Damit die „Sektorenkopplung“ auch greift und entsprechende Synergieeffekte eintreten, müssen unterschiedlichste Technologien aus den Segmenten Wärme, Kälte, (Nutzer-)Strom und Mobilität miteinander verzahnt werden. Das heißt, es braucht hochgradig vernetzte Netze für Energie. Wo stehen wir in Deutschland in Sachen „Netzkonvergenz“; also der Auflösung einzelner, getrennter Netze hin zu abgestimmter Infrastruktur?
Eine hochgradige Vernetzung findet aus unserer Sicht vor allem innerhalb des Gebäudes statt, unter anderem deshalb haben wir den Begriff „Hauskraftwerk“ für das intelligente Speichersystem gewählt. Das öffentliche Stromnetz bleibt natürlich wichtig, wird aber die großen Herausforderungen durch die E-Mobilität nur dann bewältigen können, wenn die stationären Speicher und die Autos bidirektional miteinander und mit dem Netz interagieren können. An der Technologie dafür arbeiten wir bei E3/DC intensiv, damit aus den Verteilnetzen von gestern interaktive Plattformen werden, die einen dezentralen Austausch von Energie und intelligentes Lastmanagement „von unten“ ermöglichen.
„Durch die Digitalisierung wird diese Komplexität beherrschbar“, kann man in diesem Kontext in diversen Publikationen immer wieder lesen. Teilen Sie diese Auffassung?
Klar, für den Austausch zwischen dezentralen Erzeugern und dezentralen Verbrauchern braucht es eine durchgängige Digitalisierung mit einheitlichen Kommunikationsstandards. Das ist vor allem wichtig, weil der einzelne Betreiber mit seiner PV-Anlage und dem Elektroauto auch neue und regulatorisch einfache Vermarktungswege benötigt. Es wird in Zukunft nicht mehr genügen, sich neben dem optimierten Eigenverbrauch nur auf die Einspeisung ins Netz und den Bezug aus dem Netz zu verlassen. Die Frage ist nur, ob hier die politischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit dem Schritt halten, was technisch umsetzbar ist bzw. sein wird.
Inwieweit sehen Sie die sehr unterschiedlichen Akteure (z. B. das installierende Fachhandwerk in den Gewerken Heizung/Lüftung/Klima und Elektro) auf all die genannten Herausforderungen vorbereitet? Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf (z. B. in Sachen berufliche Bildung)?
Es wird anspruchsvoller, was die nötige Zusammenarbeit verschiedener Gewerke angeht. Aber die Richtung ist klar: Die Energiewende ist dezentral und wird, wie die Sektorenkopplung, zu einem großen Teil in Wohngebäuden und Gewerbeimmobilien umgesetzt. Das Haus und das Automobil wachsen sehr eng zusammen, das ist vor allem für das Elektrohandwerk interessant. Ich bin einfach überzeugt, dass die intelligente und CO2-einsparende Gebäudetechnik eine riesige Chance für gute Handwerksbetriebe ist.
Lassen Sie uns den Blick zum Schluss einmal auf die Konsumenten- bzw. Nutzerseite richten: Häufig ist hier ja von „Prosumern“ die Rede. Da die Masse an Menschen jedoch in Städten lebt/leben wird, muss man davon ausgehen, dass die Mehrheit weiterhin Energie primär konsumiert statt sie dezentral zu erzeugen. Wie profitiert der „Otto Normalverbraucher“ eigentlich von einem vernetzten, dekarbonisierten Energiesystem?
Die Statistik sagt, dass die meisten Menschen in Deutschland in Kleinstädten oder Dörfern leben, und auch in den Großstädten gibt es viele weniger verdichtete Bereiche. In München zum Beispiel haben wir sehr erfolgreiche Vertriebspartner, Eigenversorgung steht dort hoch im Kurs. Übrigens scheitert die Versorgung von Mietern in Mehrfamilienhäusern mit erneuerbarer Energie eher nicht an der Technik. Aber es stimmt: Der mögliche Anteil des Solarstroms vom Dach ist bei großen Wohnanlagen natürlich kleiner als im freistehenden Einfamilienhaus, da muss man verschiedene Technologien verknüpfen. Doch wir sind überzeugt: Die privaten und gewerblichen Eigenversorger tragen einen unverzichtbaren Teil zur CO2-Reduktion und zum Umbau der Energieversorgung bei.