Wer heute baut, saniert oder anbaut, muss gegebenenfalls die Energieeinsparverordnung (EnEV) [1] und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) [2] beachten. Diese beiden Regeln soll der Bund noch dieses Jahr zusammenführen, auch im Sinne der EU-Vorgaben für den Niedrigstenergie-Standard im Neubau.
Europäisches und deutsches Gebäude-Energiesparrecht im Fokus
Montag, 10.04.2017
Deutschlands Baubestand soll bis 2050 klimaneutral sein. Den Weg dahin weisen der "Nationale Aktionsplan Energieeffizienz" (NAPE) [3] von 2014 – der sich auf dem Heizungsmarkt bereits auswirkt - sowie der "Klimaschutzplan 2050" [4], der bis Ende dieses Jahres ansteht.
1. Europäische und deutsche Energiespar-Regelungen für Gebäude
Aktuell gilt die "EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden" von 2010 [5], in der Fachwelt über die englische Abkürzung EPBD (Directive on the Energy Performance of Buildings) [6] bekannt. Sie verpflichtet die EU-Länder, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Gebäude energieeffizient errichtet und saniert werden. Eine der Vorgaben betrifft den Neubau: Ab 2021 dürfen nur noch Niedrigstenergie-Gebäude zugelassen werden. Für öffentliche Bauten gilt diese Pflicht bereits ab 2019.
Das Energieeinsparungsgesetz (EnEG 2013) [7] setzt die EU-Richtlinie hierzulande um. Es ermächtigt die Bundesregierung, Regelungen wie die Energieeinsparverordnung (EnEV) zu erlassen. Letztere fordert energieeffiziente Gebäude. Dabei dienen der Primärenergiebedarf für die Anlagentechnik und der Wärmeschutz der Bauhülle als Messlatte. Noch bis Jahresende muss eine novellierte EnEV den EU-Niedrigstenergiestandard festsetzen.
Bei dieser Gelegenheit will der Bund auch das geltende EEWärmeG 2011 neu konzipieren und mit der novellierten EnEV zusammenführen. Dieses war auch der Wunsch der Länder anlässlich der Bauministerkonferenz [8]. Das EEWärmeG 2011 setzt die EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen von 2009 [9] in Deutschland um. Es verpflichtet Eigentümer von Neubauten und bestimmten großflächigen Anbauten, den Wärme- und Kältebedarf im Gebäude teilweise über er-neuerbare Energien zu decken oder die Energieeffizienz des Gebäudes über anerkannte Ersatzmaßnahmen zu steigern. Wenn öffentliche Gebäude umfangreich saniert werden, greift das EEWärmeG ebenfalls.
2. NAPE und seine Auswirkungen im Wärme- und Heizungsmarkt
Mit dem "Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz" (NAPE) setzt die Bundesregierung die EU-Richtlinie zur Energieeffizienz von 2012 [10] um. Ziel des NAPE ist es, den Primärenergiebedarf in Deutschland aus dem Jahr 2008 bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Bis einschließlich 2013 betrug die Reduzierung aller-dings nur ca. 5,1 Prozent. Dies zeigt, dass offensichtlich verstärkte Maßnahmen erforderlich sind, um das gesetzte Ziel zu erreichen.
Der NAPE-Aktionsplan kombiniert ordnungsrechtliche und fördertechnische Maßnahmen für alle Anwendungssektoren und Energieträger. Doch zu versorgungstechnischen Anlagen sieht er bisher nur indirekte Maßnahmen vor, wie die Förderung für Heizungssanierungen und erneuerbare Wärmeerzeugung durch die KfW [11] und BAFA [12] oder die Umsetzung der europäischen Öko-Design-Richtlinie von 2013 [13] in Bezug auf die Energieeffizienz und die Einführung von Energielabeln für Wärmeerzeuger. Dazu zählen auch die erhöhten Anforderungen der EnEV ab 2016 an Neubauten: Der erlaubte Jahres-Primärenergiebedarf ist um 25 Prozent gesunken. Dadurch wird der Einbau konventioneller Kessel in Neubauten erschwert. Ob die kommende EnEV-Novelle die Anforderungen an die Energieeffizienz von Wärmeerzeugern nochmals anhebt, bleibt abzuwarten.
Der Aktionsplan wirkt sich in der Praxis soweit bisher nur indirekt auf den Wärme- beziehungsweise Heizungsmarkt aus. Angesichts der gesetzten Ziele – bis 2020 strebt der NAPE eine 20-prozentige Senkung des Primärenergiebedarfs gegenüber 2008 an und die Bundesregierung will die CO2-Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken – ist mit weiteren Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes fossiler Energie in Heizungsanlagen zu rechnen.
3. Künftiger Niedrigstenergie-Standard für Neubauten
Entsprechend der EU-Gebäuderichtlinie 2010 müssen Neubauten künftig im Niedrigstenergie-Standard errichtet werden, und zwar nach folgendem Zeitplan: ab 2019 öffentliche Gebäude, ab 2021 alle privatwirtschaftlichen Bauten. Gemäß den EU-Vorgaben weist ein Niedrigstenergiegebäude eine sehr hohe Gesamtenergieeffizienz auf: "Der fast bei null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden." [14]
Die EU-Kommission hat im letzten Jahr den Entwurf einer sogenannten "Guidance Note" (Leitfaden) veröffentlicht. Darin stellte sie den Niedrigstenergie-Gebäudestandard vor. Dieser würde einem KfW-Effizienzhaus 40 entsprechen, das heißt, ein Primärenergiebedarf von etwa 30 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a). Zwar hat die EU-Kommission diesen Leitfaden wieder zurückgezogen, aber er zeigt, was sie sich vorstellt.
Ministerialrat Rathert vom Bundesbauministerium (BMUB) erläuterte die Situation: "Wir haben jetzt, mit der geltenden EnEV, den KfW-Effizienzhaus 75-Standard erreicht, und die EU-Kommission möchte einen KfW-Effizienzhaus 40-Standard einführen. Wir haben mit unserem Wirtschaftlichkeitsgutachten festgestellt, dass wir einen Verschärfungsspielraum bei den kleinen Wohngebäuden für einen KfW-Effizienzhaus 55-Standard haben. Das heißt, er bewegt sich genau zwischen dem, was wir mit der EnEV jetzt erreicht haben und dem, was die EU-Kommission gerne hätte. Mit anderen Worten: Wenn wir jetzt den KfW-Effizienzhaus 55-Standard beschließen würden, dann wäre es vielleicht nicht ganz auszuschließen, dass die EU-Kommission uns so etwas wie einen 'blauen Brief' schickt, wie früher den Schülern, die nicht versetzt werden sollten. Wir hätten das 'Klassenziel' der EU-Gebäuderichtlinie nicht erreicht. Es ist nicht auszuschließen, dass es mit der Kommission zumindest eine gewisse Diskussion geben wird zu der Frage, ob ein KfW-Effizienzhaus 55-Standard – wenn wir ihn so beschließen würden – dem Wesen der Gebäuderichtlinie entspräche." [15]
Die Definition eines Energiebedarfs "fast bei null" lässt wenig Spielraum und dürfte noch einmal deutlich unterhalb der derzeitigen Neubauanforderungen der EnEV liegen. Wenn der Restenergiebedarf "zu einem ganz wesentlichen Teil" durch erneuerbare Energien gedeckt werden soll, kommen konventionelle Heiztechniken mit Erdgas oder Heizöl nicht mehr infrage. Dies ist politisch auch gewollt, wenn man das Ziel der Dekarbonisierung, also des Verzichts auf fossile Energieträger, ernst nimmt. Als Versorgungssysteme bei kleinen Gebäuden für Raumwärme und Warmwasser blieben damit nur noch elektrische Wärmepumpen in Kombination mit solarthermischen und PV-Anlagen übrig. In verdichteten Stadtgebieten mit geringen Potenzialen für dezentrale erneuerbare Energien wäre ein Ausbau der Fernwärme auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), Abwärme und erneuerbaren Energien der Energieträger der Zukunft.
4. Schritte zu einem klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050
Derzeit erarbeitet das Bundesbauministerium (BMUB) im Auftrag der Bundesregierung den Nationalen Klimaschutzplan 2050. In Foren und Workshops wurden dafür Vorschläge entwickelt, die zu einer CO2-Minderung um 85 bis 90 Prozent gegenüber 1990 führen sollen. Bereits die EnEV 2014 formuliert im § 1 (Zweck und Anwendungsbereich), dass "ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis zum Jahr 2050" erreicht werden soll.
Studien zeigen jedoch, dass bis 2050 der Energiebedarf zur Wärmeversorgung von Gebäuden nur um ca. 50 Prozent reduziert werden könnte, weil nur ein Teil der Gebäude saniert wird. Technisch sehr aufwändige Sanierungen dürften aus Kostengründen nur suboptimal ausgeführt werden. Die notwendige CO2-Reduzierung wäre nur durch den Einsatz erneuerbarer Energien und gewerblicher Abwärmenutzung möglich. Fossile Energieträger würden auf dem Wärmemarkt zukünftig keine Bedeutung mehr haben.
Angesichts der mittleren Standzeit von Heizungsanlagen von 25 bis 35 Jahren ergeben sich bis 2050 nur noch ein bis zwei Sanierungszyklen für die Heizungen. Der Maßnahmenkatalog umfasst vielfache Vorschläge, wie die Förderung für CO2-arme Heizsysteme, Förderstopp für fossile Energieträger bei Sanierung, Verbot von fossilen Heizsystemen zunächst bei Neubauten, später auch bei Sanierungen. Im Herbst findet die Abschluss-Konferenz in Berlin statt und das Bundeskabinett soll den Klimaschutzplan 2050 noch dieses Jahr verabschieden.
40 Organisationen aus der freien Wirtschaft haben kurz vor der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens im April in New York einen "Klimaschutzplan 2050" [16] vorgelegt. Im Namen der Zivilgesellschaft fordern sie eine Nachschärfung der nationalen Klimaziele: Für das Jahr 2050 müsse das deutsche Klimaschutzziel auf mindestens 95 Prozent weniger Kohlendioxyd (CO2) im Vergleich zu 1990 angehoben werden.
Klimaneutraler Baubestand in Deutschland bis 2050 ist möglich! Unter diesem Motto empfiehlt das Umweltbundesamt (UBA), schnell mit einer umfassenden Sanierung des Gebäudebestands in Deutschland zu beginnen. [17] Das UBA untersuchte drei Zielbilder des Gebäudebestands 2050 mit unterschiedlichem Sanierungsgrad, Endenergie nach der Sanierung und Anteil an erneuerbarer Energie, um als nahezu klimaneutral zu gelten.
Fazit
2016 ist ein bedeutsames Jahr für die energiesparrechtlichen Regelungen für Gebäude: Der Bund wird die EnEV und das EEWärmeG novelliert zusammenführen und den Niedrigstenergie-Standard für Neubauten gemäß den europäischen Vorgaben und dem Zeitplan einführen.
Auch wird die Bundesregierung den Klimaschutzplan 2050 verabschieden und konkrete Maßnahmen festlegen. Für die Heizungsbranche ergeben sich daraus vielfache Chancen: Die Wärmeerzeuger spielen eine Schlüsselrolle sowohl für die Energieeffizienz von Gebäuden, als auch für die Reduzierung der CO2-Belastung.
Die Quellenhinweise sind verfügbar unter: www.tuschinski.de/publikationen/160622_heizung_energiesparrecht.pdf
Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!