Neues Wärmepumpensystem für die Sanierung von Mehrfamilienhäusern

Wie sieht die Effizienz einer Wärmepumpe im Verbund mit den vorhandenen Radiatoren aus und welche Maßnahmen sind vertretbar?

Wärmepumpen zur Sanierung des Wohngebäudebestands stellen nicht nur spezielle Anforderungen an die Systeme zur Wärmeübergabe an den Raum und an die Brauchwarmwasserbereitung. Auch die Nutzbarmachung der Umweltwärme stößt auf Barrieren: kostenmäßige, technische und administrative. Das Verbundprojekt "Low-Ex-Konzepte für die Wärmeversorgung von sanierten Mehrfamilien-Bestandsgebäuden (LowEx-Bestand)" analysiert, entwickelt und demonstriert umsetzbare, wirtschaftliche Ansätze und Lösungen, die direkt oder indirekt die Wärmepumpe ansprechen. Indirekt etwa in Form von Arbeiten zur Witterungsbelastung von Fassadenkomponenten zur Senkung des Wärmebedarfs, um Wärmepumpen altbautauglich zu machen. Die Partner kommen aus der Forschung (Fraunhofer ISE, Uni Freiburg, Karlsruher Institut für Technologie), der Heizungsindustrie (u.a. Bosch, Fahrenheit, Kermi, Stiebel Eltron, Viessmann, Westaflex), der Energie- und der Wohnungswirtschaft.

Geplante Verbrauchshalbierung

Ein Vorhaben aus dem Paket "LowEx-Bestand", das dieses Jahr in die Realität umgesetzt werden soll, betrifft die beispielhafte Realisierung eines komplexen Energieversorgungskonzepts für fünf ältere Mehrfamilienhäuser (MFH) in Karlsruhe-Durlach. Der Plan sieht anstelle der derzeitigen Energieversorgung (Heizzentralen mit Erdgaskesseln, Haushaltsstrom aus dem Netz) ein "teilautarkes" Energiesystem vor, bestehend aus einem Erdgas-BHKW (80 kW!SUB(el)SUB!, 130 kW!SUB(th)SUB!), zwei leistungsgeregelten Wärmepumpen und PV-Anlagen (< 100 kW!SUB(p)SUB!) auf den Dächern der MFH. Das System soll möglichst viel lokale Energie (Solarenergie, Umweltenergie) selbst nutzen beziehungsweise möglichst wenig Überschuss-Strom ins Netz zurückspeisen, unter anderem deshalb, um Netzrückwirkungen zu minimieren. Die Beteiligten erhoffen sich aus dem Konzept eine Halbierung des Primärenergieverbrauchs für Wärme und Haushaltsstrom der 1995 teilsanierten Gebäude.

Zum Stichwort "teilsaniert": Der Heizwärmebedarf der Objekte in Karlsruhe liegt aufgrund der Dämmmaßnahmen bei 53 kWh/m2·a. Eine Wärmepumpe liefert auf Basis dieses Werts eine vernünftige Jahresarbeitszahl ab, wenn die Vorlauftemperatur in Grenzen bleibt, die im Altbau üblichen Radiatoren müssen also "mitspielen". Wo liegen aber die wirtschaftlichen Grenzen? Oder zwingt der Tausch eines Kessels gegen eine Wärmepumpe zur aufwändigen Ausstattung der Wohnungen mit einer Fußboden- oder Wandheizung, was den Sanierungsmarkt erheblich schwächen würde? Fraunhofer ISE ging im Rahmen von "LowEx" auch dieser Frage nach. Kommt das modellierte Energiesystem mit der bestehenden Wärmeübergabe zurecht, ist es auf eine Vielzahl von Quartieren in Deutschland kosteneffizient übertragbar, mit einem erheblichen Potential an CO!SUB(2)SUB!-Einsparung im Gefolge.

Neues Wärmepumpenkonzept

Der Markt könnte darüber hinaus anwachsen, wenn die Teilprojekte AP 1, AP 2 und AP 3 ebenfalls zu einem positiven Ergebnis führen. AP 1: Aufgrund zum einen der Kosten und zum anderen der geringen nutzbaren Grundstücksfläche der Gebäude im innerstädtischen Bereich beziehen sich die Anfragen der Wohnungswirtschaft mehrheitlich auf die Wärmequelle Außenluft. Die ist allerdings vergleichsweise ineffizient und die Installationen unterliegen den Auflagen der TA Lärm. Man denke nur an den enormen Luftdurchsatz zur Wärmebedarfsdeckung eines MFH. Das schränkt die Realisierung ein. Die Kombination von sowohl Außenluft als auch Geothermie als Energieressource zu einem einzigen hydraulischen System gibt der Dimensionierung Spielraum in Richtung Minimierung der beiden Wärmequellenanlagen, sodass sich die Abstriche an ihren Einsatzmöglichkeiten reduzieren.

AP 2: Der dezentralen Wohnraumlüftung kann eine Schlüsselrolle in der MFH-Sanierung zukommen. Das Teilprojekt kümmert sich deshalb um die bedarfsgeführte energiesparende Regelung. Darüber hinaus steigen die Anforderungen an dezentrale Lüftungsgeräte, wie Kompaktheit, Wärmerückgewinnung und Geräuschentwicklung, stetig. In AP 3 soll diesen Anforderungen mittels Einsatz eines Koaxial-Wärmeübertragers begegnet werden.

Partner des Fraunhofer ISE und Förderer der drei Teilprojekte AP 1, 2 und 3 mit dem Titel "HEAVEN – Modulierende Sole-Wärmepumpe mit Mehrquellensystem und dezentrale Lüftungsanlagen" ist Viessmann. "HEAVEN" steht dabei für "Heating and Ventilation" (= Heizung und Lüftung).

Die Aufgaben

Die konkreten Aufgabenstellungen lauten wie folgt:

Diese Arbeiten laufen noch bis Ende des Jahres. Auf der Jahrestagung 2019 des Deutschen Kälte- und Klimatechnischen Vereins (DKV) präsentierte Manuel Lämmle vom Fraunhofer ISE aber das Ergebnis jener angesprochenen Vorarbeit, die sich mit der Eignung vorhandener Radiatoren im wärmegedämmten Altbau zur Kopplung mit einer Wärmepumpenanlage beschäftigt. Im Folgenden Auszüge aus seinem Vortrag:

Probleme mit dem Bestand

Für einen zukünftigen klimaneutralen Gebäudebestand sind neben der Sanierung der Gebäudehülle energieeffiziente Wärmeversorgungskonzepte für bestehende MFH von zentraler Wichtigkeit, da sich ein Großteil der MFH in einem unsanierten oder teilsanierten Zustand befindet. Damit verbunden sind ein hoher spezifischer Wärmebedarf und aufgrund fossiler Heizungstechnik hohe spezifische CO!SUB(2)SUB!-Emissionen. Die bestehende Versorgungstechnik in Bestands-MFH stellt allerdings den dortigen Einsatz von Wärmepumpen vor Herausforderungen in Bezug auf hohe Temperaturniveaus.

Zum einen muss in zentralen Systemen für die Gewährleistung eines legionellenfreien Warmwasserbetriebs eine Austrittstemperatur von 60 °C am Trinkwarmwasserspeicher immer gewährleistet sein und der gesamte Speicher muss täglich auf diese Temperatur erwärmt werden, sofern keine Sonderlösungen wie Ultrafiltration umgesetzt werden. Zum anderen reduzieren unnötig hohe Heizkreistemperaturen die Arbeitszahl von Wärmepumpen. In Kombination mit einem hydraulischen Abgleich stellt der Austausch einzelner Heizkörper eine wirksame Möglichkeit dar, das Wärmeübergabesystem für "Low-Ex"-Technologien durch Absenkung der Systemtemperaturen zu ertüchtigen. Bei dieser minimalinvasiven Maßnahme werden lediglich die kritischen, die am kleinsten dimensionierten Heizkörper ausgetauscht, während das Wärmeverteilsystem und die überwiegende Zahl der Heizkörper nicht verändert werden.

Das Forschungsprojekt "Smartes Quartier Durlach" konzentriert sich auf fünf Gebäude des Baujahrs 1963 in Karlsruhe mit jeweils 30 bis 40 Wohneinheiten. Sie wurden 1995 energetisch saniert und weisen im Mittel einen spezifischen Heizwärmebedarf von 53 kWh/m²·a auf. Drei der MFH erhalten ihre Wärme via Nahwärmeschiene von einem BHKW, zwei von jeweils einer Wärmepumpenanlage. Als Wärmequellen sollen, laut Plan, der einen Wärmepumpe PVT-Kollektoren (PVT = Photovoltaik und Thermie) auf den Dächern der Objekte, der anderen Wärmepumpe die Kombination von Geothermie und Außenluft mit Hilfe einer speziellen hydraulischen Einheit (vgl. "HEAVEN") dienen.

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Geringe Austauschrate

Im Forschungsvorhaben liegt das Gewicht auf der Wärmeerzeugungsseite. Eingriffe in die bestehenden Verteil- und Übergabesysteme, insbesondere in den Wohneinheiten, müssen sich auf ein Mindestmaß beschränken. Im Rahmen des Forschungsprojekts berechneten die Fachplaner des Ingenieurbüros Schuler (IBS) die raumweise Heizlast ent-sprechend DIN EN 12831 für eine Außentemperatur von -12 °C (Solltemperaturen Schlafzimmer, Küche und Kinder-zimmer 20 °C, Wohnzimmer 22 °C, Bad 24 °C). Die Leistung der installierten Heizkörper entnahm IBS den Datenblättern der Hersteller.

Der Wärmepumpenbetrieb verlangt eine Absenkung der Systemtemperaturen gegenüber der Heizung mit Erdgas-kessel. Mit welcher Spreizung kommt der Bestand unter Berücksichtigung des Austauschs einiger weniger unterdimensionierter Heizkörper zurecht? Ein Vergleich der installierten Heizkörperleistung bei vier verschiedenen Systemtemperaturen mit der Norm-Heizlast des jeweiligen Raums führte zu folgendem Ergebnis:

Die Räume mit Engpässen befinden sich dabei hauptsächlich in Eckzimmern und in den Wohnzimmern im Obergeschoss mit relativ hohen Transmissionswärmeverlusten. Hierfür wurde jeweils eine Toleranz von 100 W angenommen: Wenn eine Heizkörperleistung nur knapp unterhalb der raumweisen Norm-Heizlast liegt, kann auf einen Austausch verzichtet werden.

Außenluft versus Geothermie

Die Auswirkungen von abgesenkten Systemtemperaturen auf die Jahresarbeitszahl (JAZ) und den Strombezug der Wärmepumpe wurden mittels Jahressimulation untersucht. Dazu wurden zwei Typen von Wärmepumpe mit jeweils 60 kW Nenn-Wärmeleistung verglichen: Eine Außenluft/Wasser-Wärmepumpe (Luft-WP) mit einer Leistungszahl von 3,7 bei A2/W35 sowie eine Sole/Wasser-Wärmepumpe mit Erdwärmesonden (Erd-WP) mit einer Leistungszahl von 4,8 bei B0/W35.

Das Gebäude besitzt eine Heizlast von 60,4 kW und eine durchschnittliche Last zur Erwärmung des Trinkwassers und Deckung der Speicher- und Zirkulationsverluste von 7,4 kW – also eine kombinierte Wärmelast von 67,8 kW bei einer Normaußentemperatur von -12 °C. Für eine einfache Bewertung des Systems wird ein monoenergetisches System betrachtet: Wenn die Heizleistung der Wärmepumpe zur Deckung der Last nicht ausreicht oder wenn die maximale Vorlauftemperatur der Wärmepumpe von 65 °C überschritten wird, liefert ein E-Heizstab die fehlende Leistung. Der Einsatz des Zusatzerzeugers erfolgt im bivalent-parallelen Modus, das heißt, der Heizstab wird parallel zur Wärmepumpe zugeschaltet.

Gestiegene Jahresarbeitszahlen

Die abgesenkten Systemtemperaturen steigern die Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpen für die Raumwärme deutlich: Bei der Luft-WP klettert die JAZ von 2,7 bei 70/55 um 21 Prozent auf 3,3 bei 55/45. Die Erd-WP erzielt bei 70/55 eine JAZ von 3,2. Eine Absenkung der Systemtemperaturen auf 55/45 verbessert die JAZ um 28 Prozent auf 4,1. Unter Berücksichtigung des Strombedarfs für die Zusatzheizung beträgt damit die Reduktion des Strombezugs für die Luft-WP 4,2 kWh/m²·a bzw. 18,5 Prozent und für die Erd-WP 3,9 kWh/m²·a bzw. 22,7 Prozent.

Zur Bewertung der ökonomischen Machbarkeit der "Low-Ex"-Maßnahme müssen die Kosten für den Austausch der Heizkörper den eingesparten Betriebskosten der Wärmepumpe durch geringeren Stromverbrauch über deren Betriebszeit gegenübergestellt werden. Der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung liegen folgende Annahmen zu Grunde: Investitionskosten für den Austausch je Heizkörper 500 Euro; sie setzen sich aus Kosten in Höhe von 250 Euro je Heizkörper (500 W Heizleistung bei 70/55) und 250 Euro für die Installation zusammen; Zinssatz 3 Prozent, Nutzungsdauer 20 Jahre, Strom-Bezugspreis 0,21 Euro/kWh. Der CO!SUB(2)SUB!-Emissionsfaktor für Bezug von Strom aus dem Stromnetz beträgt 523 g/kWh, der von Erdgas 220 g/kWh bezogen auf den Heizwert.

Einsparungen höher als Ausgaben

Daraus ergeben sich, je erzielter Systemtemperatur, unterschiedliche Investitionskosten für den Austausch der Heizkörper. Um Nenn-Vorlauf- und -Rücklauftemperaturen von 55/45 zu erreichen, müssen beispielsweise 17 Heizkörper ausgetauscht werden, was einer annuisierten jährlichen Abschreibung der Investitionskosten in Höhe von 571 Euro/a entspricht. Demgegenüber stehen die eingesparten Stromkosten durch die verbesserten Jahresarbeitszahlen und einen verringerten Einsatz der Zusatzheizung. Bei Systemtemperaturen von 55/45 werden bei dem betrachteten Luft/Wasser-Wärmepumpensystem beispielsweise 9.024 kWh/a gegenüber Systemtemperaturen von 70/55 eingespart. Bei den angelegten Strompreisen von 0,21 Euro/kWh entspricht dies einer jährlichen Einsparung der Stromkosten von 1.410 Euro/a. Vergleicht man die Investitionskosten für die Heizkörper mit den eingesparten Stromkosten, ergibt sich daraus insgesamt eine annuisierte jährliche Einsparung von 838 Euro/a. Bei dem untersuchten Erdwärmesonden-Wärmepumpensystem betragen die Einsparungen 746 Euro/a.

Dienstag, 04.08.2020