhofer ISE, wissenschaftlicher Projektleiter von „EnStadt:Pfaff“, nach dem Stand der Neugestaltung: „Derzeit, April 2021, läuft die Planung für das Nahwärmenetz, das die industrielle Abwärme des Gießereibetriebs aufnimmt. Erste Baumaßnahmen geschehen ebenfalls, so der Umbau der drei Bestandsobjekte, nämlich das alte und das neue Verwaltungsgebäude sowie das neue Kesselhaus. Innovative Elemente wie ein regelbarer Ortsnetztrafo, eine Großbatterie, die E-Mobil-Schnellladesäulen und ähnliches befinden sich in der konkreten ingenieurtechnischen Planung und Bestellung. Die Großbatterie wird voraussichtlich eine Kapazität von 500 kWh haben. Bei der Nahwärme aus der 500 m entfernten Gießerei bemühen wir uns, die momentane Abwärmetemperatur von 45 °C auf vielleicht 60 °C anheben zu können, ohne größere Umbaumaßnahmen vornehmen zu müssen. Wenn Sie dann Verlust und Spreizungen abziehen, hätten wir eine genügend hohe Vorlauftemperatur für die Niedertemperaturheizungen in den Gebäuden.“ Ebenfalls sei man dabei, die Hürden des Energiewirtschaftsgesetzes zu erfassen beziehungsweise man bemühe sich um deren Beseitigung, um den Stromeigenverbrauch erhöhen zu können. Noch gestatte das Gesetz nicht, Nachbargebäude zu beliefern. „Solange die regulativen Rahmenbedingungen noch nicht gegeben sind, müssen wir uns darauf konzentrieren, das Gebäude ausschließlich aus seiner eigenen Photovoltaikanlage zu versorgen, zum Beispiel für das Elektromobil. Ein anderes Thema, als nur ein Beispiel von vielen, mit denen wir uns beschäftigen müssen, ist die Belastbarkeit von Batterien, was die Lebensdauer angeht. Wenn wir 50 Batterien einsetzen wollen, um zunehmend volatile Sonnenstromerzeugung zu kompensieren, müssen diese Speicher künftig wesentlich flexibler und steuerbarer sein als heute. Dabei müssen wir uns allerdings an den Fähigkeiten von Batterien, beispielsweise in puncto Lebensdauer, orientieren und einen guten Kompromiss zwischen Flexibilität und Lebensdauer finden. Also eine wirtschaftlich vertretbare Zyklenzahl.“ Das gesamte Quartier wird im Endstadium größenordnungsmäßig etwa 40 Gebäude umfassen. In erster Linie Neubauten plus einige sanierte Bestandsobjekte. Der Umbau des Bestands ist schon im Gang. Die Neubauten kommen in den nächsten Jahren hinzu. Das Konsortium „EnStadt:Pfaff“ bereitet gerade die Ausschreibung der Architekturwettbewerbe vor. 2029 soll das Quartier bezugsfertig sein.