Die Industrie sieht das Thema nicht so dramatisch. Voraussetzung sei, dass sich die Netzbetreiber mehr als in der Vergangenheit um ihr Niedervoltnetz kümmerten. Ehrhardt: „Sie stehen vor einer großen Digitalisierungsaufgabe. Sie müssen dem Verteilnetz eine Intelligenz geben. Die fehlt bis heute. Die gestattet es dann unter anderem, etwa auch über thermische Speicher Lastverschiebungen vorzunehmen.“ Ganz von der Stromversorgung getrennt werden, sollen die Heizungen und Ladegeräte in kritischen Phasen ohnehin nicht, hatte Müller der FAS gesagt: „Wir wollen eine Mindestversorgung jederzeit garantieren.“
Wärmepumpenstrom noch zu teuer
Was bewirkt der Energiepreisdeckel? Die aktuelle BWP-Branchenstudie erklärt: „Der sprunghafte Nachfrageanstieg in 2022 ging auf die Sorge von Verbrauchern zurück, dass die Versorgung mit Erdgas in den kommenden Jahren nicht mehr gewährleistet oder jedenfalls mit starken Preisanstiegen verbunden sei. Rechnet man mit 13 bis 20 Cent für eine Kilowattstunde Erdgas gegenüber 27 bis 35 Cent für eine Kilowattstunde Strom als Annuitäten von 15 Jahren Betriebsdauer, weist eine Wärmepumpe bereits bei einer Jahresarbeitszahl JAZ zwischen 2 und 3 Kosteneinsparungen gegenüber einem Gaskessel auf (Prognos AG 2022). Für die bevorstehenden Monate der Marktentwicklung können jedoch die im Dezember 2022 vom Bundestag verabschiedeten Energiepreisbremsen für Gas und Strom eine dämpfende Wirkung haben. Zwar beziehen sich die eingezogenen Preisdeckelungen bei 12 Cent (Erdgas) und 40 Cent (Strom) nur auf die nächsten beiden Heizperioden. Bei vielen Verbrauchern könnten sie jedoch ein falsches Signal setzen, denn das Preisverhältnis zwischen den beiden Energieträgern verschiebt sich damit wieder zugunsten des Erdgases. Um die Marktdynamik zugunsten von Wärmepumpen aufrecht zu erhalten, muss die Bundesregierung folglich weitere Maßnahmen zur Strompreisentlastung ergreifen. Einsparungen in den Heizkosten sind für Gebäudeeigentümer wichtig, um die Mehrkosten bei der Anlagenanschaffung und -installation zu kompensieren.“
Ein Fall für Contractoren
Die BWP-Branchenstudie 2023 sieht ein deutlich gestiegenes Interesse von Immobiliengesellschaften, Stadtwerken, Contractoren an Wärmenetzen mit Großwärmepumpen mit Heizleistungen im Minimum über 20 kW bei der Wärmequelle Luft und 50 kW bei anderen Wärmequellen (Erdwärme, Abwasser, Abwärme, Grundwasser) beziehungsweise an bestehenden Förderprogrammen (Wärmenetzsysteme 4.0, innovative KWK-Systeme, Gebäudenetze in der BEG, Bundesförderung für effiziente Wärmenetze – BEW). Mehrheitlich läuft die Nachfrage auf Nahwärmenetze mit 100 kW Wärmeleistung bis hin zu großen Versorgungsprojekten mit Großwärmepumpen von bis zu 50 MW hinaus. Hier fehlen allerdings noch konkrete statistische Zahlen. Sie stehen seit 2022 auf dem Untersuchungsprogramm.
Für den Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie gewährt das BAFA-Programm „Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft“ (EEW) ebenfalls hohe Fördersätze. Dabei lassen sich die beiden Bereiche Industrie und Wohnungsbau auch zusammenführen: Zum Beispiel über Hochtemperatur-Wärmepumpen kann gewerbliche Abwärme in Wärmenetzen zur Raumwärmeversorgung direkt eingebunden werden. Oder im Falle von Niedertemperatur-Wärmequellen – etwa Sonden, Abwasser, Flüsse und Seen – kann „Kalte Nahwärme“ zu den Abnehmern fließen, wo sie dann auf die benötigte Raumtemperatur angehoben wird. Nicht nur Neubauquartiere kommen dafür infrage. Contractoren und Planer entwerfen bereits Konzepte für bestehende Siedlungen mit dem besonderen Charme einer mindestens zehnjährigen Festpreisgarantie für die gelieferte Kilowattstunde Wärme.