Verantwortung bis zur Schnittstelle
Vollsortimenter als Unternehmen oder in Kooperation?
Grimm:
Sowohl als auch. Unsere Mitglieder sind zwar auf die wasserbasierte oder elektrische Flächenheizung spezialisiert, aber nicht jeder deckt alle Produktbereiche ab. Da ist dann natürlich auch die Kooperation zwischen unseren Mitgliedern sehr hilfreich. Und natürlich die Einhaltung der in der BVF-Schnittstellenkoordination definierten Regeln.
Stahl:
In Bezug auf die Mitgliedschaft gab es Zeiten, da hatten wir eine Art Clubcharakter. Wir entschieden darüber, wer zu uns passt und wer nicht. Wir werden uns öffnen müssen, allein aus der Tatsache heraus, dass immer mehr andere Gewerke eine Rolle spielen. Wir haben uns bereits geöffnet, so dass Fachhandwerksbetriebe, die sich auf Flächenheiz- und -kühlsysteme spezialisiert haben, bei uns neuerdings Mitglieder sind und werden können, außerordentliche Mitglieder. Das werden wir im Rahmen ausbauen. Weil es für unsere herstellenden Unternehmen interessant ist, die Erfahrungen der verarbeitenden Unternehmen kennenzulernen und umgekehrt. Wir pflegen ebenfalls die Kontakte zu den Handwerksverbänden, aber denen können wir natürlich nicht zu viel zumuten in dem Sinne, dass die einen starken Fokus auf Flächenheizungen legen. Die müssen sich um sehr viele andere Produkte, Systeme, Anforderungen und Probleme kümmern.
Die Gewerke- und Systemvielfalt verlangt ferner, uns intensiv mit Building Information Modeling (BIM) zu beschäftigen. Spätestens dann, wenn wir in die Decke gehen, wo Architektur, also Deckengestaltung, eine Rolle spielt, wo die Gewerke Lüftung, Elektrik, Akustik aufeinander stoßen. Wir werden uns bemühen, Player aus diesem Segment für uns zu reklamieren und werden dann das Thema BIM als Verband begleiten. Ein ganz wichtiger Aspekt. Wir stehen vor der Zeitepoche des modularen Bauens.
BIM und modulares Bauen
Das war schon früher die Vision schlechthin. Die Umsetzung hielt sich in Grenzen.
Stahl:
Stimmt, aber die Digitalisierung ist jetzt ein unbeugsamer Treiber. Das Mauern Stein auf Stein passt da nicht hinein. Wir müssen hellwach sein, um mit unserer Flächenheizung und Flächenkühlung Platz zu finden in diesen Modulen, die ja gestaltet werden wollen. Da spielt BIM für uns die maßgebliche Rolle.
Zurück zum Wohnungsbau allgemein. Die Sanierung hatten wir vorhin nur gestreift. Wir schieben ein beachtliches Volumen vor uns her, Herr Stahl, Herr Grimm. Sie verwiesen auf die Wand- und Deckentemperiersysteme als machbare Installationen, die vermutlich auch kein vorübergehendes Umsiedeln zu Verwandten oder ins Hotel bedingen...
Stahl:
Sie sprechen da einen entscheidenden Punkt an. Die Wohnungsbaugesellschaften suchen doch händeringend nach Lösungen, ohne dass die Mieter ausziehen müssen. Wand- und Deckenheizungen verlangen das nicht. Die Fläche für den Austausch der Radiatoren gegen eine Niedertemperaturheizung ist nicht der Boden mit dem althergebrachten Einfräsen, es ist die Decke.
Nun kommt aber die nach wie vor gültige Einschränkung, die schon immer gegolten hat und die ich auch der Geschäftsführerin des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft sagen musste, als die bei uns nach empfehlenswerten Verfahren nachfragte: Für den ungedämmten Gebäudebestand aus der Zeit vor der ersten Wärmeschutzverordnung können wir nichts tun. Zunächst muss man sich das Gebäude anschauen: Wie sieht die thermische Hülle aus? Wie hoch ist die Heizlast, die ich zu erbringen habe? Wenn am alten Gemäuer nichts getan ist oder wird, lasse man die Finger vom Auftrag. Die Heizlast ist einfach zu groß, um sie mit 30 oder 35 °C Vorlauftemperatur abdecken zu können. Das gilt auch für die Deckenheizung.
Ein Urteil, das wach machen sollte
Ich spreche den Punkt Dämmung und Aufklärungspflicht des Anlagenbauers noch aus einem zweiten Grund an. Meines Wissens ist zum ersten Mal – zumindest höre ich das zum ersten Mal – ein Installationsunternehmen dazu verurteilt worden, eine Wärmepumpe rückzubauen und alle Kosten zu tragen, weil es einem Bauherren verschwiegen hat, dass die Wärmepumpe permanent auf Hochtemperatur fahren muss, da das Uralthaus aufgrund seiner mangelhaften Isolierung nicht mit niedrigen Vorlauftemperaturen warm zu kriegen ist. Klar, dass in diesem Fall die Stromrechnung höher kletterte als die frühere Heizölrechnung. Der Auftraggeber wollte aber Kosten sparen, was ihm der Heizungsbauer auch versprochen hatte. Den Fall kann jeder nachlesen, ich habe mir das Aktenzeichen notiert: OLG Oldenburg, AZ 3 U 5/13.
Ich will damit sagen, auch die neuen Systeme eignen sich nicht für alle Sanierungsfälle. Besser als die Betonkerntemperierung mit ihrem massiven Oberbau passen sie sich jedoch in Smart-Grid- und Smart-Home-Netzen wegen ihrer geringeren Trägheit ein. Die Möglichkeit der Regelung und die Regelkonzepte, so sieht es im Moment aus, könnten bei der Wahl der Heizung folglich mehr als bisher eine Rolle spielen.
Ich sage bewusst "könnten". Weil eine andere Meinung in die Richtung geht, so wenig wie möglich künstlich in eine Stabilisierung der Raumtemperatur einzugreifen. Die Dänen machen es uns schon vor. Sie leugnen nicht, dass sich der Mensch am wohlsten fühlt, wenn er einem möglichst gleichmäßigen Temperaturprofil ausgesetzt ist. Nur verzichten sie auf das Invest in eine intelligente Regelung, indem sie eine Bauweise anstreben, die ohne aufwendige Digitaltechnik auskommt. Die natürliche Innenraumtemperatur soll zwischen Winter und Sommer um nicht mehr als fünf Kelvin schwanken. Zu diesem Zweck verpflanzen sie neuerdings in einigen Objekten das Flächen und -kühlsystem in die Außenfassade des Gebäudes. Im Winter schicken sie einige Liter Solarthermie durch die Rohrschlangen und im Sommer beispielsweise kühles Grundwasser. Sie gaukeln damit den Innenräumen eine weitgehend ganzjährig einheitliche Außentemperatur vor.
Flächenheizung in der Außenfassade
So ein Testhaus steht auch in Ennigerloh in der Nähe von Warendorf in Westfalen. Die frühere Firma Velta war daran beteiligt. Man müsste dann natürlich die EnEV umstrukturieren, doch wo ein Wille, da ein Weg.
Stahl:
Ja, es gab vor einiger Zeit derartige Experimentierhäuser auch hierzulande. Die Idee beginnt jetzt wieder neu zu reifen. Ähnlich neue Nahrung bekommen die Systeme für große Leichtbauhallen mit einer Hülle aus Sandwichelementen. Die will man innen und außen mit kleinsten Kapillaren bestücken, um einen ähnlichen Effekt wie den beschriebenen zu erzielen. Vor etwa 15 Jahren machte ThyssenKrupp/Hoesch mit der "Thermowand" den Vorreiter. Diese Ausführung lebt jetzt wieder neu auf. Leider kommen die Innovationen von außen. Die Heizungstechnik ist von Haus aus sehr konservativ. Wir leisten uns den Luxus, mit viel zu dicken Rohren heute noch Heizungen zu bauen. Die Elektrobranche macht uns das vor, mit dünnsten Drähten. Das könnten wir mit Warmwasser auch und dann haben wir Spielfelder, wo Dinge zusammenwachsen. Nehmen wir nur mal das Thema Trockenbau, der ist geprägt von mineralischen Materialien, die durchaus prädestiniert sind, auch als sogenanntes Sandwichprodukt mit solchen kleinen Röhrchen als Modul in einen Baukörper eingebracht zu werden. Das ist die Zukunft.
Grimm:
Sie sehen, wir haben einen dicken Aufgabenkatalog vor uns liegen. Nach einer neueren Erhebung des Schornsteinfegerverbands sind von den 21 Mio. Wärmeerzeugern in Deutschland nur 17 Prozent effizient und nutzen zumindest teilweise erneuerbare Energien. Im Bestand ist unser Wachstumspotential folglich riesig, erstens weil viel saniert werden muss und zweitens, weil der Marktanteil der Flächenheizsysteme in diesem Sektor noch überschaubar ist.
Dabei ist die Flächenheizung durchaus als Basistechnologie für die Energiewende anerkannt. Hier müssen wir gute Arbeit leisten, müssen unsere Mitglieder gut beraten und auch noch einige altbaugerechte Systeme initiieren. So des Typs aquatherm "black": vorgefertigte Module, die sich maßgerecht in jegliche Lücken oder auf Freiflächen montieren lassen. Geeignet als Kühldecke in Großraumbüros über Sonderanwendungen, wie mobile Heiz- und Kühlelemente im Ladenbau, bis hin zur Wandheizung im Einfamilienhaus. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
In diese Richtung, in vielseitig verwendbare, modulare Niedertemperatur-Strahlungselemente, geht sicherlich die Reise. Auch aus diesem Grund hat die Firma aquatherm gemeinsam mit der Firma Huf Haus, dem Planungsbüro Etgenium und dem Heizungsbauer Jupp Willing den BVF-Award 2016 gewonnen. Auf diesen Zug sollten die Unternehmer, die Heizungsbauer und die Planer aufspringen. Dann stimmt für alle der Markt. Wir werden uns bemühen, mit technischer und marketingorientierter Grundlagenarbeit zu unterstützen.
Beleg der Qualität
Was steht noch auf Ihrer Agenda?
Grimm:
Die breite Bekanntmachung des BVF-Gütesiegels. Es gibt ja viele Anbieter im Markt, wie soll man da erkennen, wer in Sachen Qualität und Service leistungsfähig ist. Diese Orientierung bietet das BVF-Gütesiegel seit vier Jahren. Das Siegel darf nur von Unternehmen genutzt werden, die umfangreiche Prüfkriterien erfüllen. Diese beziehen sich auf Qualitätsmerkmale wie die Einhaltung von technischen Regeln und gesetzlichen Bestimmungen, auf die Produkthaftung und Gewährleistung sowie auf die technische Beratung und den Support.
Ferner sind wir dabei, einen sogenannten Gutachterpool aufzubauen, sodass wir Anfragen zu Problemen in kompetente Hände legen können. Wir als Verband sind ja nicht berechtigt, direkte Empfehlungen auszusprechen oder Gutachten auszustellen. Wir denken an einen Pool und damit an eine Landkarte mit Adressen, die wir als Verband weiterreichen wollen. Und ebenfalls wollen wir natürlich durch den Austausch mit den Sachverständigen dazulernen. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt in 2017 wird unsere neue Homepage sein, die noch mehr Inhalt und Nutzen für die Zielgruppen Handwerk, Planer, Architekten und Endkunden bereitstellen wird und das in benutzerfreundlicher und optisch ansprechender Weise – am Computer und am Smartphone. Wir möchten dadurch auch die hohe Zahl von 2,4 Mio. Seitenaufrufen pro Jahr halten und steigern.
Stahl:
Und wir überlegen des Weiteren intensiv, wie können wir noch mehr Dienstleister für unsere Mitglieder und für Firmen sowohl aus dem Bereich Elektroflächenheizungen als auch aus dem Bereich warmwasserbasierte Flächenheizung werden. Wir müssen stichhaltige Argumente auf die Frage parat halten: "Was habe ich von der Mitgliedschaft?" Die Antworten müssen nach innen wie nach außen – ich denke an die Mitgliederwerbung – überzeugen. Sie sehen, es gibt sehr viel zu tun.