Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen auf Wasserstoff als Schlüsselelement bei der Weiterentwicklung der Energiewende. Mit der Verabschiedung der Nationalen Wasserstoffstrategie im Juni vergangenen Jahres hat das Bundeskabinett Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Deutschland unter anderem eine internationale Vorreiterrolle bei der Entwicklung und dem Export von Wasserstofftechnologien sichern sollen. Der Fokus liegt dabei auf dem Einsatz von Wasserstoff in der Industrie und im Verkehrssektor. Aber auch der Wärmemarkt wird in dem Papier als potentielles Einsatzgebiet genannt. Doch benötigen wir im Wärmemarkt überhaupt eine weitere klimafreundliche, erneuerbare Alternative zu fossilen Brennstoffen?
Braucht es Wasserstoff?
Studie des Fraunhofer IEE zur Gebäudewärme – eine Einschätzung
Dienstag, 06.07.2021
Die Energiewende braucht sofortiges Handeln. Alles, was unser Handeln verzögert, ist verlorene Zeit für den Klimaschutz. Im Gegensatz zu Wasserstofftechnologien, die für den breiten Markt erst noch entwickelt werden müssen, sind Wärmepumpen bereits technologisch ausgereift, ausreichend verfügbar und sparen sofort CO2 ein. Und auch das Umweltbundesamt bestätigt: „Umgebungswärme und Wärmepumpen sind unverzichtbarer Bestandteil der Konzepte, um die langfristigen energie- und klimapolitischen Ziele umzusetzen: Ein (nahezu) »klimaneutraler Gebäudebestand« oder sogar ein »treibhausgasneutrales Deutschland« können nur mit einer sehr großen Anzahl an energieeffizienten Wärmepumpen in sehr gut gedämmten Häusern erreicht werden.“
Untermauert wird dies durch eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE. Die Studie „Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem: Fokus Gebäudewärme“ vom Mai 2020, die im Auftrag des IZW e.V. – Informationszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik durchgeführt wurde, beantwortet die Fragen, wie sich die Wasserstoffversorgung grundsätzlich darstellt und wie sinnvoll Wasserstoff für die Gebäudewärmeversorgung ist.
Entscheidend für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist der Ausbau erneuerbarer Energien, denn Wasserstoff ist keine eigenständige Energiequelle, er muss erst synthetisch erzeugt werden. Das Fraunhofer IEE stellt fest, dass die Anwendungsfelder für Wasserstoff entsprechend genau sondiert werden müssen. Derzeit gibt es in Deutschland noch keine nennenswerten Mengen an grünem Wasserstoff. Es werden gerade erst die Technologien aufgebaut, um die benötigten Mengen zu produzieren. Das Fraunhofer IEE geht davon aus, dass hierzulande 600 bis 1.000 TWh benötigt werden, wovon nur eine kleine Menge in Deutschland selbst erzeugt werden kann. Der Bedarf kann also nur über Importe gedeckt werden. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, Wasserstoff nur da einzusetzen, wo es keine Alternativen gibt, um weitere Abhängigkeiten bei der Energieversorgung und lange Transportwege zu umgehen.
Nur „grüner Wasserstoff“ ist wirklich nachhaltig
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Wasserstoff zu erzeugen: Aktuell wird Wasserstoff über Dampfreformer aus Erdgas hergestellt. Dabei entweicht CO2 in die Atmosphäre, weshalb dieser Wasserstoff als „grauer Wasserstoff“ bezeichnet wird. „Grauer Wasserstoff“ kommt schon jetzt vor allem in der Chemieindustrie im großen Stil zum Einsatz.
Beim „blauen Wasserstoff“ wird das CO2, das bei der Dampfreformierung entsteht, abgeschieden und gespeichert (CCS: Carbon Capture and Storage). Dieses Verfahren führt aber nicht dazu, dass der erzeugte Wasserstoff CO2-neutral ist. Das liegt daran, dass das Erdgas von der Quelle bis zur Nutzung über Pipelines transportiert werden muss, die keine vollständige Dichtheit aufweisen. Methan entweicht so über den Transportweg in die Atmosphäre und trägt zum Treibhauseffekt bei. Zudem muss man die moralische Frage bei der Einlagerung bedenken, die ja auch im Zusammenhang mit der atomaren Endlagerung nicht gelöst ist. In Deutschland selbst ist CCS gesellschaftlich nicht akzeptiert. „Blauer Wasserstoff“ kann somit nur eine Brückentechnologie in das Wasserstoffzeitalter sein, wie er auch von der Bundesregierung eingeordnet wurde. Nur beim „grünen Wasserstoff“ erfolgt die Erzeugung CO2-neutral aus erneuerbaren Stromquellen.
„Grauer Wasserstoff“ wird aktuell vor allem in der Ammoniak-, Dünger- und Methanolproduktion eingesetzt. Hier bietet „grüner Wasserstoff“ einen sinnvollen und nachhaltigen Ersatz. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Wasserstoff-Direktnutzung in der Industrie bei der Erzeugung von Prozesswärme in zentralen Anwendungen. Hinzu kommt der Einsatz von Wasserstoff insbesondere bei der Stahlherstellung. Wasserstoff-Kraftwerke können auch als Back-up-Kraftwerke in Zeiten dienen, wenn Sonne und Wind nicht genügend erneuerbaren Strom einspeisen. Im internationalen Flug- und Seeverkehr sowie als Ersatz von fossilen Rohstoffen in der chemischen Industrie und im Verkehr als Konkurrenz zu elektrischen Antrieben ist der Einsatz von Wasserstoff ebenso denkbar. Ein weiteres, von der Bundesregierung nicht ausgeschlossenes Einsatzgebiet ist die Wasserstoff-Direktnutzung in der Gebäudewärmeerzeugung – in Konkurrenz zu elektrischen Wärmepumpen.
Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt
Diese Einsatzfelder lassen sich nach Wirkungsgrad und Infrastrukturanforderung klar priorisieren. Im Hinblick auf den Wärmemarkt zeigen die Ergebnisse der IEE-Studie Folgendes: Gesellschaftlicher und politischer Konsens der letzten Jahre war, dass die direkte Stromnutzung dort, wo technisch sinnvoll, zu maximieren ist. Bei der Gebäudewärmeversorgung ist Power-to-Gas aufgrund zu hoher Umwandlungsverluste (Strom – Elektrolyse – Methanisierung – Wärme) keine Option. Der Verlust von Primärenergie in der Wasserstofferzeugung wird auf bis zu 40 Prozent geschätzt. Die Wärmepumpe bietet hier klare Effizienzvorteile: Aus 1/3 Strom und 2/3 Umweltwärme wird Wärme. Der Wirkungsgrad einer Wärmepumpe ist um ein Vielfaches höher. Nun werden diese Erkenntnisse erneut in Frage gestellt, weil durch eine mögliche direkte Nutzung des Wasserstoffs im Gebäude ein Umwandlungsschritt (die Methanisierung) entfällt. Das Fraunhofer IEE sieht aufgrund der verbleibenden Wirkungsgradkette eine Nutzung von Wasserstoff weiterhin nicht für die Gebäudewärme geeignet und sinnvoll. Es verwundert daher schon sehr, dass Wasserstoff auch im Bereich der Gebäudewärme von der Bundesregierung als Alternative angedacht wird.
Heute spricht man von Wärmewende und Sektorkopplung: Sektorkopplung bedeutet, den Wärmemarkt für Stromanwendungen zu erschließen und den zunehmend erneuerbaren Strom für Heizzwecke einzusetzen. Das Schlagwort dafür lautet „Power-to-Heat“. Diese Technologien, die den Strom hocheffizient nutzen, sind daher ein Schlüsselelement für die gesamte Energiewende. Wärmepumpen erfüllen all diese Anforderungen bestens, da sie den grünen Strom nicht einfach „verheizen“, sondern durch ihn ein Vielfaches an erneuerbarer Umweltwärme nutzen. Bei hohem Ökostromanteil und hoher Effizienz sind sie klimafreundlicher als alle verbrennungsbasierten Heiztechnologien. Sie können Ökostrom, der bei Überkapazitäten abgeregelt werden müsste, in Wärme umwandeln und speichern. Und sie sind die einzige Technologie, die ganzjährig und in großen Stückzahlen nachhaltig eine erneuerbare Wärmeversorgung garantieren kann. Die Notwendigkeit einer starken Integration von Strom- und Wärmemarkt mithilfe von Wärmepumpen wird unter anderem von mehreren Fraunhofer-Instituten als auch von der Internationalen Energieagentur (IEA) bestätigt.
Natürlich stellt sich dabei die Frage, ob genügend grüner Strom zur Verfügung steht, um eine flächendeckende Verbreitung der Wärmepumpe im Gebäudebereich abzudecken. Das Fraunhofer IEE sagt hierzu ganz klar: „Ja“. Es hat die unterschiedlichen Hochrechnungen vom Bundesministerium für Umwelt (BMU), vom Umweltbundesamt, vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) und ihre eigenen Hochrechnungen aus dem Barometer der Energiewende verglichen und kommt zu dem Schluss, dass die zukünftige Nachfrage nach grünem Strom durch den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien aus heimischer Erzeugung gedeckt werden kann. Hinzu kommt, dass eine hohe Versorgungssicherheit durch den europäischen Netzausgleich gegeben ist.
Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden
Allein auf die Gebäudebeheizung (Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistung) entfällt mehr als die Hälfte des deutschen Gasverbrauchs. Und von den 21 Millionen Heizungsanlagen in Deutschland sind mindestens zwölf Millionen veraltet, ineffizient und nutzen keine erneuerbare Energie. So schlummert im Gebäudesektor ein gewaltiges Energieeinspar- und CO2-Minderungspotential. Mit 55 bis 60 Prozent konzentriert sich der Wärmepumpenabsatzmarkt heute stark auf den Neubaubereich. Im Neubau hat sich die Wärmepumpe als Standardtechnologie etabliert – ihr Anteil lag 2019 laut Statistischem Bundesamt bereits bei über 46 Prozent. Zur Erreichung der Klimaziele ist jedoch ein flächendeckender Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden notwendig, so das Fraunhofer IEE in seiner Studie. Dafür werden laut aktuellen Prognosen der Denkfabrik Agora Energiewende und des BDI bis 2050 sieben bis 14 Millionen Wärmepumpen benötigt.
Am Markt sind mittlerweile Wärmepumpen erhältlich, wie zum Beispiel die Hochtemperatur-Luft/Wasser-Wärmepumpe Daikin „Altherma 3 H HT“, die auch für den ungedämmten Altbau hohe Vorlauftemperaturen (bis 70 °C) bereitstellen können. Mit diesen Wärmepumpen ist es einfach, bestehende Öl- oder Gasheizungen auszutauschen.
Durch die hohe Endenergieausnutzung sind Wärmepumpen eine Komplettlösung für die intelligente Gebäudekonditionierung und ein wesentlicher Baustein zur Umsetzung der Energiewende im Gebäudebereich. Mit dem Klimaschutzpaket und der CO2-Bepreisung von Verkehr und Wärme seit 2021 hat die Politik die Richtung vorgegeben: Im Verhältnis wird Strom durch das Ansteigen der Preise für fossile Brennstoffe in Zukunft günstiger werden. Hinzu kommt, dass der Ökostrom-Anteil kontinuierlich wächst. Das bedeutet, Heiz- und Klimatechnologie basierend auf dem Wärmepumpenprinzip trägt bereits heute zu einer weitgehend treibhausgasneutralen Energieversorgung bei.
Fazit
Gebäude, die mit Wärmepumpen ausgestattet sind, entlasten die Nachfrage nach Wasserstoff. Für die Bereiche, die wirklich auf „grünen Wasserstoff“ als erneuerbare Energiequelle angewiesen sind, stünde der Gebäudesektor nicht in Konkurrenz, sondern entlastet die Nachfrage. Und auch das Fraunhofer IEE kommt zum Schluss, dass für eine Versorgung der dezentralen Gebäudewärme der Einsatz von Wasserstoff nicht notwendig ist: Letztendlich kommt „grüner Wasserstoff“ für eine CO2-Einsparung im Gebäudebereich zu spät. Eine Wärmeversorgung mit elektrischen Wärmepumpen ist effizienter und effektiver gegenüber der Verwendung von Wasserstoff.
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