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Erneuerbare Energien

Neues Wärmepumpensystem für die Sanierung von Mehrfamilienhäusern

Dienstag, 04.08.2020

Geringe Austauschrate

Im Forschungsvorhaben liegt das Gewicht auf der Wärmeerzeugungsseite. Eingriffe in die bestehenden Verteil- und Übergabesysteme, insbesondere in den Wohneinheiten, müssen sich auf ein Mindestmaß beschränken. Im Rahmen des Forschungsprojekts berechneten die Fachplaner des Ingenieurbüros Schuler (IBS) die raumweise Heizlast ent-sprechend DIN EN 12831 für eine Außentemperatur von -12 °C (Solltemperaturen Schlafzimmer, Küche und Kinder-zimmer 20 °C, Wohnzimmer 22 °C, Bad 24 °C). Die Leistung der installierten Heizkörper entnahm IBS den Datenblättern der Hersteller.

Der Wärmepumpenbetrieb verlangt eine Absenkung der Systemtemperaturen gegenüber der Heizung mit Erdgas-kessel. Mit welcher Spreizung kommt der Bestand unter Berücksichtigung des Austauschs einiger weniger unterdimensionierter Heizkörper zurecht? Ein Vergleich der installierten Heizkörperleistung bei vier verschiedenen Systemtemperaturen mit der Norm-Heizlast des jeweiligen Raums führte zu folgendem Ergebnis:

  • Bei Systemtemperaturen von 70/55 °C sind alle Heizkörper ausreichend dimensioniert.
  • Bei 65/50 °C muss lediglich einer der 150 Heizkörper ausgetauscht werden.
  • Bei 60/50 °C sind vier Räume (= 3 Prozent) betroffen.
  • Für 55/45 °C müssen insgesamt 17 Heizkörper (= 11 Prozent) ausgetauscht werden.

Die Räume mit Engpässen befinden sich dabei hauptsächlich in Eckzimmern und in den Wohnzimmern im Obergeschoss mit relativ hohen Transmissionswärmeverlusten. Hierfür wurde jeweils eine Toleranz von 100 W angenommen: Wenn eine Heizkörperleistung nur knapp unterhalb der raumweisen Norm-Heizlast liegt, kann auf einen Austausch verzichtet werden.

Außenluft versus Geothermie

Die Auswirkungen von abgesenkten Systemtemperaturen auf die Jahresarbeitszahl (JAZ) und den Strombezug der Wärmepumpe wurden mittels Jahressimulation untersucht. Dazu wurden zwei Typen von Wärmepumpe mit jeweils 60 kW Nenn-Wärmeleistung verglichen: Eine Außenluft/Wasser-Wärmepumpe (Luft-WP) mit einer Leistungszahl von 3,7 bei A2/W35 sowie eine Sole/Wasser-Wärmepumpe mit Erdwärmesonden (Erd-WP) mit einer Leistungszahl von 4,8 bei B0/W35.

Das Gebäude besitzt eine Heizlast von 60,4 kW und eine durchschnittliche Last zur Erwärmung des Trinkwassers und Deckung der Speicher- und Zirkulationsverluste von 7,4 kW – also eine kombinierte Wärmelast von 67,8 kW bei einer Normaußentemperatur von -12 °C. Für eine einfache Bewertung des Systems wird ein monoenergetisches System betrachtet: Wenn die Heizleistung der Wärmepumpe zur Deckung der Last nicht ausreicht oder wenn die maximale Vorlauftemperatur der Wärmepumpe von 65 °C überschritten wird, liefert ein E-Heizstab die fehlende Leistung. Der Einsatz des Zusatzerzeugers erfolgt im bivalent-parallelen Modus, das heißt, der Heizstab wird parallel zur Wärmepumpe zugeschaltet.

Schema einer Energieversorgung mit Geothermie als Energieressource für die Wärmepumpe.
Quelle: Viessmann
Die Kombination von sowohl Außenluft als auch Geothermie als Energieressource für Wärmepumpen über eine entsprechende "Wärmequellenhydraulik" wird im Teil-Projekt "HEAVEN" untersucht (vgl. Gebäude 4 in Abb. 1).

Gestiegene Jahresarbeitszahlen

Die abgesenkten Systemtemperaturen steigern die Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpen für die Raumwärme deutlich: Bei der Luft-WP klettert die JAZ von 2,7 bei 70/55 um 21 Prozent auf 3,3 bei 55/45. Die Erd-WP erzielt bei 70/55 eine JAZ von 3,2. Eine Absenkung der Systemtemperaturen auf 55/45 verbessert die JAZ um 28 Prozent auf 4,1. Unter Berücksichtigung des Strombedarfs für die Zusatzheizung beträgt damit die Reduktion des Strombezugs für die Luft-WP 4,2 kWh/m²·a bzw. 18,5 Prozent und für die Erd-WP 3,9 kWh/m²·a bzw. 22,7 Prozent.

Zur Bewertung der ökonomischen Machbarkeit der "Low-Ex"-Maßnahme müssen die Kosten für den Austausch der Heizkörper den eingesparten Betriebskosten der Wärmepumpe durch geringeren Stromverbrauch über deren Betriebszeit gegenübergestellt werden. Der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung liegen folgende Annahmen zu Grunde: Investitionskosten für den Austausch je Heizkörper 500 Euro; sie setzen sich aus Kosten in Höhe von 250 Euro je Heizkörper (500 W Heizleistung bei 70/55) und 250 Euro für die Installation zusammen; Zinssatz 3 Prozent, Nutzungsdauer 20 Jahre, Strom-Bezugspreis 0,21 Euro/kWh. Der CO2-Emissionsfaktor für Bezug von Strom aus dem Stromnetz beträgt 523 g/kWh, der von Erdgas 220 g/kWh bezogen auf den Heizwert.

Einsparungen höher als Ausgaben

Daraus ergeben sich, je erzielter Systemtemperatur, unterschiedliche Investitionskosten für den Austausch der Heizkörper. Um Nenn-Vorlauf- und -Rücklauftemperaturen von 55/45 zu erreichen, müssen beispielsweise 17 Heizkörper ausgetauscht werden, was einer annuisierten jährlichen Abschreibung der Investitionskosten in Höhe von 571 Euro/a entspricht. Demgegenüber stehen die eingesparten Stromkosten durch die verbesserten Jahresarbeitszahlen und einen verringerten Einsatz der Zusatzheizung. Bei Systemtemperaturen von 55/45 werden bei dem betrachteten Luft/Wasser-Wärmepumpensystem beispielsweise 9.024 kWh/a gegenüber Systemtemperaturen von 70/55 eingespart. Bei den angelegten Strompreisen von 0,21 Euro/kWh entspricht dies einer jährlichen Einsparung der Stromkosten von 1.410 Euro/a. Vergleicht man die Investitionskosten für die Heizkörper mit den eingesparten Stromkosten, ergibt sich daraus insgesamt eine annuisierte jährliche Einsparung von 838 Euro/a. Bei dem untersuchten Erdwärmesonden-Wärmepumpensystem betragen die Einsparungen 746 Euro/a.

Die Tabelle zeigt die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für Gebäudetyp 1 mit einer Wohnfläche von 2.113 m².
Quelle: Fraunhofer ISE
Zur Bewertung der ökonomischen Machbarkeit der "Low-Ex"-Maßnahme müssen die Kosten für den Austausch der Heizkörper den eingesparten Betriebskosten der Wärmepumpe durch geringeren Stromverbrauch über deren Betriebszeit gegenüber- gestellt werden (hier: Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für Gebäudetyp 1 mit einer Wohnfläche von 2.113 m²).

Das Diagramm zeigt die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für Gebäudetyp 1 mit einer Wohnfläche von 2.113 m².
Quelle: Fraunhofer ISE

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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