Heizen und Kühlen mit Erdwärmekollektoren ist nachhaltig und umweltbewusst. Erstaunlicherweise gibt es aber bei Nutzung der oberflächennahen Erdwärme noch offene Fragen: Was sind die Auswirkungen des sommerliche Kühlfalls auf die Untergrundtemperaturen? Wie leistungsfähig ist des Kollektorsystem für diese Betriebsweise?** In unserem Artikel bekommen Sie Antworten aus der Praxis.
Erkenntnisse zur Kühlung mit oberflächennaher Erdwärme
Von der Idee zur Umsetzung
Montag, 19.09.2016
Bei der Errichtung eines neuen Besucherzentrums der Rinn GmbH in Stadtroda stand bereits am Anfang der Planung fest, dass sich die Verbundenheit mit natürlichen Baustoffen, mit denen das Unternehmen tagtäglich zu tun hat, auch im Heiz- und Kühlkonzept widerspiegeln muss.
Das Ingenieurbüro Horn wurde mit der Planung einer Wärmepumpen-Anlage beauftragt und erarbeitete in der Umsetzung ein innovatives Heizungs- und Kühlkonzept auf Basis von Erdwärmekollektoren. Basierend auf den Erfahrungen von Rehau wurden oberflächennahe Spiralkollektoren, sogenannte „Helix“, eingeplant, die zur Deckung des Heiz- und Kühlbedarfes eingesetzt werden.
Doch wie wirkt sich der sommerliche Kühlfall auf die Untergrundtemperaturen aus und wie steht es um die Leistungsfähigkeit des Kollektorsystems für diese Betriebsweise?
Diese Fragestellungen sind an Praxisanlagen bisher kaum genauer untersucht worden, daher wurde eine durch das Ingenieurbüro Horn begleitete Diplomarbeit der Fachhochschule Gießen ins Leben gerufen, um mehr über die Funktionsweise der Erdwärme-Anlage im Kühlfall zu erfahren. Im Rahmen dieser von Tobias Burkart durchgeführten Diplomarbeit wurden die ersten Betriebsmonate der Erdwärme-Anlage untersucht und ausgewertet. Mit dem Abschluss der Arbeit wurde das Monitoring durch Rehau übernommen.
Details der Erdwärme-Anlage
Auf Basis der Heiz- und Kühllastberechnung wurde durch das Ingenieurbüro Horn eine passende Wärmepumpe für das geplante Besucherzentrum des Ideengartens der Firma Rinn ausgewählt. Die Sole/Wasser-Wärmepumpe, eine Viessmann-„Vitocal 200-G“, besitzt eine Heizleistung von 13,0 kW bei einem COP von 4,5 [1]. Für den Kühlfall wurde eine abzudeckende Spitzenlast von 6,85 kW ermittelt. In der planerischen Betrachtung mussten somit beide Lastfälle berücksichtigt werden.
Da jedoch nur begrenzt Erfahrungen in dem Bereich der oberflächennahen Kühlung mit Erdwärme vorlagen, wurden seitens des Ingenieurbüros entsprechende Sicherheiten eingeplant. Die Berechnungen ergaben, dass der Einsatz von 30 „Helix“-Sonden ausreichend sein sollte, um die beiden Lastfälle abdecken zu können.
Im Rahmen der Diplomarbeit von Tobias Burkart sollten zudem verschiedenste Verlegevarianten des vertikal zu installierenden Erdwärme-Kollektorsystems und deren Einfluss genauer untersucht werden, um mehr Erfahrung für die Dimensionierung von vertikalen Spiralkollektoren im Kühlfall zu erhalten. Neben der klassischen Verlegung der „Helix“-Sonden im Tiefenbereich von 1,5 bis 4,5 m wird das Monitoring auch an einer tiefen „Helix“-Sonde zur Aktivierung des Tiefenbereichs von 1,5 bis 7,5 m sowie einer eingebrachten Sonde unter einer gepflasterten Fläche untersucht.
In der Diplomarbeit wird die bodenkundliche Aufnahme vor Ort genauer beschrieben [1]. Über den gesamten aufgenommenen Bereich von 4,1 m unter GOK (Geländeoberkante) wurde Feinsand, schwach bis stark schluffig, angetroffen. Ab einer Bohrtiefe von 4 m wurde ein sehr stark verwitterter Feinsandstein angetroffen. Nach Abschluss der Bohrarbeiten in einer Tiefe von 4,1 m unter GOK kam es zu einem Wasssereinstau von wenigen Zentimetern, der sich auch in einigen Bohrlöchern während der Installationsarbeiten zeigte. Ein weiterer Anstieg des Wasserstandes wurde nicht verzeichnet. Ein Grund- oder Stauwassereinfluss bei der Installation der doppelten „Helix“-Sonde wurde nicht dokumentiert, ist jedoch aufgrund der vorliegenden Informationen zu erwarten. Eine genauere hydrogeologische Betrachtung wurde nicht vorgenommen und wäre im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand im Rahmen der Diplomarbeit auch nicht abzubilden gewesen.
Details zu den Monitoringdaten der Erdwärme-Anlage
Im Blickpunkt der hier dargestellten Untersuchungen steht vor allem die Auswirkung auf den Untergrund bei verschiedenen Installationsvarianten innerhalb eines Betriebsjahres. Es wurden daher drei „Helix“-Sonden während des Einbaus mit Temperaturfühlern in verschiedenen Tiefen (Tab.) ausgerüstet.
Die ungestörte Erdreichtemperatur wird in einer separaten Bohrung in einiger Entfernung zu den installierten Sonden, in Tiefen von 2,0, 1,0 sowie 0,05 m unter GOK, erfasst. Die ungestörte Erdreichtemperatur stellt dar, wie sich die Temperatur im Untergrund verhalten würde, wenn keine Erdwärme-Anlage vorhanden wäre. In den nachfolgend dargestellten Grafiken und Auswertungen bildeten die gemessenen ungestörten Erdreichtemperaturen die Basis für die Vergleiche mit den durch die „Helix“ beeinflussten Temperaturen. In Abb. 1 sind neben den ungestörten Erdreichtemperaturen in 1 m bzw. 2 m Tiefe unter GOK auch die nach Arya rechnerisch ermittelten ungestörten Erdreichtemperaturen dargestellt. Für die in der Berechnung benötigten klimatischen Inputwerte wurden die Stationsdaten der DWD-Station 10567 Gera angesetzt [3]. Für die bodenkundlichen Inputwerte wurden die in Ramming verwendeten bodenkundlichen Stoffdaten für ungefrorenen Boden verwendet [4].
Tu (z, t) = Tm+A0 exp ( -z―D ) sin ( 2π —p ) (t – tm )–z–D
Wie in Abb. 1 deutlich wird, ist der Temperaturverlauf zwischen den gemessenen und den errechneten Graphen ziemlich ähnlich.
Insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass die verwendeten Berechnungsparameter entsprechenden Toleranzen unterliegen.
Darstellung des Winterbetriebs der Erdwärme-Anlage
Von der theoretischen Betrachtung ausgehend, wird eine Kollektoranlage so ausgelegt, dass sie im Winter gewollt unter 0 °C fährt, um die im Phasenübergang enthaltene Energie ausnutzen zu können. Insbesondere bei einer „Helix“-Sonde ist aufgrund der vorhandenen Geometrie von einer stärkeren Reaktion, also von einem schnelleren Einfrieren auszugehen [4]. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn die Temperaturen in den „Helix“-Sonden unter 0 °C sinken würden. In Abb. 2 a und b wurden die Temperaturen im Zeitraum von vier Tagen um die niedrigste gemessene Erdreichtemperatur dargestellt. Hierbei wurde zwischen den Tiefenbereichen von 2,4 m und 4,4 m unter GOK unterschieden.
Obwohl der Bereich mit den tiefsten Temperaturen und damit verbunden auch der höchsten Lastanforderung betrachtet wurde, ist deutlich zu erkennen, dass die Erdreichtemperaturen bei 2,4 m unter GOK vereinzelt geringfügig unter 0 °C fallen. Ein Einfrieren, wie es zu erwarten gewesen wäre, ist nicht zu erkennen. Im tieferen Bereich, also am unteren Ende der „Helix“-Sonde, wurden Temperaturen, die deutlich im positiven Bereich liegen, gemessen. Ebenso ist zu erkennen, dass ein Unterschied zwischen dem Einbau unter Pflaster oder Gras nicht zu erkennen ist. Werden die ungestörten Erdreichtemperaturen mit den in der „Helix“-Sonde gemessenen niedrigsten Temperaturen, also in der Tiefe von 2,4 m unter GOK, verglichen, zeigt sich eine Temperaturdifferenz von etwa 5 K.
Darstellung des Sommerbetriebs der Erdwärme-Anlage
Im Sommerfall sollen ebenso wie im Winterfall die Extremwerte betrachtet werden. In Abb. 3 a und b wurden daher die Erdreichtemperaturen von vier Tagen um die höchsten ermittelten Werte dargestellt.
Aufgrund der gemessenen ungestörten Erdreichtemperaturen (Abb. 1) war davon auszugehen, dass die durch den aktiven Kühlfall verursachte Temperaturveränderung dazu führen müsste, dass die gemessene Temperatur in der „Helix“-Sonde schnell über die der ungestörten Erdreichtemperatur steigt. Dass diese Temperaturen jedoch nahe an der ungestörten Erdreichtemperatur liegen, war nicht zu erwarten. Im Bereich von 2,4 m unter GOK ist trotz der Lastfälle ein ziemlich konstanter Temperaturverlauf zu erkennen. Aus der Tiefenmessung bei 4,4 m unter GOK ergeben sich deutliche Anforderungsbedarfe über den Tag. Die von der Wärmepumpe kommende Sole wird direkt in den tieferen Bereich der „Helix“-Sonde geleitet und läuft dann spiralartig nach oben. Wird die Differenz zur ungestörten Erdreichtemperatur betrachtet, so ergeben sich für den Lastfall Differenzen von etwa 4,5 K. Die auf den Lastfall folgende Temperaturerholung ist deutlich zu erkennen. Ob dies mit dem temporär angetroffenen Schichtenwasser zusammenhängt, konnte nicht geklärt werden. Die Erholung der Erdreichtemperatur in der „Helix“-Sonde ist selbst innerhalb der kurzen Zeitphase zwischen den Lastfällen deutlich zu sehen. Im Tiefenbereich von 2,4 m unter GOK beträgt die Differenz zur rechnerisch ermittelten ungestörten Erdreichtemperatur maximal 3,5 K. Da sich im oberen Messbereich die Lastverläufe nicht mehr darstellen lassen, kann daraus geschlossen werden, dass ein sehr guter Wärmeübergang im unteren und mittleren Bereich der „Helix“-Sonde über die Spiralen erfolgt. Eine übermäßige Belastung des Erdbereiches ist nicht zu erkennen, wie auch aus Abb. 4 ersichtlich wird, in welcher der Jahresverlauf der doppelten „Helix“ dargestellt ist.
Im sommerlichen Lastfall ist im Tiefenbereich von 0,8 m unter GOK, also in einem Abstand von etwa 0,7 m zur „Helix“-Sonde, zu erkennen, dass die gemessenen Erdreichtemperaturen in der „Helix“ und die ungestörte Erdreichtemperatur keinen signifikanten Unterschied aufweisen. Damit wird die Vermutung bestätigt, dass sich im oberen Installationsbereich keine signifikanten Temperaturänderungen des Erdreichs einstellen.
Fazit
Die bisherigen Lastanforderungen im Winter- und Sommerbetrieb konnten über die Erdwärme-Anlage mit „Helix“-Sonden sicher abgetragen werden. Die auf den Kühlfall ausgelegte Anlage führt dazu, dass im Winterbetrieb nur vereinzelt Temperaturen um bzw. unter 0 °C auftreten. Die Ausbildung einer Vereisung war nicht zu erkennen und ist im weiteren Betriebsverlauf auch nicht zu erwarten. Für den Kühlfall im Sommer kommt es zu einer guten Lastabtragung über die Spiralen der „Helix“-Sonde im tieferen Bereich des Erdreiches, was dennoch nicht zu einer übermäßigen Temperaturerhöhung gegenüber der ungestörten Erdreichtemperatur führt. Gegenüber der rechnerisch ermittelten ungestörten Erdreichtemperatur konnten Temperaturerhöhungen von nur etwa 4,5 K gemessen werden. Ein signifikanter Einfluss des Erdreiches durch den Kühlfall zeigte sich nicht. Bezogen auf das eingesetzte vertikale Spiral-Erdwärmekollektorsystem („Helix“) konnte festgestellt werden, dass bei entsprechender Dimensionierung der Einsatz zur Kühlung eines Gebäudes gegeben ist. Eine signifikante Temperaturänderung der ungestörten Erdreichtemperatur ist bei entsprechender Planung nicht zu erwarten. Die ermittelten Temperaturdaten lassen sogar den Schluss zu, dass das installierte Kollektorsystem ausreichend Reserven auch für länger andauernde Lastfälle besitzt.
Danksagung Ich möchte mich für die gute Zusammenarbeit und die Bereitstellung der Materialien für diesen Artikel ganz herzlich bei der Rinn GmbH, dem Ingenieurbüro Horn und Herrn Burkart bedanken.
Literatur:
[1] Burkart, T.; Analyse des thermischen Verhaltens von Erdwärmekörben zur Beheizung und Kühlung von Gebäuden; Fachhochschule Gießen; Diplomarbeit 2014 [2] Arya, S. Pal.; Introduction to Mircometeorology; London; Academic Press, 2001 [3] DWD; Homepage des Deutschen Wetterdienstes (DWD), 15.05.2015 [4] Ramming, K.; Bewertung und Optimierung oberflächennaher Erdwärmekollektoren für verschiedene Lastfälle; Dresden; Technische Universität Dresden, 2007
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