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Erneuerbare Energien

Neuer GEG-Entwurf liegt vor – Horst-Peter Schettler-Köhler im Gespräch

Montag, 08.04.2019

CO2 statt Primärenergie

Nur, wie macht man das mit dem CO2 beim Strom? Wenn wir zukünftig strombasierte Heizungen installieren, könnte hier wieder ein "politischer" statt ein physikalischer CO2-Faktor vorgegeben werden. Haben wir überhaupt eine einheitliche europäische Berechnungsmethode?

Auch der CO2-Ansatz baut nach wie vor auf ein Referenzgebäude auf; man bestimmt den zulässigen CO2-Ausstoß durch Vergleich mit dem Referenzgebäude. Das Referenzgebäude hat eine Solarthermie-Anlage und einen Gas-Brennwertkessel. Für Strom enthält die Anlage zum GEG-Entwurf 2018 einen Wert von 560 g/kWh. Das entspräche einem Primärenergiefaktor von deutlich über 2.

Der Nachweis für ein strombasiertes Gebäude kommt damit der Realität sehr nahe, da ja heute schon der Anteil von Erneuerbarem Strom mehr als 40 Prozent beträgt. Die CO2-Betrachtung macht Sinn. Man muss sie allerdings mit einem neuen Effizienzkriterium, zum Beispiel dem Endenergiebedarf, verbinden. Eine künftige weitere Verschärfung der Wärmeschutzanforderungen könnte ansonsten das Bemühen um eine Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien ausbremsen.

Sowohl die Primärenergiefaktoren als auch die CO2-Umrechnungsfaktoren sollen zukünftig im GEG statt in den Berechnungsnormen geregelt werden. Dann kann der Gesetzgeber auch weitere Parameter, wie zum Beispiel die Versorgungssicherheit, die Nachhaltigkeit und eben die CO2-Emissionen, in gesetzliche Regelungen einfließen lassen. Die Methodik zur Berechnung der Emissionen soll in einer Anlage des GEG beschrieben werden, weil die Emissionen ohnehin künftig obligatorisch in Energieausweisen anzugeben sind. Auf Grundlage einer sogenannten Innovationsklausel kann der CO2-Ausstoß jetzt auch als Anforderungsgrundlage einige Jahre ausprobiert werden. In 2023 wäre dann darüber zu entscheiden, ob diese Anforderungsgröße generell eingeführt werden soll.

Auszug aus der Anlage 8 des GEG-Entwurfs zu CO2-Faktoren.
Quelle: Bernd Genath
CO2-Faktoren (Auszug: Anlage 8, GEG-Entwurf).

Die Anbieter von Stromdirektheizungen sind den GEG-Bearbeitern gram. Die Wärmepumpe erhält einen zusätzlichen Primärenergiebonus, den sie von dem Endergebnis der Primärenergieberechnung abziehen darf, wenn sie Strom aus der eigenen PV-Anlage einsetzt, während zum Beispiel der elektrischen Fußbodenheizung dieser Bonus verwehrt wird. Was spricht dafür oder dagegen?

Einige Protagonisten des GEG haben nach wie vor Probleme damit, den Strom als direkte Heizenergie für das gesamte Gebäude zu fördern. Die Betonung liegt auf "das gesamte Gebäude". Niemand ist gegen eine elektrische Direktheizung einzelner Räume, zum Beispiel im Badezimmer. Der Anteil des eigenerzeugten Stroms zur Deckung des Energiebedarfs basiert auf einer Bilanzierung. Das GEG will bei Wohngebäuden mit einer eigenen Photovoltaikanlage die Anrechnung einer Pauschale zulassen, die vom Jahresprimärenergiebedarf in Abzug gebracht werden darf. Diese neue Pauschale für den Umweltwärmegewinn – das ist der entscheidende Unterschied zwischen Wärmepumpen- und Direktheizung – soll nach den Vorstellungen der GEG-Protagonisten nicht gewährt werden, soweit beim Gebäude eine elektrische Direktheizung vorgesehen ist.

Ein Haus mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.
Quelle: Nibe
Bis zu 25 Prozent Abzug am Primärenergiebedarf für PV-Eigenstromnutzung mit Wärmepumpe.

Ergänzung durch ErP-Richtlinie

Seit 2015 gilt die europäische Ökodesignrichtlinie oder auch ErP-Richtlinie. Sie schreibt bestimmte produktspezifische Eigenschaften vor, zum Beispiel den Wirkungsgrad von Kesseln oder von Wärmepumpen. Kann es hier zu Konflikten mit dem GEG kommen?

Nein. Wegen der ErP-Richtlinie können einige der bisherigen produktspezifischen EnEV-Regelungen, zum Beispiel bei Wärmepumpen und Kesseln, im GEG entfallen. Das kommt uns bei der Vereinfachung entgegen. Es gelten die Wirkungsgrade der ErP-Richtlinie.

Der Entwurf streicht "EnEV easy" als vereinfachtes Berechnungsverfahren für Wohngebäude ohne Klimaanlage und enthält stattdessen ein eigenes vereinfachtes Bewertungsverfahren.

Das ist ein Modellgebäudeverfahren, das alternativ zum Referenzgebäudenachweis als berechnungsloser tabellarischer Nachweis für ausgewählte Neuwohngebäude anwendbar ist. Es handelt sich um eine Fortschreibung von "EnEV easy", aber ohne die bisherigen, aus der rechtlichen Konstruktion resultierenden Restriktionen. Das Gebäude muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wie etwa Deckenhöhe, Größe, Fensterflächenanteil und anderes.

Der Entwurf enthält drei Tabellen mit Heizanlagenvarianten für ein freistehendes, für ein einseitig angebautes und für zweiseitig angebaute Gebäude. Er ordnet diesen Heizanlagenvarianten eine erforderliche Wärmeschutzvariante zu, die ebenfalls in einer Tabelle festgelegt ist. Zum Beispiel: Brennwertgerät zur Verfeuerung von Erdgas oder leichtem Heizöl, Solaranlage zur zentralen Trinkwassererwärmung, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Da dürfen es dann, je nach Größe des Gebäudes, die Wärmeschutzvarianten B und A sein. Führt man die aus, ist dem GEG Genüge getan. Differenzierte Kennwerte für Energieausweise bei derart errichteten Gebäuden werden dann Gegenstand einer Bekanntmachung der Bundesregierung sein.

Neuer Quartiersansatz

Ein Paragraph befasst sich mit der Wärmeversorgung von Quartieren. Zum Beispiel mit einer gemeinsamen Kesselanlage für mehrere Gebäude oder einem Blockheizkraftwerk, wie es ja in vielen Fällen gemacht wird. Dazu gab es auch einiges Gerangel mit den Immobilienverbänden.

Wir mussten zunächst einmal den Quartiersbegriff definieren. Einige Immobiliengesellschaften wollten offenbar, dass alles, was sie an Gebäuden besitzen, wie bei einer "Flottenverbrauchsregelung" in eine Tüte kommt. Ohne räumlichen Zusammenhang, etwa von Bonn bis Münster. Oder von Hamburg bis München. Nach der Regelung im GEG müssen die gemeinsam behandelten Gebäude in einem räumlichen Zusammenhang stehen, das sagt § 106 ganz klar.

Der Quartiersansatz erlaubt, den Wärme- und Kältebedarf eines "Quartiers" insgesamt zu betrachten. Allerdings muss er in Summe den aufaddierten Mindestanforderungen an die einzelnen Gebäude entsprechen; Fehlentwicklungen soll dadurch begegnet werden, dass auch das einzelne Gebäude Mindestanforderungen entsprechen muss – wenn auch recht großzügigen.

Man kann also nicht mit beispielsweise einem KfW 40-Haus, das weit unter den früheren EnEV-Forderungen liegt, den mäßigen Wärmeschutz an einem anderen Gebäude, der nicht dem GEG entspricht, kompensieren?

Das ist ein Problem der insgesamt etwas schwer miteinander vereinbarenden Festlegungen des Koalitionsvertrages. Die Anforderungen dürfen nicht verändert werden, insgesamt soll aber der gesamte Bau- und Planungsprozess vereinfacht werden. Welchen materiellen Vorteil hat der Investor mit dem Quartiersansatz? Es kann nicht sein, dass sich der gesamte Gebäudekomplex rechnen muss, doch Erleichterungen in den einzelnen Maßnahmen nicht gestattet sind. Also wird ein Quartiersansatz nur Sinn machen, wenn er auch mit einem Vorteil verbunden ist. Hier warte ich mit Spannung auf die Diskussionen.

Die Diskussionen sind das Stichwort: Wie geht es jetzt weiter? Könnte im Sommer 2019 ein GEG vorliegen?

Ich halte mich mit Prognosen zurück. Das, was jetzt durch die Ministerien zirkuliert, ist ein Arbeitsentwurf. Aus dem wird nach dem Umlauf ein Referentenentwurf. Der geht im Frühjahr 2019 zur Anhörung an die betroffenen Verkehrskreise, um nach Anpassung an die Ergebnisse dieser Anhörungen und nach Billigung durch das Bundeskabinett als Regierungsentwurf dem Bundestag und dem Bundesrat vorgelegt zu werden.

Allerdings ist das GEG kein Zustimmungsgesetz, sondern ein Einspruchsgesetz. Das heißt, der Einfluss des Bundesrats ist geringer als bei einem zustimmungsbedürftigen Gesetz. Der Bundesrat nimmt in erster Lesung Stellung; seine Stellungnahme wird dann durch Bundesregierung und den Deutschen Bundestag gewürdigt. Bei der dritten Lesung könnte der Bundesrat durch einen Einspruch seine abweichende Meinung zum Ausdruck bringen. Den Einspruch kann aber der Bundestag überstimmen. Aber wie gesagt: Zu der sicher noch langen Zeitschiene kann ich nichts prophezeien.

Es handelt sich beim GEG um ein Gesetz, nicht um eine Verordnung, wie es die EnEV war und noch ist. Eine Verordnung kann die Verwaltung, in diesem Fall die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrats erlassen oder ändern. Ein Gesetz muss durch alle Instanzen. Ich glaube, bei der EnEV haben wir mittlerweile die vierte oder fünfte Änderungsverordnung. Die Bestimmungen im GEG werden demgegenüber ein stärkeres Beharrungsvermögen haben. Das GEG wird ja wohl nicht so schnell auf neue Erkenntnisse reagieren können?

Zwischen den Gesetzesänderungen sind Änderungen maximal über das Instrument der Bekanntmachung möglich, soweit das Gesetz dies vorsieht. Ein Vorschlag des Bauressorts war 2015, ein modernes Gebäudeenergiegesetz zu machen, das den Verordnungsgeber ermächtigt, bestimmte Parameter und Vorgaben zu korrigieren beziehungsweise einzuführen. Das ist jetzt aus verschiedenen Gründen nicht geschehen. Die Bekanntmachungsermächtigungen beschränken sich verfassungsgemäß auf sekundäre Vorgaben, beispielsweise auf Angaben zur Mindest-Dämmstoffdicke für Armaturen und Rohrleitungen, auf die Energieausweis-Angaben beim Modellgebäudeverfahren oder auf die Muster für Energiebedarfs- und -verbrauchsausweise.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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