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Erneuerbare Energien

Zwölffamilienhaus in Pirna setzt auf dezentrale Wärmepumpen

Dienstag, 17.12.2019

BAFA und KfW zeigen sich dabei relativ spendabel.

Im ersten Moment ist man in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit skeptisch, wenn man sieht, dass der Investor das besichtigte Zwölffamilienhaus mit zwölf Wärmepumpen saniert hat. Je Wohnung eine – das kann sich doch nicht lohnen. Dann hört man aber doch sehr stichhaltige Gründe.

Zwölffamilienhaus von außen.
Quelle: Bernd Genath
Das Zwölffamilienhaus in Pirna, welches durch eine Kernsanierung energetisch ertüchtigt wurde: mit Dämmung auf KfW-55-Standard, Demontage der verrotteten Ölfeuerung und Verlegung einer Fußbodenheizung sowie einer Wärmeversorgung auf Basis erneuerbarer Energien.

Vorab eine Klarstellung. Seit einigen Jahren bedauern viele amtliche, halbamtliche und nichtamtliche Studien und Veröffentlichungen die Sanierungsrate von "lediglich ein Prozent". Doch keiner der Autoren erläutert den Begriff Sanierungsrate. Landläufig versteht also der Leser darunter, dass für Hauseigentümer Energieeinsparungen und Klimawandel keine Themen sind. Das eine Prozent bezieht sich jedoch auf größere Renovierungsarbeiten einschließlich Fassadendämmung. Die Fassade ist tatsächlich in 99 Prozent aller Eingriffe in den Bestand ein Tabu – was durchaus dem Stadtbild zugute kommt. Wer bewundert nicht die Jugendstil-Ornamentierung, den rot-bunt-gebrannten Klinker, den Neoklassizismus und die Gründerzeit-Architektur. So etwas hält 100 und mehr Jahre und sollte, wenn die Substanz in Takt ist, auch nicht angefasst werden.

Wärmetechnisch hält demgegenüber eine Heizung kaum länger als 30 Jahre. Hier beträgt mithin die Sanierungsrate drei Prozent. Diese Erneuerungsquote verdoppeln oder verdreifachen zu wollen, hieße zu verlangen, alle zehn oder 15 Jahre neue Wärmeerzeuger zu installieren. Das ist, zu heutigen Preisen, unbezahlbar. Die Industrie hat deshalb in ihren eigenen Richtlinien (z.B. VDI 2067, "Wirtschaftlichkeit gebäudetechnischer Anlagen") einen rechnerischen Austauschzyklus von 20 Jahren angesetzt. Der, multipliziert mit dem Sicherheitsfaktor von 1,5, ergibt die üblichen 30 Jahre. Daran werden auch noch so viele Umweltappelle wenig ändern.

Mit anderen Worten, der Bestand dürfte zumindest noch in den nächsten zwei Jahrzehnten zu den wesentlichen Emittenten von Kohlendioxid gehören. Es sei denn, die Politik legt viel Geld auf den Tisch, um vorzeitig zu einer Radikalkur im Heizungskeller zu animieren. Genau genommen tut sie das bereits, nur kommuniziert sie das äußerst zurückhaltend – als wolle sie gar nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird, sodass die Euro für andere Maßnahmen zur Verfügung stehen. Wer indes all die Töpfe kennt, die eine Heizungssanierung bezuschussen, darf mit erheblich weniger Eigenkapital kalkulieren.

Das Objekt

Ein bestaunenswertes Beispiel präsentierte der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V. auf einer Pressefahrt zu sanierten Objekten in Sachsen im Mai dieses Jahres. Unter anderem stand ein Stopp an einem Zwölffamilienhaus in Pirna auf dem Programm. In dem Gebäude aus der Vorkriegszeit hatte wenige Monate zuvor die neue Wärmepumpenanlage ihren Betrieb aufgenommen. Die Reiseteilnehmer, darunter auch das HeizungsJournal, hörten, dass KfW und BAFA die Umrüstung je Wohnung mit 11.000 Euro bezuschusst hatten, total also mit rund 130.000 Euro. Wie kamen oder kommen die zustande?

2017 erwarb Ronald Rätze, Inhaber eines Baustoffhandels, das leer stehende Mehrfamilienhaus. Es hatte im Laufe der Jahre und Jahrzehnte gelitten. Der neue Eigentümer entschied sich deshalb zu einer Kernsanierung: mit Dämmung auf KfW-55-Standard, Demontage der verrotteten Ölfeuerung und Verlegung einer Fußbodenheizung, mit einer Wärmeversorgung auf Basis erneuerbarer Energien. Über das genaue zukünftige Konzept hatte er sich im Vorfeld mit seinem Heizungsbauer, ferner den Vertriebsingenieuren des Wärmepumpenherstellers Novelan sowie den Heizungsplanern der regionalen Großhandlung G.U.T. Bergmann beraten. Die Entscheidung fiel auf ein dezentrales System. Unter anderem wollte der Baustoffhändler, wie er sagte, "mit diesem innovativen Heizkonzept in der Region Akzente setzen".

Ein Mann steht vor einem Kaltwasserspeicher.
Quelle: Bernd Genath
Neun Bohrungen versorgen den zentralen Kaltwasserspeicher mit einem Inhalt von 1.500 l mit 5-grädiger Geothermie. Die dezentralen Wärmepumpen entnehmen diesem Speicher ihren Bedarf. Im Bild: Nico Müller, Key-AccountManager bei Novelan.

Vorteile der Dezentralität

Verschiedene Gründe sprachen für ein Netz mit jeweils einem eigenen Wärmeerzeuger je Wohnung. Zum ersten die Jahresarbeitszahl. Eine alleinige größere geothermische Wärmepumpe nebst Puffer- und Trinkwasserspeicher unten im Souterrain wäre zu Lasten der Effizienz gegangen – aber gleich mehr dazu. Zweitens die höhere Trinkwasserhygiene wegen der Warmwasserbereitung nach Bedarf des Einzelnen statt auf Vorrat für alle. Drittens die einfache Heizkosten-Abrechnung ohne Verteilungsschlüssel. Viertens das Inkrafttreten der "Drei-Liter-Regel": Bekanntlich schreibt die Trinkwasserverordnung für Großanlagen eine regelmäßige Überprüfung des Trinkwassers auf Legionellen vor. Als Großanlage definiert sie Installationen mit Boilern von mehr als 400 l Inhalt beziehungsweise mit Verbindungsleitungen zwischen Abgang Trinkwassererwärmer und Entnahmestelle von mehr als drei Liter Inhalt. Dezentrale Warmwasserbereiter, wie auch in Pirna, kommen in der Regel mit weniger als drei Liter aus, sodass hier die turnusmäßige Legionellenkontrolle entfallen darf.

Darüber hinaus – und nun die Erklärung für die bessere Effizienz – besteht für Großanlagen bekanntlich die Vorschrift, wegen der Gefahr der Verkeimung am Speicherausgang stets eine Temperatur von mindestens 60 °C und im gesamten Leitungssystem eine Temperatur von mindestens 55 °C einzuhalten. Von dieser Pflicht sind Kleinanlagen entbunden. Davon profitieren ganz besonders die Leistungszahlen (COP) und die Jahresarbeitszahl (JAZ) bei einer Umrüstung auf Wärmepumpen. Diese Aggregate dürfen sich mithin im Fall von "Kleinanlagen" mit einem Temperaturhub zur Warmwasserbereitung von etwa 15 auf 40 oder 45 °C begnügen. Des Weiteren müssen beispielsweise selbst 45 °C nicht großvolumig für sämtliche zwölf Wohnungen permanent vorgehalten werden. Jeder Nutzer entscheidet selbst über seine Ein- und Abschaltzeiten. Schlussendlich führt darüber hinaus eine zentrale Installation zu langen Leitungen mit großen Querschnitten, folglich zu Abkühlungsverlusten, die ebenfalls an der Jahresarbeitszahl nagen. All diese Einflüsse auf die Energieeffizienz und auf die Abrechnungsmodalitäten gaben den Ausschlag für die dezentrale Heizungs- und Warmwasserversorgung.

Sole/Wasser-Wärmepumpe neben zwei Waschmaschinen.
Quelle: Bernd Genath
Die Novelan-Sole/Wasser-Wärmepumpe mit Inverter-Technologie für Heizleistungen zwischen 2 und 6 kW kommt mit einem Platzbedarf von 0,5 Quadratmeter aus.

Kühlung für das Dachgeschoss

Gerätetechnisch verbauten die Handwerker zehn Modelle des Typs "WSV 6.2 H3M" von Novelan mit einer Heizleistung bis 6 kW. Diese kompakte Wärmezentrale mit Sole/Wasser-Wärmepumpe enthält die komplette Regelung und den Brauchwarmwasserspeicher. Das Gerät zeichnet sich durch einen leisen Betrieb und einen Platzbedarf von weniger als 0,5 m2 aus, sodass es sich ganz besonders für die Innenraumaufstellung anbietet. Für den Betriebspunkt B0/W35 (3,32 kW) gibt der Hersteller einen COP von 4,86 an. Im Fall einer gewünschten Leitungsdesinfektion darf die Vorlauftemperatur bis an 65 °C heranreichen. Die zwei Dachgeschosswohnungen in dem Objekt erhielten den Typ "WSV 6.2 K3M", wobei das "K" für Kühlen steht: Diese reversible Ausführung schaltet im Gegensatz zur Version "H3M" in den unteren Etagen, die ausschließlich heizt, im Sommer auf aktives Kühlen um. Beide Modelle sind darüber hinaus mit der leistungsmodulierenden Inverter-Technologie ausgerüstet.

Der geothermische Sole/Wasser-Kreislauf führt über einen zentralen Kaltwasserspeicher mit 1.500 l Inhalt. In den speist die Geothermie mit im Mittel 5 °C ein und aus diesem Behälter entnehmen die einzelnen Wärmeerzeuger in den Wohnungen ihren Bedarf. Im Sommer verschieben die beiden reversiblen Wärmepumpen die via Fußbodenkühlung abgesaugte Raumwärme ebenfalls in diesen Puffer und stellen sie so der Warmwasserbereitung zur Verfügung.

Insgesamt errechneten die Planer für die zwölf Wohnungen mit einer Wohnfläche zwischen 80 und 150 m2 beziehungsweise mit einer beheizten Gesamtnutzfläche von 1.000 m2 eine Heizlast von 48 kW. Diesen Bedarf liefern neun Sonden mit insgesamt 950 m Bohrtiefe. Die ersten Mieter zogen zum Jahresanfang ein. Zu den Jahresenergiekosten liegen deshalb nur Schätzzahlen vor. Die kalkulieren die Beteiligten in Anlehnung an vergleichbare Wohnungen auf 1.600 bis 2.000 kWh respektive 350 bis 500 Euro je Wohnung. Ein zweiter Zähler für einen zwei oder drei Cent preiswerteren Wärmepumpenstrom kam deshalb nicht infrage, weil der mit Miete, separater Ablesung und Strombereitstellungsgebühr je nach Versorger 70, 80 oder noch mehr Euro im Jahr kostet und damit mehr, als der Tarif einspart. Ferner ermittelte der Hersteller eine CO2-Reduzierung um total etwa 5.000 kg pro Jahr gegenüber einer alternativen Gasheizung.

Ein Mann steht vor einer Wärmepumpe.
Quelle: Bernd Genath
In den Etagen unterhalb des Dachgeschosses stehen ausschließlich Wärmepumpen mit Heizfunktion. In den zwei Dachwohnungen dagegen installierten die Anlagenbauer zwei reversible Wärmepumpen, die in den Sommermonaten die von der Fußbodenkühlung abgesaugte Wärme zur Warmwasserbereitung in den zentralen Speicher im Kellergeschoss einlagern.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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