In einem breit angelegten Projektverbund wollen das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und seine Partner aus Forschung und Industrie Wärmepumpen den Weg in das Mehrfamilienhaus ebnen. Dazu greifen die Forscher auch auf langjährige Feldtests an Einfamilienhausanlagen zurück. Die Monitoringdaten zeigen Steigerungen der Jahresarbeitszahlen.
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Wärmepumpen auf dem Weg ins Mehrfamilienhaus
Wärmepumpen-Feldtests in Bestandsgebäuden bilden Grundlage
Mittwoch, 07.03.2018
Die Studie "Was kostet die Energiewende" des Fraunhofer ISE zeigt mögliche Wege zu einem klimafreundlichen Energiesystem. Ihre Basis ist "REMod-D", das detaillierte intersektorale Simulationsmodell des deutschen Energiesystems einschließlich Verkehr und Prozesswärme. Um Szenarien für optimale Transformationspfade aufzuzeigen, bringt es Erzeugung und Bedarf für jeden Verbrauchssektor zu jeder Stunde eines Jahres in Einklang. Zielfunktionen und Randbedingungen sind dabei unter anderem minimale Kosten und Einhaltung des Klimaziels der Bundesregierung von 80 Prozent weniger CO2-Emissionen im Jahre 2050 gegenüber 1990.
Abb. 1 zeigt zwei miteinander zu kombinierende Wege, um diese Verringerung für den Wärmesektor zu erreichen.
Die Abszisse zeigt den Einfluss geringeren Wärmebedarfs durch baulichen Wärmeschutz, die Ordinate die Dekarbonisierung der Heiztechniken. Aus den Simulationen erscheint für das Zielsystem 2050 eine Reduktion des Wärmebedarfs zur Raumheizung des gesamten Gebäudebestands auf 45 bis 60 Prozent des heutigen Werts sinnvoll. Das schließt auch eventuelle Zuwächse an beheizter Gebäudefläche ein. Gleichzeitig sind die spezifischen CO2-Emissionen der Wärmebereitstellung auf 30 bis 35 Prozent des heutigen Werts zu reduzieren.
Heizungen und Häuser müssen also effizienter werden. Insgesamt errechnet "REMod-D" eine nötige Reduktion von 40 bis 50 Prozent des Primärenergiebedarfs im gesamten Energiesystem bis 2050. Dabei ist es sinnvoll, die Qualität der Energie, die Exergie, zu beachten. Exergie bezeichnet den Anteil der Energie, der in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann. Ein optimiertes Energiesystem der Zukunft stellt Energiedienstleistungen auf der niedrigstmöglichen Stufe an Exergie bereit. Fossile Energieträger scheiden auch deshalb als Heiztechnik für die Zukunft aus, da ihr hoher Exergiegehalt für eine niederexergetische Dienstleistung verfeuert wird.
Heiztechnik der Zukunft
Gebäude verbrauchen in Deutschland rund 40 Prozent der Endenergie, davon gehen nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) mehr als vier Fünftel in Raumwärme und Warmwasser.
Abb. 2 zeigt, wie sich die Heiztechniken bis 2050 wandeln könnten, um die Klimavorgaben zu erfüllen.
Nach diesem Szenario würde zunächst die Nutzung von Ölkesseln auslaufen, im Weiteren die von Gaskesseln. Auch die Zahl der Biomassekessel sollte nach schwacher Zunahme ab 2040 deutlich abnehmen. Da ihr Potential begrenzt ist, wird die Biomasse dort eingesetzt, wo Speicherbarkeit und Exergiegehalt besser zum Einsatz kommen. Eine zentrale Rolle in der Heiztechnik der Zukunft spielen in diesem Szenario Wärmepumpen. Auch andere Studien gehen von einem starken Anstieg der Bedeutung der Wärmepumpen aus – wenn auch mit deutlich geringeren Anteilen wie dargestellt.
Gut geplante und installierte Wärmepumpenanlagen besitzen in geeigneten Anwendungsbereichen eine hohe Effizienz. Sie ist umso höher, je niedriger die Heiztemperatur ist. Wärmepumpen nutzen niederexergetische Umweltwärme, die nicht direkt für Heizzwecke genutzt werden kann. Sie brauchen zwar mit Strom hochexergetische Antriebsenergie, vervielfachen aber deren Nutzen durch Einbezug von Umweltwärme. In einem "Smart Grid" können Wärmepumpen zudem Netzdienstleistungen erbringen. So kann bei Stromüberschuss ein Wärmespeicher beladen und bei Strommangel die Wärmepumpe ausgeschaltet bleiben und Heizwärme aus dem Speicher bezogen werden.
Fokus auf Mehrfamilienhäuser
Von knapp 21 Millionen zentralen Wärmeerzeugern im Bestand waren laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH) 2016 rund vier Prozent Wärmepumpen. Bei Neubauten entschieden sich in demselben Jahr 40 Prozent der Bauherren von Ein- und Zweifamilienhäusern für eine Wärmepumpe als primären Wärmeerzeuger.
Bei Neubauprojekten im Mehrfamilienhausbereich liegt der Anteil mit 20 Prozent nur bei der Hälfte. Da laut der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) Gebäude mit drei und mehr Wohneinheiten für knapp 40 Prozent des Endenergieverbrauchs aller Wohngebäude in Deutschland verantwortlich sind, ist es aus Sicht des Klimaschutzes wünschenswert, die Gründe für den zögerlichen Einsatz von Wärmepumpen im Mehrfamilienhaus zu untersuchen und möglichst zu beseitigen. Dies gilt umso mehr für Bestandsgebäude, deren Potential für CO2-Reduktion besonders hoch ist.
Der 2017 gestartete Projektverbund "LowEx-Konzepte für die Wärmeversorgung von sanierten Bestandsgebäuden (LowEx-Bestand)" soll Lösungen für den Einsatz von Wärmepumpen in (energetisch sanierten) Bestandsgebäuden in enger Kooperation mit Unternehmen entwickeln und demonstrieren. In einem Schirmprojekt "LowEx-Bestand" werden vom Fraunhofer ISE und dem KIT Lösungsansätze erarbeitet und im Verbundprojekt "LowEx Demo" entstehen in enger Zusammenarbeit mit Wohnungswirtschaft und Heizungsindustrie Demonstrationsobjekte. Im Rahmen des Annex 50 des Wärmepumpenprogramms der Internationalen Energieagentur IEA erfolgt ein Austausch zu den Erfahrungen in anderen Ländern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das fünfjährige Projekt.
Der Fokus liegt auf der Entwicklung wirtschaftlich tragfähiger Ansätze für Heizung und Lüftung in Mehrfamiliengebäuden. Häufig steht die Komplexität von Sanierungsprozessen einer breiten Umsetzung neuer Lösungen im Weg. Ein wichtiger Arbeitsbereich in dem Projekt ist daher die systematische Vereinfachung von Sanierungsprozessen.
Ein Ziel des Projektverbunds ist die Erarbeitung einer umfassenden Matrix, die unterschiedlichen Gebäudetypen und Sanierungsstandards geeignete Systemkonzepte zuordnet. Hierbei werden neben unterschiedlichen Betriebsweisen der Wärmepumpe (monoenergetisch oder bivalentes System mit Gaskessel) verschiedene Ansätze der Trinkwassererwärmung, der Speichereinbindung und der Quellenerschließung für die Wärmepumpe betrachtet. Neben energetischen Untersuchungen des Gesamtsystems werden auch Komfortfragen im Zusammenhang mit Lüftung und Raumheizung Thema sein.
Für den Einsatz in Bestands-Mehrfamilienhäusern stellen hohe Temperaturen eine Herausforderung dar. Ein Grund für hohe Temperaturen im Trinkwasserkreis ist der Legionellenschutz. Hersteller werden deshalb im Projektverbund hocheffiziente Elektrowärmepumpen mit hohen Vorlauftemperaturen auch bei niedrigen Verdampfertemperaturen entwickeln.
Für den Einsatz von Wärmepumpen in Mehrfamiliengebäuden, insbesondere im städtischen Kontext, ist die Verfügbarkeit und Erschließbarkeit von Wärmequellen eine Herausforderung. Hierbei sind Multi-Quellen-Systeme eine Option, um die nötige Wärmemenge zu erschließen, wenn eine Wärmequellenart nicht ausreicht. So werden in dem Technologieprojekt "Heaven", das dem Projektverbund angegliedert ist, unter anderem Dimensionierungs- und Betriebsstrategien für ein Mehrquellensystem zur Einbindung des Erdreichs und der Außenluft entwickelt.
Gaswärmepumpen sind eine vielversprechende Technik, die in größeren Gebäuden mit Erdgasanschluss eine Alternative zum reinen Gaskessel-Betrieb bietet. Sie benötigen eine geringere Leistung der Wärmequelle als Elektrowärmepumpen bei gleicher Heizleistung. Sowohl Systeme mit Absorptions- als auch Adsorptionstechnologie sind vorgesehen.
Für die wirtschaftlichen Aspekte ist die Einbindung der Heizungserneuerung in den Sanierungsprozess wichtig. Dafür wollen die Projektpartner unter anderem Verfahren mit geringen Eingriffen in den Bestand optimieren. Dabei befinden sich die Leitungen für Heizmedien und Lüftung in der Fassade und reduzieren so Belästigungen für die Nutzer und Kosten für die Bauherren.
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