Er zirkuliert gerade durch die parlamentarischen Instanzen, der Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG).
Neuer GEG-Entwurf liegt vor – Horst-Peter Schettler-Köhler im Gespräch
Montag, 08.04.2019
Das GEG soll das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), mit seiner Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) zu einer Einheit zusammenfassen. Das HeizungsJournal sprach mit einem der Verfasser des Entwurfs über Inhalte und mögliches Konfliktpotential.
Ungeduldig wartet die Branche auf das GEG. Das will und soll bekanntlich im Energiebereich einen Teil der Gesetze und Verordnungen zusammenführen, sich widersprechende Vorschriften in den einzelnen Edikten eliminieren und die Maßgaben der EU-Richtlinien integrieren. Eigentlich sollte es schon 2017 vorliegen. Der erste Entwurf aus der vorigen Legislaturperiode scheiterte Anfang 2017 jedoch nach vehementen Einsprüchen, vornehmlich der Immobilienwirtschaft, an der Zustimmung des Bundeskabinetts.
Und die zögerlichen Koalitionsverhandlungen mit einer späten Verabschiedung einer Koalitionsvereinbarung im Gefolge streckten den neuen Zeitplan. Hinzu kam eine Neuregelung der Aufgaben und Zuständigkeiten der einzelnen Ministerien. So wanderte das Ressort Bauen im April 2018 vom Bundesumweltministerium (jetzt: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – BMU) ins Bundesinnenministerium (jetzt: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat – BMI).
Trotzdem, so Horst-Peter Schettler-Köhler, Baudirektor und Leiter des Referats II.2 "Energieeinsparung, Klimaschutz" im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), sei es überraschend gelungen, innerhalb von acht Monaten nach Aufnahme der Arbeit der neuen Bundesregierung einen überarbeiteten Arbeitsentwurf zum GEG vorzulegen. Das BBSR mit seinen etwa 180 Mitarbeitern ist als Forschungsinstitut organisatorisch ein Teil des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR), eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich des BMI mit Horst Seehofer als oberstem Chef. Das Referat II.2 befasst sich mit Fragen des energiesparenden Bauens – insbesondere der Energieeinsparungsgesetzgebung – sowie mit baubezogenen Fragen des Klimaschutzes und des Klimawandels. Es unterstützt damit das Bundesinnenministerium zu diesen Themen und vertritt es in technischen Gremien, insbesondere Normungsausschüssen, auf nationaler und europäischer Ebene.
Horst-Peter Schettler-Köhler hat am GEG-Entwurf erheblich mitgewirkt. Als eine seiner letzten Amtshandlungen darf das Interview mit dem HeizungsJournal vor wenigen Wochen, im Dezember 2018, angesehen werden: Der Referatsleiter – zum damaligen Zeitpunkt – trat am 1. Januar dieses Jahres in den Ruhestand.
Vorgabe durch die Koalitionsvereinbarung
Herr Schettler-Köhler, wie geht es weiter mit dem GEG? Mit dieser Frage hatten Sie ja Ihr Referat auf der Jahrestagung des Bundesverbands Flächenheizungen und Flächenkühlungen e.V. (BVF) im November vergangenen Jahres überschrieben. Sie sind darin auf die Ausgangslage, auf die Ziele, auf die Rahmenbedingungen, auf den Sachstand des Gesetzgebungsverfahrens, auf die Eckpunkte des Entwurfs eingegangen. Sie hielten sich jedoch mit einem Ausblick, dem fünften Punkt in Ihrem Bericht, zurück. Weil aktuell – und es ist jetzt ein paar Tage vor Weihnachten – zunächst einmal nur ein Arbeitsentwurf vorliegt. Dieser bedarf, wie Sie sagten, noch der Zustimmung aller Bundesressorts, um dann den sogenannten betroffenen Verkehrskreisen im Rahmen eines "Hearings" als Referentenentwurf präsentiert werden zu können. Zur Endfassung des Gesetzes und zu den weiteren Terminen meinten Sie sinngemäß, es sei grundsätzlich schwierig, den Einfluss von Interessensorganisationen und die Berücksichtigung deren Änderungswünsche richtig einzuschätzen. Und damit die Geschwindigkeit des Fortgangs des Verfahrens. Auf der anderen Seite ist ja in der Koalitionsvereinbarung von Anfang 2018 vorgegeben, was zu geschehen hat.
Das ist in der Koalitionsvereinbarung vorgegeben, und diese Vorgabe bezieht sich auf eine Forderung, die schon seit vielen Jahren existiert: nämlich das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), mit seiner Energieeinsparverordnung (EnEV), und das EEWärmeG zusammenzuführen. Schon im Koalitionsvertrag 2013 stand als politischer Beschluss: "Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz wird auf der Grundlage des Erfahrungsberichtes und in Umsetzung von europäischem Recht fortentwickelt sowie mit den Bestimmungen der Energieeinsparverordnung abgeglichen." Diesen Abgleich setzt man am einfachsten mit einem neuen Gesetz um, das die verschiedenen Bestimmungen berücksichtigt und harmonisiert. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz entstand übrigens seinerzeit – 2009 – als Gegenpol zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das für eine Vielzahl Erneuerbarer Energien Fördervorschriften enthielt, nicht jedoch für die Solarthermie bei Gebäuden, die infolgedessen 2009 im Fokus des EEWärmeG stand.
Was meinen Sie mit Gegenpol?
Das EEWärmeG ist im Kern ein Solarthermie-Fördergesetz. Es legt zwar generell fest, dass bei Neubauten – und nach der Novellierung 2010 auch bei grundlegender Sanierung öffentlicher Gebäude – ein bestimmter Anteil der Wärmeversorgung aus Erneuerbaren Energien erfolgen muss. Auch wenn dazu eine breite Palette unterschiedlicher Nutzungsweisen Erneuerbarer Energien zählt, wird die Solarthermie doch klar bevorzugt.
Und worin besteht das Problem zwischen EEWärmeG und EnEV?
Von Anfang an bestanden Wertungsunterschiede zwischen EEWärmeG und EnEV. Eine typische Verwerfung zwischen der EnEV und dem EEWärmeG ist die Nichtanrechnung von bestimmten Erneuerbaren Energien. Beim EEWärmeG gibt es nur Ja oder Nein: Entweder sind die technischen Voraussetzungen – im allgemeinen ein hoher Wirkungsgrad oder andere begrenzende Randbedingungen – für eine Berücksichtigung bei der Anteils-Quote gegeben, dann wird angerechnet, oder sie sind nicht gegeben, dann wird dieser Beitrag vollständig ignoriert. Die EnEV dagegen wertet die Energieangebote kontinuierlich.
Das EEWärmeG will avancierte Nutzungstechniken für Erneuerbare begünsti-gen. Die EnEV will dagegen in erster Linie die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes objektiv bewerten. Sie verlangt daher, eine Rechnung durchzuführen, die die Wirklichkeit widerspiegelt. So kommt es, dass Berechnungen in vielen Fällen doppelt durchgeführt werden müssen. Ferner ist beim EEWärmeG eine unzureichende Berücksichtigung der Besonderheiten von Nichtwohngebäuden zu beklagen; das Gesetz war zunächst nur für Wohngebäude konzipiert und wurde erst in späteren Entwurfsständen auf Nichtwohngebäude ausgeweitet. Von Anfang an gab es überdies Vollzugsprobleme durch unabgestimmte Zuständigkeiten, etwa Bauaufsicht versus Umweltbehörden.
Abschaffung doppelter Arbeit
Können Sie Beispiele für Wertungsunterschiede geben?
Zum Beispiel Rotationswärmeübertrager in einem größeren Gebäude. Deren Wirkungs- oder Rückgewinnungsgrad kommt regelmäßig nicht an die 80 Prozent heran, die das EEWärmeG fordert. Also fallen die Rückgewinne von 60 oder 70 Prozent einfach weg. Der Planer muss mithin zwei Rechnungen durchführen: EnEV-konform und EEWärmeG-konform; dazu gibt es extra ein besonderes Beiblatt zur DIN V 18599 ("Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Be-leuchtung"). Diese doppelte Arbeit soll das GEG abschaffen. Mit diesem und anderen Punkten kommt es der Aufforderung zur Vereinfachung, entsprechend der Koalitionsvereinbarung, nach.
Sie deuteten in Ihrem Vortrag zum GEG in Bad Nauheim an, dass die Koalitionsvereinbarung durchaus Fragen aufwirft.
Der Koalitionsvertrag betont ja das Festhalten an Klimaschutzzielen. Klimaschutz ist das eine, der Fortbestand der geltenden Energieanforderungen ist das andere. Es ist gar nicht so leicht, beide Forderungen in Übereinstimmung zu bekommen. Von Seiten der Umweltpolitiker wird verlangt, dass energetische Standards auch keinesfalls gesenkt werden sollen. Der Koalitionsvertrag enthält – salopp gesagt – die Vereinbarung zu vereinfachen, aber nicht zu verändern. Vereinfachen kann ja nur bedeuten, dass das Rechenprozedere einfacher wird. Wenn es einfacher wird, muss sich irgendwas ändern.
Ich kann mir keine Vereinfachung vorstellen, die die Standards in ganzer Breite unverändert lässt. Normalerweise geht das jedenfalls nicht. Das gilt auch umgekehrt: Wenn der Koalitionsvertrag ausdrücklich die Einführung eines "Quartiersansatzes" festlegt, bedeutet das regelmäßig einen höheren Nachweisaufwand – ein solcher muss sich durch verringerte Standards auszahlen, sonst findet er keine Anwendung.
Alle Energiesparvorschriften unterliegen doch auch dem generellen Wirtschaftlichkeitsgebot, oder?
Gerade bei der Modernisierung ist das eine entscheidende Auflage. Gerade im Interesse des Klimaschutzes muss man sich aber fragen, ob man bei Bestandsanforderungen die Grenzen der Wirtschaftlichkeit überhaupt voll ausreizen muss und jede Modernisierung mit Anforderungen verbinden sollte. Hier stimme ich der Auffassung vieler Umweltpolitiker nicht zu. Denn bei maßvollen Anforderungen sind viel mehr Entscheider bereit, etwas zu tun. Die Bestimmungen dürfen keine zu hohen Ansprüche stellen. Sonst tun die Menschen nichts; die Modernisierungsaktivitäten werden gedämpft. Es kommt ganz besonders auch auf das Volumen der Modernisierungstätigkeit an. Hier ist am ehesten gezielte Förderung als Anreiz gefragt. Bei gesetzlichen Anforderungen im Falle einer beabsichtigten Modernisierung dagegen bedeutet "weniger" häufig "mehr".
GEG im europäischen Kontext
Ja, dann modernisiere ich eben gar nicht – das ist eine nachvollziehbare Denke. Im Januar 2017, also vor zwei Jahren, lag der erste Referentenentwurf vor. In dem stand unter Punkt "Lösung" in der Vorbemerkung: "[…] Das im Gebäudeenergiegesetz festgelegte Anforderungsniveau für die Errichtung von Nichtwohngebäuden der Öffentlichen Hand entspricht dem KfW-Effizienzhausstandard 55." Dieser Satz war eine Reaktion auf die auferlegte Pflicht der europäischen Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie (EPBD), quasi ab jetzt, ab Januar 2019, für neue Gebäude der Öffentlichen Hand einen Niedrigstenergiebeziehungsweise "Nearly-Zero-Energy"-Standard zu realisieren. Unter anderem wegen dieser Passage kippte der Referentenentwurf. Nicht, weil der Bund die damit beabsichtigte Vorbildfunktion nicht wahrnehmen wollte oder wahrnehmen will, sondern weil befürchtet wurde, dass ein KfW-55-Niveau dann ab 2021 auch für alle Wohnneubauten gelten würde. Dieses Datum enthält die europäische EPBD für alle übrigen Neubauten.
Doch hält sich die EPBD mit einer eindeutigen Definition zum Primärenergiebedarf von Niedrigstenergiegebäuden zurück. Sie sagt lediglich, das "ist ein Gebäude, das eine sehr hohe Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus Erneuerbaren Quellen […] gedeckt werden." Sie, ich meine damit das BBR und andere Behörden, haben eine moderate Baukostensteigerung durch KfW 55 von maximal 2,5 Prozent errechnet. Diese 2,5 Prozent wurden aber angezweifelt. KfW 55 verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Der neue Entwurf sagt nun überhaupt nichts Konkretes zum Primär- oder Endenergiebedarf von Neubauten der Öffentlichen Hand. Wie ist das mit der EU-Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie vereinbar?
Zunächst, Sie sprechen von Primärenergiebedarf beziehungsweise von Primärenergie. Die Richtlinie spricht nur von "Energiebedarf". Schon die Begrifflichkeit ist auf europäischer Ebene nicht unproblematisch.
Wir verstehen doch darunter den Einsatz von fossilen Energien, korrigiert mit einem Primärenergiefaktor, der die Förderung und Aufbereitung beinhaltet.
Das ist aber nicht ganz richtig. Zur Primärenergie zählt in der europäischen Normung auch Umweltenergie, insbesondere hier solarthermische und geothermische Gewinne am Gebäude. Diese Energieanteile sind, anders als in Deutschland, in vielen Nachbarländern auch in der Endenergie enthalten. Was wir in Deutschland unter Endenergie verstehen, ist im europäischen Sprachgebrauch "Delivered-Energy", also das, was zum Gebäude zu liefern und in der Regel auch zu bezahlen ist.
Das heißt, bei uns enthält der Begriff "Primärenergie" bestimmte Energieanteile nicht. Hat das denn irgendwo Konsequenzen?
Das hat Konsequenzen bei der Auslegung der Vorgabe der Richtlinie hinsichtlich der Erneuerbaren Anteile. Indem wir zum ersten die redundante, am Gebäude "gratis" verfügbare Energie gar nicht einrechnen. Dadurch haben wir zwei unterschiedliche Basiswerte. Zum zweiten, da wir in unsere Primärenergiefaktoren also nur die nicht Erneuerbaren Anteile einrechnen, ist der bei uns berechnete Primärenergiebedarf prinzipiell bereits ein Wert, der nur die nicht Erneuerbaren, die fossilen Anteile inkludiert. In dieser Konsequenz war Ihre einleitende Feststellung nicht ganz falsch.
Nebulös hoch zwei
Der aktuelle Entwurf streicht nun in der Vorbemerkung KfW 55 und ersetzt diesen Standard durch, ich zitiere: "Mit dem Gebäudeenergiegesetz werden die Anforderungen der EU-Gebäuderichtlinie sowohl zum 1. Januar 2019 für neue öffentliche Nichtwohngebäude als auch zum 1. Januar 2021 für alle neuen Gebäude in einem Schritt umgesetzt und die erforderliche Regelung des Niedrigstenergiegebäudes getroffen. Die aktuellen energetischen Anforderungen für den Neubau und den Gebäudebestand gelten fort."
Mit Verlaub, Herr Schettler-Köhler, das ist nebulös hoch zwei. Zugegeben, wenn die EU von "nahe null" spricht, dürfte das Niveau Niedrigstenergie von der Klassifizierung oder von der Pragmatik her korrekt sein. Was meint diese geänderte Passage aber mit Niedrigstenergie?
Der derzeitige Standard für neue Gebäude gilt seit 2016. Auch andere Mitgliedsstaaten haben etwa zur selben Zeit ihren Niedrigenergiegebäude-Standard nach der Richtlinie definiert; oft auch nicht ambitionierter als der deutsche EnEV-Standard von 2016. Die EU-Kommission erwartet wohl vor dem Hintergrund früherer Diskussionen eine Verschärfung der deutschen Neubauanforderungen. Allerdings sieht die Richtlinie vor, dass der energetische Standard nicht strenger sein muss als das "kostenoptimale Niveau", das die Mitgliedsstaaten nach einer durch EU-Verordnung festgelegten Methode berechnen müssen. Der aktuelle Bericht der Bundesregierung an die Kommission dazu vom Sommer 2018 bestimmt auf der Grundlage aktueller Rahmenbedingungen dieses Niveau als das Niveau der EnEV 2016, wenn man technologieoffen rechnet.
Einführung der Gebäudeautomation
Im Juli vergangenen Jahres hat die EU eine Änderung zur Gebäuderichtlinie EPBD im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Wie geht das GEG damit um?
Die EU-Mitgliedsstaaten haben für die meisten der neuen Vorgaben dieser neuen EU-Richtlinie 20 Monate Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen. Bei uns in Deutschland läge es mithin nahe, dies mit dem GEG zu tun. Die Änderungsrichtlinie 2018/844 sieht gegenüber der bisherigen Fassung der EPBD einige Änderungen vor. Was wir mit dem GEG ohne weitere Prüfung sofort umsetzen können, ist im Entwurf enthalten – etwa die Pflicht zur Übergabe einer Dokumentation bei wesentlichen Änderungen an haustechnischen Anlagen oder die Änderungen bei Inspektionspflichten. Die wesentlichste neue Vorgabe – Einführung einer Ausstattungspflicht mit Gebäudeautomationstechnik bei neuen und bestehenden größeren Nichtwohngebäuden – soll erst ab Anfang 2025 greifen, das hat also noch etwas Zeit und bedarf wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots vor allem im Bestand noch einiger Prüfungen und könnte bei einer weiteren Novelle des GEG in einigen Jahren umgesetzt werden.
EPBD und GEG bauen auf Energiebedarf und -verbrauch auf. Der Koalitionsvertrag enthält die Absicht, über ein alternatives Anforderungssystem nachzudenken, das an den CO2-Emissionen ausgerichtet ist. Als Zeitpunkt einer zu prüfenden Umstellung nennt der Vertrag das Jahr 2023. Was sich vernünftig anhört, denn mit der Energieeinsparung wollen wir ja den Klimaschutz erreichen.
Die Forderung nach einer Umstellung der Anforderungssystematik wird in Zusammenhang mit der Kostendämpfung insbesondere auch von Immobilienverbänden gestellt. Ihnen kommt es weniger auf den Ersatz der Primärenergieanforderung durch eine Klimaschutzanforderung an als auf den Ersatz der bisherigen Anforderung an den Wärmeschutz durch eine allgemeinere, nur auf die Endenergie bezogene Anforderung.
Doch auch das GEG enthält aus der bisherigen EnEV neben dem Primärenergiebedarf noch eine Anforderung, die auf den Wärmeschutz abzielt. An dieser Schraube können wir aber nicht mehr wirtschaftlich drehen, hier wären Verschärfungen in Zukunft nicht mehr vernünftig. Die weitere Verschärfung beim Wärmeschutz bedeutet bei vielen Gebäuden eine einseitige Optimierung, besonders unter Kostengesichtspunkten. Da der Wärmeschutz der opaken Außenbauteile an die Grenze der wirtschaftlichen Vernunft kommt, könnte man dann nur noch die Fenster kleiner machen, was oft absurd ist. Solange ich in Zukunft bei suboptimalen Untergrößen wie Wärmeschutz bleibe, erhöhen sich die Schwierigkeiten der Umsetzung. Auch über die Optimierung des gesamten Lebenszyklus muss man künftig nachdenken, wenn Anforderungen an den Wärmeschutz über das Optimum hinaus weiter verschärft werden.
CO2 statt Primärenergie
Nur, wie macht man das mit dem CO2 beim Strom? Wenn wir zukünftig strombasierte Heizungen installieren, könnte hier wieder ein "politischer" statt ein physikalischer CO2-Faktor vorgegeben werden. Haben wir überhaupt eine einheitliche europäische Berechnungsmethode?
Auch der CO2-Ansatz baut nach wie vor auf ein Referenzgebäude auf; man bestimmt den zulässigen CO2-Ausstoß durch Vergleich mit dem Referenzgebäude. Das Referenzgebäude hat eine Solarthermie-Anlage und einen Gas-Brennwertkessel. Für Strom enthält die Anlage zum GEG-Entwurf 2018 einen Wert von 560 g/kWh. Das entspräche einem Primärenergiefaktor von deutlich über 2.
Der Nachweis für ein strombasiertes Gebäude kommt damit der Realität sehr nahe, da ja heute schon der Anteil von Erneuerbarem Strom mehr als 40 Prozent beträgt. Die CO2-Betrachtung macht Sinn. Man muss sie allerdings mit einem neuen Effizienzkriterium, zum Beispiel dem Endenergiebedarf, verbinden. Eine künftige weitere Verschärfung der Wärmeschutzanforderungen könnte ansonsten das Bemühen um eine Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien ausbremsen.
Sowohl die Primärenergiefaktoren als auch die CO2-Umrechnungsfaktoren sollen zukünftig im GEG statt in den Berechnungsnormen geregelt werden. Dann kann der Gesetzgeber auch weitere Parameter, wie zum Beispiel die Versorgungssicherheit, die Nachhaltigkeit und eben die CO2-Emissionen, in gesetzliche Regelungen einfließen lassen. Die Methodik zur Berechnung der Emissionen soll in einer Anlage des GEG beschrieben werden, weil die Emissionen ohnehin künftig obligatorisch in Energieausweisen anzugeben sind. Auf Grundlage einer sogenannten Innovationsklausel kann der CO2-Ausstoß jetzt auch als Anforderungsgrundlage einige Jahre ausprobiert werden. In 2023 wäre dann darüber zu entscheiden, ob diese Anforderungsgröße generell eingeführt werden soll.
Die Anbieter von Stromdirektheizungen sind den GEG-Bearbeitern gram. Die Wärmepumpe erhält einen zusätzlichen Primärenergiebonus, den sie von dem Endergebnis der Primärenergieberechnung abziehen darf, wenn sie Strom aus der eigenen PV-Anlage einsetzt, während zum Beispiel der elektrischen Fußbodenheizung dieser Bonus verwehrt wird. Was spricht dafür oder dagegen?
Einige Protagonisten des GEG haben nach wie vor Probleme damit, den Strom als direkte Heizenergie für das gesamte Gebäude zu fördern. Die Betonung liegt auf "das gesamte Gebäude". Niemand ist gegen eine elektrische Direktheizung einzelner Räume, zum Beispiel im Badezimmer. Der Anteil des eigenerzeugten Stroms zur Deckung des Energiebedarfs basiert auf einer Bilanzierung. Das GEG will bei Wohngebäuden mit einer eigenen Photovoltaikanlage die Anrechnung einer Pauschale zulassen, die vom Jahresprimärenergiebedarf in Abzug gebracht werden darf. Diese neue Pauschale für den Umweltwärmegewinn – das ist der entscheidende Unterschied zwischen Wärmepumpen- und Direktheizung – soll nach den Vorstellungen der GEG-Protagonisten nicht gewährt werden, soweit beim Gebäude eine elektrische Direktheizung vorgesehen ist.
Ergänzung durch ErP-Richtlinie
Seit 2015 gilt die europäische Ökodesignrichtlinie oder auch ErP-Richtlinie. Sie schreibt bestimmte produktspezifische Eigenschaften vor, zum Beispiel den Wirkungsgrad von Kesseln oder von Wärmepumpen. Kann es hier zu Konflikten mit dem GEG kommen?
Nein. Wegen der ErP-Richtlinie können einige der bisherigen produktspezifischen EnEV-Regelungen, zum Beispiel bei Wärmepumpen und Kesseln, im GEG entfallen. Das kommt uns bei der Vereinfachung entgegen. Es gelten die Wirkungsgrade der ErP-Richtlinie.
Der Entwurf streicht "EnEV easy" als vereinfachtes Berechnungsverfahren für Wohngebäude ohne Klimaanlage und enthält stattdessen ein eigenes vereinfachtes Bewertungsverfahren.
Das ist ein Modellgebäudeverfahren, das alternativ zum Referenzgebäudenachweis als berechnungsloser tabellarischer Nachweis für ausgewählte Neuwohngebäude anwendbar ist. Es handelt sich um eine Fortschreibung von "EnEV easy", aber ohne die bisherigen, aus der rechtlichen Konstruktion resultierenden Restriktionen. Das Gebäude muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wie etwa Deckenhöhe, Größe, Fensterflächenanteil und anderes.
Der Entwurf enthält drei Tabellen mit Heizanlagenvarianten für ein freistehendes, für ein einseitig angebautes und für zweiseitig angebaute Gebäude. Er ordnet diesen Heizanlagenvarianten eine erforderliche Wärmeschutzvariante zu, die ebenfalls in einer Tabelle festgelegt ist. Zum Beispiel: Brennwertgerät zur Verfeuerung von Erdgas oder leichtem Heizöl, Solaranlage zur zentralen Trinkwassererwärmung, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Da dürfen es dann, je nach Größe des Gebäudes, die Wärmeschutzvarianten B und A sein. Führt man die aus, ist dem GEG Genüge getan. Differenzierte Kennwerte für Energieausweise bei derart errichteten Gebäuden werden dann Gegenstand einer Bekanntmachung der Bundesregierung sein.
Neuer Quartiersansatz
Ein Paragraph befasst sich mit der Wärmeversorgung von Quartieren. Zum Beispiel mit einer gemeinsamen Kesselanlage für mehrere Gebäude oder einem Blockheizkraftwerk, wie es ja in vielen Fällen gemacht wird. Dazu gab es auch einiges Gerangel mit den Immobilienverbänden.
Wir mussten zunächst einmal den Quartiersbegriff definieren. Einige Immobiliengesellschaften wollten offenbar, dass alles, was sie an Gebäuden besitzen, wie bei einer "Flottenverbrauchsregelung" in eine Tüte kommt. Ohne räumlichen Zusammenhang, etwa von Bonn bis Münster. Oder von Hamburg bis München. Nach der Regelung im GEG müssen die gemeinsam behandelten Gebäude in einem räumlichen Zusammenhang stehen, das sagt § 106 ganz klar.
Der Quartiersansatz erlaubt, den Wärme- und Kältebedarf eines "Quartiers" insgesamt zu betrachten. Allerdings muss er in Summe den aufaddierten Mindestanforderungen an die einzelnen Gebäude entsprechen; Fehlentwicklungen soll dadurch begegnet werden, dass auch das einzelne Gebäude Mindestanforderungen entsprechen muss – wenn auch recht großzügigen.
Man kann also nicht mit beispielsweise einem KfW 40-Haus, das weit unter den früheren EnEV-Forderungen liegt, den mäßigen Wärmeschutz an einem anderen Gebäude, der nicht dem GEG entspricht, kompensieren?
Das ist ein Problem der insgesamt etwas schwer miteinander vereinbarenden Festlegungen des Koalitionsvertrages. Die Anforderungen dürfen nicht verändert werden, insgesamt soll aber der gesamte Bau- und Planungsprozess vereinfacht werden. Welchen materiellen Vorteil hat der Investor mit dem Quartiersansatz? Es kann nicht sein, dass sich der gesamte Gebäudekomplex rechnen muss, doch Erleichterungen in den einzelnen Maßnahmen nicht gestattet sind. Also wird ein Quartiersansatz nur Sinn machen, wenn er auch mit einem Vorteil verbunden ist. Hier warte ich mit Spannung auf die Diskussionen.
Die Diskussionen sind das Stichwort: Wie geht es jetzt weiter? Könnte im Sommer 2019 ein GEG vorliegen?
Ich halte mich mit Prognosen zurück. Das, was jetzt durch die Ministerien zirkuliert, ist ein Arbeitsentwurf. Aus dem wird nach dem Umlauf ein Referentenentwurf. Der geht im Frühjahr 2019 zur Anhörung an die betroffenen Verkehrskreise, um nach Anpassung an die Ergebnisse dieser Anhörungen und nach Billigung durch das Bundeskabinett als Regierungsentwurf dem Bundestag und dem Bundesrat vorgelegt zu werden.
Allerdings ist das GEG kein Zustimmungsgesetz, sondern ein Einspruchsgesetz. Das heißt, der Einfluss des Bundesrats ist geringer als bei einem zustimmungsbedürftigen Gesetz. Der Bundesrat nimmt in erster Lesung Stellung; seine Stellungnahme wird dann durch Bundesregierung und den Deutschen Bundestag gewürdigt. Bei der dritten Lesung könnte der Bundesrat durch einen Einspruch seine abweichende Meinung zum Ausdruck bringen. Den Einspruch kann aber der Bundestag überstimmen. Aber wie gesagt: Zu der sicher noch langen Zeitschiene kann ich nichts prophezeien.
Es handelt sich beim GEG um ein Gesetz, nicht um eine Verordnung, wie es die EnEV war und noch ist. Eine Verordnung kann die Verwaltung, in diesem Fall die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrats erlassen oder ändern. Ein Gesetz muss durch alle Instanzen. Ich glaube, bei der EnEV haben wir mittlerweile die vierte oder fünfte Änderungsverordnung. Die Bestimmungen im GEG werden demgegenüber ein stärkeres Beharrungsvermögen haben. Das GEG wird ja wohl nicht so schnell auf neue Erkenntnisse reagieren können?
Zwischen den Gesetzesänderungen sind Änderungen maximal über das Instrument der Bekanntmachung möglich, soweit das Gesetz dies vorsieht. Ein Vorschlag des Bauressorts war 2015, ein modernes Gebäudeenergiegesetz zu machen, das den Verordnungsgeber ermächtigt, bestimmte Parameter und Vorgaben zu korrigieren beziehungsweise einzuführen. Das ist jetzt aus verschiedenen Gründen nicht geschehen. Die Bekanntmachungsermächtigungen beschränken sich verfassungsgemäß auf sekundäre Vorgaben, beispielsweise auf Angaben zur Mindest-Dämmstoffdicke für Armaturen und Rohrleitungen, auf die Energieausweis-Angaben beim Modellgebäudeverfahren oder auf die Muster für Energiebedarfs- und -verbrauchsausweise.
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