Ein Großteil des privaten Energieverbrauchs entfällt in Deutschland neben der Mobilität auf die Gebäudeheizung und Brauchwarmwasserbereitung.
Wärmepumpen-Kaskaden für Wohn- und Geschäftshäuser
Ein Großteil des privaten Energieverbrauchs entfällt in Deutschland neben der Mobilität auf die Gebäudeheizung und Brauchwarmwasserbereitung.
Das schadet nicht nur dem Klima, sondern es belastet auch den eigenen Geldbeutel. Nachhaltiger und wirtschaftlicher ist es, auf einen geringen Energiebedarf durch gute Wärmedämmung in Kombination mit effizienter Wärmepumpentechnologie und regenerativen Energien zu setzen. Im niedersächsischen Kirchweyhe sind jetzt zwei Wohn- und Geschäftshäuser mit insgesamt 22 Einheiten, die den KfW -55-Effizienzhaus-Standard weit übertreffen, errichtet worden. Hier übernimmt ein neuartiges Wärmepumpen-Konzept die Wärmeerzeugung unabhängig von fossilen Rohstoffen.
Energieeffizientes Bauen liegt voll im Trend: Faktoren wie Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit rücken während der Planungsphase immer stärker in den Fokus. Für energieeffizientes Wohnen muss der Grundstein bereits im ersten Entwurf gelegt werden. Hierbei darf allerdings die moderne Gestaltung der Wohnräume nicht vernachlässigt werden, da Käufer heutzutage hohe Ansprüche an den Wohnraum stellen. Der Wohnraum soll dabei möglichst günstig sein, (technischen) Komfort bieten in Zeiten von „Smart Home“ und im Hinblick auf das Alter Barrierefreiheit sowie eine leichte Erreichbarkeit garantieren.
All diese Aspekte werden in einem im niedersächsischen Kirchweyhe erbauten Wohn- und Geschäftshaus mit 22 Einheiten erfüllt. Dort hat der Bauherr, das Unternehmen HBK, neben der technisch modernen und altersgerechten Ausstattung insbesondere eine nachhaltige und umweltorientierte Bauweise forciert, in deren Zentrum ein Wärmepumpen-Kaskaden-Konzept steht, welches der Feder von Klaus Schierenbeck, Inhaber der ausführenden Fachunternehmen Schierenbeck Gebäudeplanung und Schierenbeck Gebäudetechnik e.K. aus Schwarme, entsprungen ist.
Die beiden Wohn- und Geschäftshäuser umfassen 20 Wohn- und zwei Gewerbeeinheiten. Die beiden Gewerbeeinheiten befinden sich in dem kleineren der beiden Häuser, das 995 m2 groß ist und zudem noch acht Wohneinheiten beinhaltet. Das größere Haus besitzt zwölf Wohneinheiten auf einer Gesamtnutzfläche von 1.474 m2. Die meisten davon sind selbstgenutzte Eigentumswohnungen, einige sind vermietet. Entworfen wurden die Gebäude vom Architekturbüro Planerei in Weyhe und hier speziell unter Federführung von Christoph Maack-Beutin. Als umwelt- und verbrauchsfreundliches Objekt ist das gesamte Gebäude im KfW-Effizienzhaus-55-Standard errichtet worden, dessen energetisches Gesamtkonzept die hohen Standardanforderungen der EnEV 2016 für Wohngebäude weit übertrifft.
Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, hat Schierenbeck, der neben der Ausführungsplanung und der Technikausführung für die Heizungsanlage auch als Energieeffizienzexperte zu Rate gezogen wurde, ein anspruchsvolles energetisches Gesamtkonzept erstellt, das ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorsieht, um den Energiebedarf der Gebäude auf ein Minimum zu reduzieren. Beispielsweise kommen an der Außenfassade Steinwollfaserplatten als Außendämmschicht eines WDV-Systems zum Einsatz. „Neben guten Wärmedämmwerten bietet dies zwei weitere Vorteile“, erklärt Schierenbeck: „Erstens ist das Material nicht brennbar und zweitens bietet es einen besonders hohen Schallschutz, der wegen der Nähe zum Bahnhof gefordert war.“
Ein weiterer Baustein sind die Außenjalousien an den Fenstern, die nicht wie häufig üblich hinter der Fassade platziert werden, sondern Teil der Außenfassade sind, um eine Kopplung und weitere Wärmebrücken in den Innenraum zu unterbinden. Alle Wohnungen sind zudem mit dezentralen Wohnraumlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. All diese den Energieverbrauch positiv beeinflussenden Maßnahmen führen im Ergebnis zu sehr geringen Primär- und Endenergiebedarfen der Gebäude von 17,9 kWh/(m²a) (= Primärenergiebedarf) und 10,0 kWh/(m²a) (= Endenergiebedarf) für das Gebäude mit zwölf Wohnungen und 19,7 kWh/(m²a) (= Primärenergiebedarf) und 10,9 kWh/(m²a) (= Endenergiebedarf) für das Gebäude mit acht Wohneinheiten.
Die gebäudetechnische Herausforderung für das Bauvorhaben in Weyhe bestand darin, eine zukunftsfähige Wärmeversorgung für den gut gedämmten Mehrfamilienhaus-Neubau zu entwickeln und umzusetzen. Am Markt stehen hierfür unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, von denen jedoch keine so gut für dieses Gebäude in Frage kam wie ein Wärmepumpensystem, das die Wärme der Außenluft nutzt. Generell hat jede Wärmequelle für Wärmepumpen ihre Vor- und Nachteile. Der unbestrittene Vorteil von Luft/Wasser-Wärmepumpen ist ihre einfache, kostengünstige Erschließung der Wärmequelle.
„Das Entscheidende waren hier die deutlich geringeren Investitionskosten gegenüber Erd- oder Sole-Wärmepumpen. Denn da spielten die Luft/Wasser-Wärmepumpen ihre Vorteile der kostengünstigen und flexiblen Installation voll aus“, so Schierenbeck. Für eine Luft/Wasser-Wärmepumpe sprach aus Bauherrensicht auch, dass die Wärmequelle Luft den geringsten baulichen Aufwand von allen Wärmepumpenlösungen erfordert.
Da die Gebäudeverwaltung einen Ökostromtarif gewählt hat, stammt die gesamte Gebäudeenergieversorgung, also Strom plus Heizung plus Brauchwarmwasser, zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen. Zum Einsatz kommen fünf kompakte „Ecodan“-Luft/Wasser-Wärmepumpen des Herstellers Mitsubishi Electric, die als Zweier- bzw. Dreier-Kaskade im Außenbereich installiert wurden. Jedes der fünf „Ecodan“-Außengeräte verfügt über 11,2 kW Wärmeleistung. Damit decken die beiden Wärmepumpen-Kaskaden die Heizlast von 26,5 kW für das größere der beiden Gebäude und 17,8 kW für das kleinere Gebäude problemlos ab und können gleichzeitig noch genügend Wärme für die Brauchwarmwasserbereitung zur Verfügung stellen.
Die Kaskadierung von Wärmepumpen bringt zahlreiche Vorteile gegenüber einer einzelnen Wärmepumpe mit entsprechend großer Leistung. Denn so können die Einheiten gleichzeitig im Teillastbetrieb arbeiten. Dadurch ergibt sich ein sehr großer Modulationsbereich zwischen der minimalen Leistung des Einzelgerätes und der maximalen Leistung der Kaskade. Das ist, laut Hersteller, wesentlich effizienter als nur ein Modul in Volllast zu fahren. Außerdem bietet eine Kaskade eine Redundanzfunktion bei Ausfall oder bei der Wartung von Einzelgeräten des Systems und führt so zu einer erhöhten Betriebssicherheit. Darüber hinaus werden die Gesamtlaufzeiten der Einzelmodule reduziert und damit die Lebensdauer erhöht.
Ein besonderes Merkmal der hier eingesetzten Heiztechnik ist, dass die Wärmepumpen über die patentierte „Zubadan“-Verdichter-Technologie verfügen. Das dabei eingesetzte Einspritzverfahren optimiert die verfügbare Heizleistung. Das heißt, die Wärmepumpen können auch bei sehr niedrigen Außentemperaturen von bis zu -15 °C noch 100 Prozent ihrer Heizleistung erbringen. Gleichzeitig erweitert sich der untere Einsatzbereich auf bis zu -28 °C Außentemperatur, bei dem die Wärmepumpen eine für den Heizbetrieb nutzbare Vorlauftemperatur zur Verfügung stellen können. Damit ist es möglich, das Gebäude mit Wärme zu versorgen und auch bei tiefen Außentemperaturen auf Unterstützung eines elektrischen Heizstabes oder einen zusätzlichen Wärmeerzeuger zu verzichten.
Die hydraulische Einbindung der Wärmepumpen war denkbar einfach. Sie funktioniert im Grunde wie bei einer herkömmlichen Heizungsanlage: Für jede Wärmepumpen-Außeneinheit steht ein „Hydromodul“ im Technikraum zur Verfügung. Dies ist eine unkomplizierte Art, die Heiz- und Wärmepumpenkreisläufe hydraulisch voneinander zu entkoppeln und gleichzeitig einen konstanten Kältemittelvolumenstrom zu gewährleisten.
Darüber hinaus ist in jede Anlage noch ein Pufferspeicher eingebunden, der die Wärme nicht nur speichert, bis sie abgerufen wird, sondern auch zur Überbrückung von Sperrzeiten des Stromversorgers dient. Gleichzeitig stellt der Pufferspeicher Energie für die Abtauung der Außenmodule bereit. Die Wärmeverteilung bzw. Wärmeübergabe erfolgt in dem Mehrfamilienhaus flächendeckend durch Fußbodenheizungen.
Zur Brauchwarmwasserbereitung ist in jedem der beiden Technikräume noch ein weiterer Speicher untergebracht. Hier wird bei einer Speichertemperatur von nur 52 °C Brauchwarmwasser vorgehalten. Zur Verteilung verfügt jede Wohneinheit über eine eigene Wohnungsübergabestation, die parallel zur Heizungsversorgung auch die Brauchwarmwasserdistribution übernimmt.
Das Mehrfamilienhaus hat ausstattungsmäßig sogar noch mehr zu bieten: Drei Wohnungen verfügen auf Wunsch der jeweiligen Eigentümer über kompakte Split-Klimaanlagen. Dabei sind zwei Wohnungen mit einem Innen- und einem Außengerät der „Diamond“-Serie von Mitsubishi Electric ausgestattet und eine Wohnung hat zwei Klima-Innengeräte sowie ein „Mr. Slim“-Außengerät.
Bei Planung und Bau dieses barrierefreien Mehrfamilienhauses standen Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit an vorderster Stelle. Deshalb wurde hier nach effizienten Lösungen gesucht, um den Energiebedarf der beiden Gebäudeteile auf ein Niveau unterhalb des KfW-Effizienzhaus-55-Standards zu bringen. Mit zahlreichen Maßnahmen zur Gebäudedämmung, der Vermeidung von Wärmebrücken und einer kontrollierten Wohnraumlüftung konnte dies erreicht werden. Der verbleibende Wärmebedarf für Heizung und Brauchwarmwasser wird durch zwei Luft/Wasser-Wärmepumpen-Kaskaden abgedeckt.
Weiterführende Informationen: https://www.mitsubishi-les.com/
Samstag, 29.05.2021