Wärme

Zur Wärmewende gehört auch eine Fernwärmewende

Mittwoch, 30.03.2022

Das wäre dann das vielzitierte Wärmenetz 4.0, das Fernwärmenetz der vierten Generation. Aber wie realistisch ist das überhaupt? Ist das nicht bloß eine Utopie?

Dieses Netz wäre schon heute ohne Weiteres möglich. Wir bei Danfoss beispielsweise haben unter dem Label „Leanheat“ ein breites Portfolio an digitalen Lösungen entwickelt, die von der zentralen Netzsteuerung anhand von Prognose-, Simulations- und Monitoring-Tools bis zur Erfassung der Gebäudecharakteristik und des Nutzerverhaltens durch Künstliche Intelligenz den kompletten Netzbetrieb abdecken. Wir haben zudem intelligente Ventilkomponenten und Übergabestationen entwickelt, die sich nahtlos in einen digitalisierten Netzbetrieb integrieren lassen. Und was die Kundenseite angeht, so haben wir auch hier entsprechende Regelungs- und Ventillösungen im Programm, die eine smarte Heizungssteuerung bis hinunter auf die Feldebene möglich machen, sei es nun im Wohn- oder Zweckbau. Alle diese Lösungen und Komponenten auf Versorger- und Kundenseite lassen sich theoretisch miteinander in Beziehung setzen, so dass ein vollvernetztes Wärmesystem entsteht. In der Praxis wird das natürlich immer nur schrittweise umgesetzt werden, das ist klar. Aber möglich ist es.

Das Bild zeigt eine Grafik.
Quelle: Danfoss
Digitalisierte Niedertemperatur-Wärmenetze sind, nach Auffassung von Danfoss, die Zukunft der Fernwärmetechnologie. Sprich: Intelligente Wärmenetze, die von der Leitstelle des Versorgers bis zur Ventilkomponente im großen Stil durchautomatisiert sind.

Zurück zur Kundenseite, die hatten wir ja eben zunächst noch beiseitegelassen: Dass hier vielfach optimiert werden muss, um den Wärmebedarf zu reduzieren, leuchtet mit Blick auf ein Niedertemperatur-Wärmenetz ein. Aber wenn sich hier nichts tut, was dann?

Dann ist die Absenkung der Netztemperatur nicht vom Tisch, hier können die Versorger auch alleine einiges leisten. Aber für die Verwirklichung eines echten Niedertemperaturnetzes mit Vorlauftemperaturen von 60 °C oder darunter wird es dann schwierig. Überdimensionierte Übergabestationen mit veralteten Wärmeübertragern und schlecht regulierte Anlagen ohne vernünftigen hydraulischen Abgleich verbrauchen schlicht mehr Energie. Und wenn das bei vielen Kunden vorkommt, bleibt die Temperatursenkung auf halbem Wege stecken.

Muss man dann aus Versorgersicht nicht mit Sartre sagen: „Die Hölle, das sind die anderen?“ Oder gibt es Mittel und Wege, um Sanierungsdruck zu machen? Schlagen wir hier bewusst nochmal den Bogen zum Anfang: In Dänemark hat man es mit motivierenden Tarifen versucht. Wird bei der Fernwärmeübergabe eine vorgesehene Temperaturspreizung übertroffen, wird die Fernwärme billiger. Wird die Spreizung jedoch nicht erreicht, muss der Kunde mehr zahlen. Ein Modell auch für Deutschland?

Ich glaube nicht, dass sich das ein deutscher Versorger trauen wird, zumindest nicht in naher Zukunft. In Dänemark hat man da leichteres Spiel, weil die Abhängigkeit von der Fernwärme sehr viel größer ist. In Deutschland besteht hingegen die Gefahr, dass der Kunde abspringt und auf eine andere Wärmequelle umsteigt, etwa eine Wärmepumpe. Hier wird man deshalb eher an das ökologische Bewusstsein appellieren – und außerdem an den Spartrieb, denn im Moment wird die Sanierung sehr großzügig gefördert. Was die Kundenseite angeht, kann die BEG-Förderung der Fernwärme somit zumindest indirekt zugutekommen. Vorausgesetzt, der Kunde nutzt seine Möglichkeiten.

Zum Abschluss noch eine übergeordnete Frage: Weltweit ist ein Trend zur Urbanisierung zu beobachten, die Anzahl sogenannter Megacities und sehr großer Agglomerationsräume mit über zehn Millionen Einwohnern wird nach allen Prognosen weiter zunehmen. Was bedeutet das für die Zukunft unserer Wärmeversorgung und insbesondere für die Zukunft der Fernwärme?

Die Fernwärme als Verteiltechnologie ist ganz klar die beste Lösung zur klimafreundlichen Wärmeversorgung dicht besiedelter urbaner Räume, ein Fernwärmenetz rentiert sich deshalb gerade in solchen kompakten Siedlungsarealen.

Im Zuge der Quartiersentwicklung sollte vor diesem Hintergrund insbesondere in Neubaugebieten, aber sehr wohl auch in bestehenden Quartieren über einen konsequenten Fernwärmeausbau nachgedacht werden. Zu-gleich ist die Idee der Wärmeverteilung aber auch in weniger dicht besiedelten Gebieten interessant. In einer Dorfstraße etwa kann es dann einfach ein Nahwärmenetz geben, dass von einer zentralen Großwärmepumpe bedient wird. Das Grundkonzept, das hinter der Fernwärme steckt, hängt in seiner Nutzung nicht von Größenverhältnissen ab. Im Englischen etwa gibt es deshalb erst gar keine Unterscheidung zwischen Fernwärme und Nahwärme. Hier spricht man schlicht von „District Heating“ – das wird der Sache gerechter als unsere Begriffe das tun.

Galerie

  • Moderne Technik für Wärmenetze integriert den Wärme- und Stromsektor. Mit Fernwärme als Verteiltechnologie ist es möglich, regenerative Energiequellen oder Abwärme aus Industrie und Rechenzentren in großem Stil in die Wärmeversorgung zu integrieren und so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.
  • „Um das Wirtschaftswachstum nach der Corona-Pandemie anzukurbeln und gleichzeitig dem Klimawandel zu begegnen, sind Investitionen in die effizienzorientierte Gebäudesanierung und den Aufbau effizienter Energieinfrastrukturen sinnvoll. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Fernwärmesektor“, betont Anton Koller.
  • Digitalisierte Niedertemperatur-Wärmenetze sind, nach Auffassung von Danfoss, die Zukunft der Fernwärmetechnologie. Sprich: Intelligente Wärmenetze, die von der Leitstelle des Versorgers bis zur Ventilkomponente im großen Stil durchautomatisiert sind.
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