Wir stehen vor der Zeitepoche des modularen Bauens. Wie passt da die Fußbodenheizung hinein, wollte das HeizungsJournal von Ulrich Stahl, Vorsitzender, und Michael Grimm, Geschäftsführer des Bundesverbands Flächenheizungen und Flächenkühlungen e.V. (BVF), wissen. Und warum das Niedertemperatursystem in der EnEV mit den Heißluftgebläsen gleichgeschaltet ist? Und wie es mit der Verantwortung aussieht, wenn mehrere Gewerke mitmischen? Und warum die Dänen die Fußbodenheizung neuerdings in die Außenfassade einmauern…?
Flächenheizung muss BIM-fähig werden
Interview mit Ulrich Stahl und Michael Grimm vom BVF
Donnerstag, 30.03.2017
Er hat einige stattliche Aufgaben vor sich, der Bundesverband Flächenheizungen und Flächenkühlungen. Die Wärme aus dem Boden gilt sowohl im Wohnungs- als auch im Nichtwohnungsbau bis hin zum Hallenbau nicht mehr als Wohlstandsindikator wie noch vor 20 Jahren. Durch die Wende zu Niedertemperatur und erneuerbaren Energien ist sie heute beinahe schon Standard. Leider aber wegen des Sanierungsaufwands mehrheitlich im Neubau. Im Altbau halten sich die Chancen der klassischen Estrichsysteme in Grenzen. Damit tut sich leider auch der Bestand mit der Nachrüstung erneuerbarer Energien, wie Solarthermie zur Heizungsunterstützung und Wärmepumpe, schwer. Umwelt, Bauherren, Heizungsindustrie benötigen Lösungen. Welche Unterstützung liefern Sie als Verband, Herr Stahl, Herr Grimm?
Ein anderes Thema ist die Elektroflächenheizung. Durch den Überschuss an PV- und Windstrom ist sie wieder im Aufwind. Stehen sich da im Mitgliederbereich Fronten gegenüber, die dem Verband den gesamthaften Vertretungsanspruch für Flächenheizungen schwer machen?
Dann der Punkt Schnittstellenkoordination, besonders bei Planer- bzw. GU-Projekten entscheidend für die Gewährleistungsfrage. Im Flächenheizungs-Wachstumsmarkt Nichtwohnungsbau mischen ja viele Gewerke mit, gibt es eindeutige Zuständigkeiten? Schließlich die Nichtberücksichtigung in der EnEV: Die räumt der primärenergieeffizienten Strahlungswärme aus dem Fußboden im Industrie- und Hallenbau keinen ausreichenden Bonus gegenüber Hochtemperaturgebläsen mit Warmluftglocke unter dem Hallendach oder Hochtemperatur-Hell- oder Dunkelstrahlern ein. Die Lobbyarbeit des Verbands in Bezug auf das Verordnungsrecht ist offensichtlich bescheiden.
So, von außen betrachtet könnten das Schwerpunkte Ihrer Arbeit sein, Herr Stahl, Herr Grimm. Sehen wir das richtig beziehungsweise was fehlt?
Stahl:
Das sind natürlich wichtige Themen. Beginnen wir mal mit der Technik und damit mit Sanierungslösungen. Bisher hat der Verband den Schwerpunkt auf die Fußbodenheizung gelegt, mit Betonung auf Fußboden. Das wird sich in eine Richtung verändern, die alle Umschließungsflächen des Hauses, nämlich Boden, Wand und Decke umfasst. Und damit erweitern und verlagern sich die Nutzungszeiten und Gewohnheiten. Zum Beispiel liegt zukünftig ein Gewicht auf der Kühlung im Sommer, etwa über die Kühldecke. Zimmerdecken oder die schrägen Wände der Dachgeschosswohnungen sind physikalisch gesehen die besten Flächen zur Absenkung der Raumtemperatur. Sie nehmen zudem keine Stellfläche weg. Wir wollen hier die Arbeit bis in alle Raum-Umschließungsflächen hinein ausdehnen, weil wir glauben, dass hier großes Umsatzpotential für die Branche besteht.
Ein zukünftiges Gewicht
Kühlen von der Decke, ja. Aber heizen? Heißt es nicht, Wärme muss von unten und Kälte oder Kühle von oben kommen?
Stahl:
Für den konvektiven Wärmetransport gilt das. Wir sprechen aber nicht von Radiatorheizungen, also von Konvektionsheizungen, sondern von der Strahlungsheizung. Die arbeitet bekanntlich nicht mit der Zirkulation erwärmter Luft. Der Wärmetransport basiert auf Infrarotstrahlung und da ist als Quelle jede Fläche ideal. Die muss auch nicht unbedingt völlig frei sein. Bilder an der Wand absorbieren die Strahlung und emittieren sie wieder. Es kommt nur zu einem geringen Dämpfungseffekt. Auch der Abstand zur Decke spielt bei der üblichen Zimmerhöhe im Wohnungsbau von unter drei Metern keine Rolle. Alle Körper im Raum erwärmen sich gleichmäßig durch die auftreffende Strahlung: die Möbel, der Boden, der Mensch. Die Füße stehen nicht in einem "Kaltsee", denn der Boden reflektiert und emittiert die Strahlung. Die Füße haben es mithin ebenfalls warm.
Nein, es spricht überhaupt nichts dagegen, die Decke oder die Wände zur Niedertemperatur-Flächen- oder Strahlungsheizung zu machen. Da diese Flächen weder begangen noch belastet werden, dürfen relativ leichte vorgefertigte Paneele auf der Oberfläche zum Einsatz kommen. Damit hat man die passende Sanierungslösung für den Altbau.
Vertraglich definiert
Wasserdurchflossene Paneele unter die Decke montieren – setzt das nicht bestimmte statische Kenntnisse voraus?
Grimm:
Für den klassischen Heizungsbauer kommt im Tagesgeschäft die Decke so gut wie gar nicht vor. Dort sind die Trockenbauer aktiv. Die Übergabe an die Paneele ist die Schnittstelle zwischen Trocken- und Heizungsbau. Der Trockenbauer sollte sich auf seinem gewohnten Spielfeld, der Unterkonstruktion, bewegen und der Heizungsbauer sollte für die Installation der Heiz- und Kühlelemente auf diese Unterkonstruktion zuständig sein. Die Statik ist dann nicht sein Thema, wenn die Schnittstelle eindeutig und vertraglich definiert ist.
Wie soll das denn im Bauablauf funktionieren, haben Sie da eine Lösung?
Stahl:
Die Schnittstellenkoordination des BVF für Neubau und Modernisierung ist hierfür aufgelegt worden. Sie reglementiert in Form einer Leitlinie, die als Druckversion auf unserer Homepage vorliegt, die Flächenheizung, beim Rohbeton angefangen bis zum Fliesenleger. Die vorliegende Fassung mit letzten Änderungen vor fünf Jahren berücksichtigt jedoch nicht die neuen Entwicklungen, etwa die Wand- und Deckenheizung bzw. -kühlung. Wir sind nun dabei, die Leitlinie in Absprache mit den Nachbargewerken unter unserer Regie zu novellieren und haben die Hoffnung, sie eventuell sogar später in ein Regelwerk zu überführen.
Der "Schwarze Peter"
Denn zum Schluss hält der Heizungsbauer den "Schwarzen Peter" in der Hand. Wir müssen ihm unter anderem sämtliche Problembereiche auflisten. Wenn er auf die Baustelle kommt mit dem Auftrag, eine Fußbodenheizung zu verlegen, was muss er eigentlich alles beachten, ehe er anfängt?
Die Ebenmaßtoleranzen, die Beschaffenheit des Untergrunds, die Bauwerksabdichtung, die Dämmung, den Randdämmstreifen, Bewehrung etc. Darauf müssen wir ihn hinweisen, das heißt, wir müssen nicht nur novellieren, wir müssen des Weiteren in die Bekanntmachung und Verbreitung investieren, müssen die Betriebe auf die neue Schnittstellenkoordination einschwören. Es muss uns gelingen, sie dazu zu bewegen, praktisch automatisch die einzelnen Handlungen sorgfältig zu dokumentieren und abzeichnen zu lassen. Sich an die Protokolle zu halten, zum Beispiel in Bezug auf die Trockenheit des Estrichs, bevor der Bodenbelag drauf kommt – der Schadensklassiker –, und an die Dokumentation, die festhält, wann wurde gemessen usw. Die noch gültige Ausgabe wird doch vielfach erst vorgeholt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Und zwar vom Gutachter. Der steht dann vor der Schwierigkeit, dem Heizungsbauer keine Schuld zu geben. Wie will er prüfen, ob die verfassten Regeln eingehalten wurden?
Wie weit sind Sie?
Grimm:
Wir haben jetzt die Vorlage auf den neuesten Stand gebracht, neue Systeme aufgenommen, die es früher noch nicht gab, und stehen nun in der Abstimmung mit den anderen Verbänden, also Estrich, Fliesenleger, Klebstoffe, Bauchemie und natürlich dem ZVSHK, sodass wir voraussichtlich Mitte des Jahres den aktuellen Stand auf den Markt bringen können.
Mit Ihrer Schnittstellenkoordination wenden Sie Schaden vom Bauherren und vom Unternehmer ab, die generiert aber keinen Umsatz. Sie haben es bisher nicht geschafft, die höhere Energieeffizienz Ihrer Wärmetechnik in größeren Hallen gegenüber besagten Alternativen in die EnEV hineinzubekommen, etwa in den Teil 10 der DIN V 4701 "Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen" als Bestandteil der EnEV. Viele Dezimeter dicke Dämmungen, die nichts nützen, wenn die Fenster offen stehen, Niedrigenergiehäuser mit künstlicher, mechanischer Be- und Entlüftung, eine komplizierte Berechnung zur Ausschüttung eines zusätzlichen Bonus für Fernwärme, der erneuerbare Energien beigemischt sind – all das findet sich in der EnEV wieder. Die Flächenheizung, die energiesparend genau nur die Zone temperiert, in der sich der Mensch aufhält, wird dagegen genauso behandelt wie die Heißluftgebläse, die ein Wärmedepot unter dem Hallendach aufpolstern.
Stahl:
Das ist leider der Lobby geschuldet.
Die Lobby der anderen
Der fehlenden Lobby beziehungsweise der Lobby der anderen?
Stahl:
Ich muss zugeben, wir hatten zu spät registriert, dass in dem Forschungsprojekt "Hallenheizungen", das mit öffentlichen Geldern finanziert worden ist und als eine Basis zur Novellierung der EnEV diente, die Flächenheizung überhaupt kein Thema war…
Die Studie des ITG in Dresden hatte die figawa, Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e.V., in Auftrag gegeben. Bei der figawa bestand natürlich kein Interesse, ihre Gasfeuerungen mit Ihrer Technik seriös zu vergleichen. Da hätte allerdings das ITG selbst Einspruch erheben müssen…
Stahl:
Wie gesagt, uns ist es erst nach geraumer Zeit aufgefallen. Wir legten ein Veto ein, durften uns dann auch einbringen, konnten aber nur noch erreichen, lediglich erwähnt zu werden und nicht schlechter dazustehen wie die Varianten. Unser Vorwurf geht deutlich in Richtung Politik, die uns, als die Mittel freigegeben worden waren, nicht mit ins Boot geholt hat. Für die Berücksichtigung in der Normung und in der EnEV war es zu spät.
Es steht aber bereits eine neue Überarbeitung vor der Tür. Wir werden belegen, dass wir im Lagerhallen- und Industriebereich in vielen Fällen weit sparsamer mit der Energie haushalten als alle anderen. Selbst in Distributionshallen und Verteilzentren mit einer Unsumme von Toren, die kurzfristig öffnen und schließen. Die Wettbewerber behaupten, der Kaltluftschwall, der beim Be- oder Entladen der Lkws hereinwallt, zwinge dazu, einen teuren Warmluftvorhang oder Luftschleusen mit auszuschreiben. Weil die spezifische Leistung der Heizflächen nicht ausreiche, die Kaltluft zu kompensieren. Das stimmt nicht. Wenn der Lkw wieder abdockt, das Tor also runtergeht, umschließt die Menschen nicht noch lange Kaltluft, vielmehr bewegen sie sich sofort wieder im direkten Strahlungsfeld der Flächenheizung. Sie beschweren sich nicht über Kälte. Dieser Beweis ist in vielen Objekten angetreten worden.
Wohlfühlendes Personal
Arbeitsphysiologisch spricht darüber hinaus für die Flächenheizung in Großhallen der Wärmekomfort abseits des Arbeitsplatzes. Lufterhitzern ist häufig ein Arbeitsplatz mit einem engen Radius zugewiesen. Wer sich außerhalb dieses Radius befindet, steht außerhalb des Einflusses des Gebläses. Oder noch unangenehmer: Der Rücken hat es vielleicht schön warm, Bauch und Brust dagegen kalt. Bei der Niedertemperatur-Strahlungswärme ist es so, dass die Strahlung, die von einem bestimmten Feld ausgeht, in Teilen von allem reflektiert wird, was sich in diesem Strahlungsfeld befindet: Mensch, Maschine, Einrichtungen, Flächen. Dadurch bleibt die Temperatur in einem großen Bereich auf einem homogenen Wert. Das Personal fühlt sich wohl.
Grimm:
Die Nichtberücksichtigung in der EnEV für Hallenheizungen ist ein Beispiel für marktpolitische Einflüsse. Ein weiteres Beispiel sind schriftliche Hinweise auf eine verlangte Gleichwertigkeit zwischen Flächenheizung und Heizkörper in den Normungsverfahren. Irgendwann wurde mal beschlossen, dass beide Verteilsysteme als gleichwertig anzusehen sind. Also keine Bevorzugung erfolgen soll. Das ist natürlich für uns, die wir uns auf Flächenheizung, Flächenkühlung spezialisieren, für mich auch, der ich neu bin in diesem Feld, ein stückweit verwunderlich. Ich sehe es sportlich, das bessere Wärme- oder Kälteverteilsystem soll gewinnen. Ein positiver Wettstreit nützt ja insbesondere den Kunden und der Umwelt.
EnEV ignoriert geringere Transmissionsverluste
Herr Grimm, Sie erwähnten es, Sie sind noch nicht lange im Verband, Sie kennen nicht die früheren Diskussionen. Folgendes: Die aktuelle EnEV verschärft gegenüber ihrem Vorläufer die Anforderungen an den Primärenergiebedarf um 25 Prozent, mit Ausnahme von Hallen mit mehr als vier Meter Raumhöhe. Diese Objekte werden vielfach durch Hochtemperatur-Strahlungsheizungen oder Gebläseheizungen temperiert. Die Verschärfung hätte diesen Systemen das Leben schwer gemacht, weil die Hallenwände dann einfach zu dick isoliert werden müssten. Sie sind ja nicht in der Lage, erneuerbare Energien einzubinden, um so die 25 Prozent einzusparen. Da hätte kaum ein Architekt mitgespielt. Die solide Lobbyarbeit der Gaswirtschaft hat das verhindert.
Stahl:
Zudem stimmt für die Niedertemperatur-Strahlungsheizung gegenüber Gebläsen und Hochtemperatur-Strahlungsheizungen mit kurzwelligerem Infrarot nicht, was die Berechnungsnormen in der EnEV ansonsten unterstellen, dass die Raumlufttemperatur gleich der gefühlten Temperatur ist. Die Lufttemperatur ist bei Flächenheizungen deutlich geringer als die gefühlte Temperatur. Je nach Luftfeuchtigkeit kann das bis 5 °C betragen. Wenn man also die Raumtemperatur gefühlt auf 22 °C schätzt und so auch die Heizung einstellt, beträgt die gemessene Lufttemperatur gerade mal 17 °C.
Darauf ging ja auch der Referent vom ITG der TU Dresden auf unserem Symposium in Berlin ein. Da sich die Transmissionswärmeverluste nach der Differenz zwischen der Innenluft- und der Außenlufttemperatur richten, liegen die bei einer Flächenheizung mit der im Beispiel nur 17 °C Lufttemperatur sehr niedrig. Nach DIN V 18599 darf zwar die ermittelte Heizlast mit dem Faktor 0,85 verkleinert werden, aber das spiegelt die Verluste beziehungsweise die Einsparungen nicht wider. Im Moment scheitert ja die Flächenheizung nicht selten im Industrie- und Hallenbau wegen der Mehrkosten in der Investition. Nach den langjährigen Betriebskosten fragen die wenigsten Projektentwickler. Erhielten wir den Bonus für den geringeren Primärenergiebedarf, könnten wir den bodenseitigen Mehraufwand mit Abspeckungen an der Hülle direkt kompensieren.
Beziehungsweise Ihre Mitglieder, speziell die Betonkerntemperierer, müssen, wie zu hören, im Preis gehörig Federn lassen. Wenn Sie dagegen die richtige Mathematik durchbekämen...
Stahl:
Wir setzen da jetzt auch an. Die klare Ausrichtung unseres Verbandes räumt uns die Möglichkeit ein, dem Verordnungsgeber weitaus stringenter, als es andere Heizungsverbände vermögen, die Energieeffizienz der Flächenheizung nachzuweisen.
Lassen Sie mich noch auf die "Betonkerntemperierer" eingehen. Die Betonkernaktivierung steht bei uns gar nicht mehr im Zentrum. Die hat sich doch verselbständigt: Es werden ein Rohr genommen, eine Baustahlmatte und eine Montagekolonne, die das Ganze in den Betonbau integriert. Unsere Mitgliedschaft dagegen ist heute schon geprägt durch den Vollsortimenter, ob Neubau oder Altbau, ob trocken oder nass, ob Boden-, Wandheizung oder Decke. Das will der Kunde. Er will einen einzigen Ansprechpartner, einen Unternehmer, statt wie bei der Badsanierung althergebracht sieben unterschiedliche Rechnungssteller. Wir brauchen einfach den Setzkasten für alle Objekte. Dahin geht der Markt und da kann man auch Marge erzielen. Unter Umständen einschließlich dem Wärmeerzeuger. Dann fällt die Diskussion Dunkelstrahler versus Flächenheizung ohnehin weg. Und als Zubrot erhält der Auftraggeber eine Technik, die die Vermietbarkeit des Objekts zehn Jahre oder 20 Jahre später erhöht, weil er sich den Einsatz erneuerbarer Energien, die dann der Standard-Brennstoff sein werden, nicht verbaut hat.
Verantwortung bis zur Schnittstelle
Vollsortimenter als Unternehmen oder in Kooperation?
Grimm:
Sowohl als auch. Unsere Mitglieder sind zwar auf die wasserbasierte oder elektrische Flächenheizung spezialisiert, aber nicht jeder deckt alle Produktbereiche ab. Da ist dann natürlich auch die Kooperation zwischen unseren Mitgliedern sehr hilfreich. Und natürlich die Einhaltung der in der BVF-Schnittstellenkoordination definierten Regeln.
Stahl:
In Bezug auf die Mitgliedschaft gab es Zeiten, da hatten wir eine Art Clubcharakter. Wir entschieden darüber, wer zu uns passt und wer nicht. Wir werden uns öffnen müssen, allein aus der Tatsache heraus, dass immer mehr andere Gewerke eine Rolle spielen. Wir haben uns bereits geöffnet, so dass Fachhandwerksbetriebe, die sich auf Flächenheiz- und -kühlsysteme spezialisiert haben, bei uns neuerdings Mitglieder sind und werden können, außerordentliche Mitglieder. Das werden wir im Rahmen ausbauen. Weil es für unsere herstellenden Unternehmen interessant ist, die Erfahrungen der verarbeitenden Unternehmen kennenzulernen und umgekehrt. Wir pflegen ebenfalls die Kontakte zu den Handwerksverbänden, aber denen können wir natürlich nicht zu viel zumuten in dem Sinne, dass die einen starken Fokus auf Flächenheizungen legen. Die müssen sich um sehr viele andere Produkte, Systeme, Anforderungen und Probleme kümmern.
Die Gewerke- und Systemvielfalt verlangt ferner, uns intensiv mit Building Information Modeling (BIM) zu beschäftigen. Spätestens dann, wenn wir in die Decke gehen, wo Architektur, also Deckengestaltung, eine Rolle spielt, wo die Gewerke Lüftung, Elektrik, Akustik aufeinander stoßen. Wir werden uns bemühen, Player aus diesem Segment für uns zu reklamieren und werden dann das Thema BIM als Verband begleiten. Ein ganz wichtiger Aspekt. Wir stehen vor der Zeitepoche des modularen Bauens.
BIM und modulares Bauen
Das war schon früher die Vision schlechthin. Die Umsetzung hielt sich in Grenzen.
Stahl:
Stimmt, aber die Digitalisierung ist jetzt ein unbeugsamer Treiber. Das Mauern Stein auf Stein passt da nicht hinein. Wir müssen hellwach sein, um mit unserer Flächenheizung und Flächenkühlung Platz zu finden in diesen Modulen, die ja gestaltet werden wollen. Da spielt BIM für uns die maßgebliche Rolle.
Zurück zum Wohnungsbau allgemein. Die Sanierung hatten wir vorhin nur gestreift. Wir schieben ein beachtliches Volumen vor uns her, Herr Stahl, Herr Grimm. Sie verwiesen auf die Wand- und Deckentemperiersysteme als machbare Installationen, die vermutlich auch kein vorübergehendes Umsiedeln zu Verwandten oder ins Hotel bedingen...
Stahl:
Sie sprechen da einen entscheidenden Punkt an. Die Wohnungsbaugesellschaften suchen doch händeringend nach Lösungen, ohne dass die Mieter ausziehen müssen. Wand- und Deckenheizungen verlangen das nicht. Die Fläche für den Austausch der Radiatoren gegen eine Niedertemperaturheizung ist nicht der Boden mit dem althergebrachten Einfräsen, es ist die Decke.
Nun kommt aber die nach wie vor gültige Einschränkung, die schon immer gegolten hat und die ich auch der Geschäftsführerin des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft sagen musste, als die bei uns nach empfehlenswerten Verfahren nachfragte: Für den ungedämmten Gebäudebestand aus der Zeit vor der ersten Wärmeschutzverordnung können wir nichts tun. Zunächst muss man sich das Gebäude anschauen: Wie sieht die thermische Hülle aus? Wie hoch ist die Heizlast, die ich zu erbringen habe? Wenn am alten Gemäuer nichts getan ist oder wird, lasse man die Finger vom Auftrag. Die Heizlast ist einfach zu groß, um sie mit 30 oder 35 °C Vorlauftemperatur abdecken zu können. Das gilt auch für die Deckenheizung.
Ein Urteil, das wach machen sollte
Ich spreche den Punkt Dämmung und Aufklärungspflicht des Anlagenbauers noch aus einem zweiten Grund an. Meines Wissens ist zum ersten Mal – zumindest höre ich das zum ersten Mal – ein Installationsunternehmen dazu verurteilt worden, eine Wärmepumpe rückzubauen und alle Kosten zu tragen, weil es einem Bauherren verschwiegen hat, dass die Wärmepumpe permanent auf Hochtemperatur fahren muss, da das Uralthaus aufgrund seiner mangelhaften Isolierung nicht mit niedrigen Vorlauftemperaturen warm zu kriegen ist. Klar, dass in diesem Fall die Stromrechnung höher kletterte als die frühere Heizölrechnung. Der Auftraggeber wollte aber Kosten sparen, was ihm der Heizungsbauer auch versprochen hatte. Den Fall kann jeder nachlesen, ich habe mir das Aktenzeichen notiert: OLG Oldenburg, AZ 3 U 5/13.
Ich will damit sagen, auch die neuen Systeme eignen sich nicht für alle Sanierungsfälle. Besser als die Betonkerntemperierung mit ihrem massiven Oberbau passen sie sich jedoch in Smart-Grid- und Smart-Home-Netzen wegen ihrer geringeren Trägheit ein. Die Möglichkeit der Regelung und die Regelkonzepte, so sieht es im Moment aus, könnten bei der Wahl der Heizung folglich mehr als bisher eine Rolle spielen.
Ich sage bewusst "könnten". Weil eine andere Meinung in die Richtung geht, so wenig wie möglich künstlich in eine Stabilisierung der Raumtemperatur einzugreifen. Die Dänen machen es uns schon vor. Sie leugnen nicht, dass sich der Mensch am wohlsten fühlt, wenn er einem möglichst gleichmäßigen Temperaturprofil ausgesetzt ist. Nur verzichten sie auf das Invest in eine intelligente Regelung, indem sie eine Bauweise anstreben, die ohne aufwendige Digitaltechnik auskommt. Die natürliche Innenraumtemperatur soll zwischen Winter und Sommer um nicht mehr als fünf Kelvin schwanken. Zu diesem Zweck verpflanzen sie neuerdings in einigen Objekten das Flächen und -kühlsystem in die Außenfassade des Gebäudes. Im Winter schicken sie einige Liter Solarthermie durch die Rohrschlangen und im Sommer beispielsweise kühles Grundwasser. Sie gaukeln damit den Innenräumen eine weitgehend ganzjährig einheitliche Außentemperatur vor.
Flächenheizung in der Außenfassade
So ein Testhaus steht auch in Ennigerloh in der Nähe von Warendorf in Westfalen. Die frühere Firma Velta war daran beteiligt. Man müsste dann natürlich die EnEV umstrukturieren, doch wo ein Wille, da ein Weg.
Stahl:
Ja, es gab vor einiger Zeit derartige Experimentierhäuser auch hierzulande. Die Idee beginnt jetzt wieder neu zu reifen. Ähnlich neue Nahrung bekommen die Systeme für große Leichtbauhallen mit einer Hülle aus Sandwichelementen. Die will man innen und außen mit kleinsten Kapillaren bestücken, um einen ähnlichen Effekt wie den beschriebenen zu erzielen. Vor etwa 15 Jahren machte ThyssenKrupp/Hoesch mit der "Thermowand" den Vorreiter. Diese Ausführung lebt jetzt wieder neu auf. Leider kommen die Innovationen von außen. Die Heizungstechnik ist von Haus aus sehr konservativ. Wir leisten uns den Luxus, mit viel zu dicken Rohren heute noch Heizungen zu bauen. Die Elektrobranche macht uns das vor, mit dünnsten Drähten. Das könnten wir mit Warmwasser auch und dann haben wir Spielfelder, wo Dinge zusammenwachsen. Nehmen wir nur mal das Thema Trockenbau, der ist geprägt von mineralischen Materialien, die durchaus prädestiniert sind, auch als sogenanntes Sandwichprodukt mit solchen kleinen Röhrchen als Modul in einen Baukörper eingebracht zu werden. Das ist die Zukunft.
Grimm:
Sie sehen, wir haben einen dicken Aufgabenkatalog vor uns liegen. Nach einer neueren Erhebung des Schornsteinfegerverbands sind von den 21 Mio. Wärmeerzeugern in Deutschland nur 17 Prozent effizient und nutzen zumindest teilweise erneuerbare Energien. Im Bestand ist unser Wachstumspotential folglich riesig, erstens weil viel saniert werden muss und zweitens, weil der Marktanteil der Flächenheizsysteme in diesem Sektor noch überschaubar ist.
Dabei ist die Flächenheizung durchaus als Basistechnologie für die Energiewende anerkannt. Hier müssen wir gute Arbeit leisten, müssen unsere Mitglieder gut beraten und auch noch einige altbaugerechte Systeme initiieren. So des Typs aquatherm "black": vorgefertigte Module, die sich maßgerecht in jegliche Lücken oder auf Freiflächen montieren lassen. Geeignet als Kühldecke in Großraumbüros über Sonderanwendungen, wie mobile Heiz- und Kühlelemente im Ladenbau, bis hin zur Wandheizung im Einfamilienhaus. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
In diese Richtung, in vielseitig verwendbare, modulare Niedertemperatur-Strahlungselemente, geht sicherlich die Reise. Auch aus diesem Grund hat die Firma aquatherm gemeinsam mit der Firma Huf Haus, dem Planungsbüro Etgenium und dem Heizungsbauer Jupp Willing den BVF-Award 2016 gewonnen. Auf diesen Zug sollten die Unternehmer, die Heizungsbauer und die Planer aufspringen. Dann stimmt für alle der Markt. Wir werden uns bemühen, mit technischer und marketingorientierter Grundlagenarbeit zu unterstützen.
Beleg der Qualität
Was steht noch auf Ihrer Agenda?
Grimm:
Die breite Bekanntmachung des BVF-Gütesiegels. Es gibt ja viele Anbieter im Markt, wie soll man da erkennen, wer in Sachen Qualität und Service leistungsfähig ist. Diese Orientierung bietet das BVF-Gütesiegel seit vier Jahren. Das Siegel darf nur von Unternehmen genutzt werden, die umfangreiche Prüfkriterien erfüllen. Diese beziehen sich auf Qualitätsmerkmale wie die Einhaltung von technischen Regeln und gesetzlichen Bestimmungen, auf die Produkthaftung und Gewährleistung sowie auf die technische Beratung und den Support.
Ferner sind wir dabei, einen sogenannten Gutachterpool aufzubauen, sodass wir Anfragen zu Problemen in kompetente Hände legen können. Wir als Verband sind ja nicht berechtigt, direkte Empfehlungen auszusprechen oder Gutachten auszustellen. Wir denken an einen Pool und damit an eine Landkarte mit Adressen, die wir als Verband weiterreichen wollen. Und ebenfalls wollen wir natürlich durch den Austausch mit den Sachverständigen dazulernen. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt in 2017 wird unsere neue Homepage sein, die noch mehr Inhalt und Nutzen für die Zielgruppen Handwerk, Planer, Architekten und Endkunden bereitstellen wird und das in benutzerfreundlicher und optisch ansprechender Weise – am Computer und am Smartphone. Wir möchten dadurch auch die hohe Zahl von 2,4 Mio. Seitenaufrufen pro Jahr halten und steigern.
Stahl:
Und wir überlegen des Weiteren intensiv, wie können wir noch mehr Dienstleister für unsere Mitglieder und für Firmen sowohl aus dem Bereich Elektroflächenheizungen als auch aus dem Bereich warmwasserbasierte Flächenheizung werden. Wir müssen stichhaltige Argumente auf die Frage parat halten: "Was habe ich von der Mitgliedschaft?" Die Antworten müssen nach innen wie nach außen – ich denke an die Mitgliederwerbung – überzeugen. Sie sehen, es gibt sehr viel zu tun.
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