Wärme

Zur Wärmewende gehört auch eine Fernwärmewende

Interview mit Anton Koller, Leiter der Fernwärmesparte bei Danfoss

Mittwoch, 30.03.2022

Die Fernwärme gilt vielen Experten als Königsweg, um regenerative Energiequellen und Abwärme in großem Stil in die Wärmeversorgung zu integrieren.

Das Bild zeigt eine Stadtsilouette.
Quelle: Danfoss
Moderne Technik für Wärmenetze integriert den Wärme- und Stromsektor. Mit Fernwärme als Verteiltechnologie ist es möglich, regenerative Energiequellen oder Abwärme aus Industrie und Rechenzentren in großem Stil in die Wärmeversorgung zu integrieren und so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Fernwärmeversorger konsequent in die Modernisierung ihrer Netze investieren. Anton Koller, Leiter der Fernwärmesparte bei Danfoss, erläutert im Interview mit dem HeizungsJournal, worauf es hierbei ankommt – und welche Lösungsmöglichkeiten schon heute zur Verfügung stehen.

Herr Koller, Danfoss macht sich schon lange für einen Ausbau der Fernwärme stark. Da mag auch Lokalkolorit hineinspielen: In Dänemark, der Heimat des Unternehmens, hat die Fernwärme einen Marktanteil von 85 Prozent. In Deutschland hingegen sind es nur zwölf Prozent. Was steht bei uns einer Ausweitung des Marktanteils entgegen?

Vor allem die Trägheit der politischen Entscheider. Das Bundeswirtschaftsministerium etwa hat uns immer wieder versprochen, als Pendant zur „Bundesförderung effiziente Gebäude“ (BEG) auch eine „Bundesförderung effiziente Wärmenetze“ (BEW) aufzulegen. Doch während die BEG Anfang 2021 in Kraft getreten ist und dem Heizungsmarkt einen riesigen Schub gegeben hat, verharrt die BEW noch immer im Entwurfsstadium. Zwar hat das neue Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) jetzt angekündigt, dass die neue Förderung in Kraft gesetzt und sogar aufgestockt werden soll, sobald die beihilferechtliche Genehmigung seitens der EU vorliegt. Wann genau das sein wird, steht aber nicht fest.

Mit anderen Worten: Der Staat pusht die Modernisierung von Heizanlagen, nicht aber die Modernisierung und Erweiterung von Fernwärmenetzen.

Ganz genau. Dabei ist in der Fachwelt längst anerkannt, dass die Wärmewende nicht ohne Fernwärmeausbau gelingen kann. Nur mit Hilfe der Fernwärme als Verteiltechnologie ist es möglich, im Interesse des Klimaschutzes auch regenerative Energiequellen oder Abwärme aus Industrie und Rechenzentren in großem Stil in die Wärmeversorgung zu integrieren und so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Dieser Abhängigkeit ein Ende zu machen, war übrigens auch das Ziel des dänischen Fernwärmeausbaus, wenngleich das Motiv zunächst ein anderes war. Dort hat man nach der Ölkrise der 1970er-Jahre entschieden, sich aus dem Klammergriff der OPEC-Staaten zu befreien und auf die Fernwärme zu setzen. Heute wissen wir, dass das auch im Hinblick auf den Klimaschutz der richtige Weg war. In Deutschland aber fehlt dennoch ein entschlossener politischer Schritt Richtung Fernwärme. Positiv zu vermerken ist immerhin, dass bei der Modernisierung von Heizanlagen immer häufiger auch kleine Wärmenetze eine Rolle spielen.

Nun kommt aber politisch doch gerade Bewegung in die Sache. Eine kommunale Wärmeplanung nach baden-württembergischem Vorbild, die zur Einbindung von regenerativen Energien und Abwärme in der Wärmeversorgung zwingt, soll laut der Ampel-Koalition künftig bundesweit Vorschrift werden. Außerdem will sich die neue Regierung ja offenkundig für den Ausbau der Wärmenetze einsetzen. Kann man hier wirklich noch von Trägheit sprechen?

Das sind positive Signale, keine Frage. Und gerade die kommunale Wärmeplanung in Baden-Württemberg ist in der Tat ein Modell, von dem man wirklich nur hoffen kann, dass es sich auch bundesweit durchsetzt. Das würde nicht nur der Fernwärme in die Karten spielen, es käme auch unserer Wirtschaft insgesamt zugute. Denn man darf nicht vergessen, dass der Fernwärmeausbau immer auch ein Beitrag zur lokalen Wertschöpfung ist: Es entstehen neue Arbeitsplätze vor Ort, die Fernwärme kann dadurch einen wesentlichen Beitrag zu einer echten „Green Recovery“ leisten – einem grünen Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Coronakrise, wie ihn auch die EU anstrebt. Es muss sich aber zeigen, ob den schönen Worten tatsächlich Taten folgen. Bei der „Bundesförderung effiziente Wärmenetze“ war das bisher nicht der Fall und das ist ein Problem – denn die ehrgeizigsten Planungen und Willensbekundungen nutzen wenig, wenn die Projekte nicht verwirklicht werden können.

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  • Moderne Technik für Wärmenetze integriert den Wärme- und Stromsektor. Mit Fernwärme als Verteiltechnologie ist es möglich, regenerative Energiequellen oder Abwärme aus Industrie und Rechenzentren in großem Stil in die Wärmeversorgung zu integrieren und so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.
  • „Um das Wirtschaftswachstum nach der Corona-Pandemie anzukurbeln und gleichzeitig dem Klimawandel zu begegnen, sind Investitionen in die effizienzorientierte Gebäudesanierung und den Aufbau effizienter Energieinfrastrukturen sinnvoll. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Fernwärmesektor“, betont Anton Koller.
  • Digitalisierte Niedertemperatur-Wärmenetze sind, nach Auffassung von Danfoss, die Zukunft der Fernwärmetechnologie. Sprich: Intelligente Wärmenetze, die von der Leitstelle des Versorgers bis zur Ventilkomponente im großen Stil durchautomatisiert sind.
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