Laut Statistik der Elektrizitätswerke beträgt der Netzausfall pro Kunde im jährlichen Mittel nicht mehr als 14 Minuten.
Für die Umwelt und die nächste Generation
Mittwoch, 05.06.2024
Diese Angabe beruhigt in Bezug auf den Kältebedarf der Tiefkühltruhe oder den Strombedarf elektrischer Haushaltsgeräte, des Garagentors, des Fahrstuhls oder des PC indes wenig, da die Spanne bis zu einigen Stunden oder noch länger hinauf geht, wenn der Bagger bei Straßenbauarbeiten vor der Haustür das Kabel kappt oder die Überspannung eines Blitzeinschlags das Netz lahmlegt. Ein Blockheizkraftwerk (BHKW), gekoppelt mit einem Batteriespeichersystem zur Ersatzstromversorgung, minimiert Schäden und Einschränkungen. Die Regeln der Technik haben sich dieser Präventivmaßnahme aber noch nicht angenommen. Beispiel: „Haus an der Sonne“.
Eine Lücke besteht zum Beispiel im Brandschutz. Wer heute für den Fall eines Netz-Blackouts die Nutzung seiner Verbraucher über einen BHKW-Insel- oder Ersatzversorgungsbetrieb absichern will, stellt die Planer und Anlagenbauer in diesem Punkt vor ein Problem. Für das „Haus an der Sonne“ im sächsischen Radebeul mussten sich die ausführenden Unternehmen deshalb eine individuelle Lösung einfallen lassen.
Aus den oberen Weinbergen im Elbhang schaut das ehemalige „Bergschlösschen“ auf die schicke Vorstadt der sächsischen Metropole herunter. Die Wein-, Villen- und Gartenstadt Radebeul mit ihren acht historischen Dorfkernen und zwei Villenvierteln liegt entlang der alten Postchaussee zwischen der ehemaligen kurfürstlichen und königlichen Residenz Dresden und dem ehemaligen Bischofssitz Meißen. Erst 1924, vor genau hundert Jahren, erhielt die heutige Große Kreisstadt nach der Eingemeindung der unmittelbaren Nachbarorte das Stadtrecht. In jener Zeit taufte der damalige Eigentümer des noblen „Bergschlösschen“, der Architekt Martin Hammitzsch, den Barockbau aus dem Jahr 1770 in „Haus an der Sonne“ um. Hammitzsch hatte sich unter anderem einen Namen mit der „Yenidze“ gemacht, jene aus Dresdens Mitte weitleuchtende frühere Zigarren- und Zigarettenfabrik mit der Architektur einer Mischung aus Kuppeldom und Moschee. Dieser auffällige Blickfang beherbergt heute ein Museum, ein Restaurant und weitere Dienstleistungsbetriebe.
Bauphysikalisch hat das „Haus an der Sonne“ eine gesunde Substanz. Die Erdgasheizung und der Energieverbrauch deckten sich allerdings bei Übernahme durch den neuen Eigentümer vor drei Jahren weder mit dessen noch mit den heutigen Klimaschutz- und Umweltansprüchen. Nur gestattete der Denkmalschutz, der für den Gebäudekomplex schon seit Vorkriegszeiten besteht, keine Verbesserung der Wärmeschutzeigenschaften durch etwa dämmende Fassadenelemente.
Insel- und Ersatzversorgung
Der Bauherr wich deshalb auf eine zukunftsfähige technische Gebäudeausstattung aus: „Da wir einiges für die Umwelt tun und vor allem unseren Kindern ein möglichst CO2-neutrales Gebäude, das ohne fossile Brennstoffe auskommt, hinterlassen wollen, entschieden wir uns für eine nachhaltige Energietechnik. Aufgrund der ersten Gespräche und Entwürfe sahen wir, dass die dezentrale Wärme- und Stromversorgung ein durchaus interessantes und spannendes Konzept sein kann.“
Die Attribute spannend und nachhaltig konkretisieren sich in ein Versorgungskonzept, das aus folgenden Komponenten besteht: einem BHKW auf Basis Erdgas als auch Flüssiggas – CO2-neutral, wenn möglich –, zwei Luft/Wasser-Wärmepumpen, einem Batteriespeichersystem, Siliziumzellen auf dem Dach und zukünftig noch eine Windenergieanlage, vor allem für die winterliche PV-Armut. Ziel: Klimaschonende Elektrizität und Wärme sollen zu jedem Zeitpunkt gesichert sein. Das beim BHKW erwähnte CO2-neutrale Bio-Flüssiggas hat generell im Haus an der Sonne Priorität. Fossiles Erdgas soll nur bei Ausfall der ökologischen Alternative zum Einsatz kommen.
Flüssiggas und Erdgas trennen
Was bei Anbindung der beiden Medien zu berücksichtigen ist: Die TRF-Richtlinie für Flüssiggas und die TRGI für Erdgas gestatten nicht, über ein- und dieselbe Leitung Erdgas und Flüssiggas zu transportieren. Es müssen zwei separate Leitungen sein, ohne jede Verbindung untereinander. Einfach deshalb, weil das Flüssiggas am Objekt Radebeul unter einem Druck von 50 mbar steht und Erdgas nur unter 24 mbar. Das Propan/Butan-Gemisch würde also ins Erdgasnetz drücken. Die Planung löste das Problem mit einem T-Stück am Eingang Gasschlauch des BHKW, was einen wechselseitigen Betrieb ermöglicht. Eine eindeutige Codierung verhindert ein Vertauschen bei Betrieb und Service.
Ein BHKW und ein Batteriespeichersystem zu einer Ersatzstromversorgung im Inselnetzbetrieb zu vernetzen, verlangt kein spezielles Know-how. EC Power, der Hersteller des „XRGI“-BHKW, sowie der Produzent des Stromspeichers Ecocoach AG haben ihre Produkte für „Plug & Play“ konfektioniert. Darüber hinaus beschränkt sich EC Power nicht auf die Lieferung der nackten „XRGI“-Einheiten. Die Aggregate mit Leistungen zwischen 6 und 20 kW elektrisch bilden mehr und mehr den Kern von kompletten Systemlösungen zur Strom- und Wärmeerzeugung: Hybridkonzepte in Verbindung mit Wärmepumpe („Kraftwärmepumpe“), ferner wie beschrieben Batteriespeichersysteme oder auch Containerlösungen („Power House“) mit BHKW plus Peripherie für die Außenaufstellung, sollte es im Haus, Betrieb oder Bürogebäude an Platz mangeln.
Perfekte Zusammenarbeit
„Ein »XRGI« startet nun mal nicht ohne elektrische Anregung. Schaut man sich die Stromausfallkarten an (Anm. d. Red.: www.stromausfall.org), vergeht ja kaum ein Tag in Deutschland ohne 150 und noch mehr örtliche Unterbrechungen. Und wer weiß, was mit der Zunahme der Netzanschlüsse durch Wallbox und PV auf die Abnehmer noch zukommt“, begründet Thomas Meyer von der Meyer Wärmetechnik GmbH, Dresden, die Ersatzversorgung. Sein Betrieb vertritt als Premium-Partner EC Power schwerpunktmäßig im sächsischen und thüringischen Raum. Die Batterie mit einer Nutzkapazität von 36 kWh stellt eine Dauerleistung von 19,5 kW über den integrierten Wechselrichter zur Verfügung. „Die Kombination steigert den eigenen Verbrauchsanteil und reduziert die Abhängigkeit von fallenden Einspeisevergütungen und steigenden Strompreisen“, nennt Meyer einige der Vorteile.
Der KWK-Experte ergänzt: „Das Standard-Schaltungsschema sieht so aus: Der Kraft-Wärme-Koppler kommuniziert mit dem Batteriespeichersystem. Im Fall voller Batterien produziert die Maschine nicht. Die Anlage bedient zunächst die Wärmepumpen aus dem Stromsammler, bevor sie die KWK zur Unterstützung freigibt. Auch die PV-Kollektoren beladen mit Priorität den Batteriespeicher, wechseln anschließend auf die Wärmepumpen als Konsumenten, fragen im dritten Schritt die restlichen Verbraucher im Haus nach Bedarf ab und nur einen eventuellen allerletzten Überschuss schiebt das Energiemanagement ins öffentliche Netz – wenn nicht eine Ladestation in der Garage für die E-Mobilität den selbst erzeugten Strom abruft.“ Die Wallbox hat generell Vorrang.
Inklusive Fernsteuerung
Im „Haus an der Sonne“ stammt ein Großteil des technischen Entwurfs vom Ingenieurbüro WärmePlan aus Hainewalde im Landkreis Görlitz. Das entwickelt und optimiert Wärmesysteme bis hin zum digitalen Smart-Home-Einsatz. So meldet zum Beispiel die Batterie ihre Statusdaten an eine App auf dem Handy, Tablet oder Computer. Der Betreiber kann auf die Informationen reagieren und aus der Ferne und abweichend vom Standardablauf auf das Be- und Entladen einwirken. Sollte etwa die Wohnung zu Hause kalt sein, müssen „XRGI“- oder Solarstrom nicht zuvor in die Lithium-Ionen-Module. Entsprechend der App-Befehle schickt das Batteriemanagementsystem den Strom direkt in die Wärmepumpen.
WärmePlan zeichnete ein Schema mit drei Speichern à 800 l für die Wärmepumpen, für das Warmwasser und für das BHKW. Alle drei Puffer lassen sich mit den verschiedenen Wärmeerzeugern beladen. Damit habe man eine thermische Kapazität im Heizungskeller untergebracht, die im Normalfall ausreichen müsste, das BHKW beziehungsweise die Verbraucher so zu fahren, dass kein Strom ins öffentliche Netz abgegeben werden müsse, sagt Thomas Meyer zur Ausrüstung.
Werkseitig vorbereitet
Er erklärt die Zähler im Schaltschrank: „Da ist erstens der schnelle Stromzähler von Siemens, der am Netzübergabepunkt vom Haus zu den kommunalen Leitungen misst. An dem soll im Idealfall der Strom null sein. Also kein Bezug und keine Einspeisung. Der zweite Zähler ermittelt den Strom, den die Gebäudetechnik bereitstellt. Das Energiemanagementsystem weiß dann, wie viel es zum Laden der E-Autos wegnehmen kann; damit wir das öffentliche Netz nach Möglichkeit nicht benötigen. Wir haben drittens eine Netzüberwachung, die das System steuert. Ist die Netzspannung zu niedrig, ist das Netz also wirklich ausgefallen oder fehlt lediglich eine Phase? Der Hausanschluss hat ja drei Phasen plus einen Neutralleiter. Das Netzüberwachungsrelais erfasst Spannung und Frequenz jeder einzelnen Phase. Anhand der Daten kann die Netzüberwachung erkennen, dass tatsächlich ein Netzausfall anliegt und den Inselnetzbetrieb automatisch aktivieren. Meldet die Überwachung, das Netz ist wieder in Ordnung, schaltet die Anlage selbstständig auf das normale Stromnetz zurück.“ Der vierte Zähler hat vier Messstellen, die Wärmepumpen, die Ladestationen, das Gebäude und quasi den Rest, die Liegenschaften drumherum.
Im Rahmen einer Partnerschaft zwischen EC Power und Ecocoach wurden BHKW und Batteriespeichersystem werkseitig mit allen Komponenten für die integrierte Ersatzstromversorgung und den Inselnetzbetrieb ausgestattet. Damit lässt sich jedes „XRGI“ auch nachträglich anpassen und Batteriekapazitäten können erhöht werden. Im „Haus an der Sonne“ dürfte das unter Umständen mit der beschlossenen Verdoppelung der PV-Leistung von derzeit 12 kWp auf 24 kWp sowie mit dem Einbau einer vertikalen Windkraftanlage der Fall sein.
Bestandener Testbetrieb
Dann müsste genügend Elektrizität für die Ersatzstromversorgung im Inselbetrieb zur Verfügung stehen. Benötigen die Abnehmer im Einzelfall mehr, nimmt die Regelung einige Verbraucher vom Netz. Gemeinsam mit dem Auftraggeber legten die Planer dazu eine Prioritätenliste fest. „EC Power hat die Funktionalitäten durch Werktests zertifiziert. Beim Probelauf vor Ort gab es nichts zu beanstanden. Entsprechend der vereinbarten Vorgabe schalteten die entbehrlichen Abnehmer ab“, so der EC-Power-Repräsentant zum erfolgreichen Testbetrieb. Zum Anlaufen des „XRGI“ in Radebeul begrenzt ein von EC Power entwickelter und patentierter „Smart Starter“ den Anlaufstrom. Der Hersteller bietet diese Komponente als Option für bestehende Anlagen an und will sie in die Serienproduktion nehmen.
Ungeregelter Brandfall
„Allerdings stießen wir auf ein prinzipielles Problem, auf eine Gefahrensituation im Brandfall“, die Thomas Meyer so schildert: „Als kürzlich in der Nordsee der Frachter mit diesen Elektroautos brannte und sich das Löschen als schwierig erwies, stieß uns das an, über unsere Installation nachzudenken. Wie schalte ich die Ersatzstromversorgung im Brandfall aus, um der Feuerwehr ein stromloses Gebäude für die Löscharbeiten zu garantieren? BHKW und Speicher werden ja aktiv, wenn das Hauptnetz ausfällt. Wir schauten in die Normen, in die Richtlinien, befragten die Kommune, befragten die Feuerwehr, doch niemand wusste eine Antwort auf diese Frage.“
Eine gefundene Lösung war letztendlich einfach, schildert Thomas Meyer: „Wir haben außen einen zusätzlichen Notausschalter an einem der Feuerwehr bekannten Platz montiert. Mit dem wird die Ersatzstromversorgung deaktiviert. Das Signalkabel muss einen gewissen Brandwiderstand haben. Für uns war das alles Neuland. Das steht in keiner Dokumentation und in keiner Vorschrift. Selbst die Brandspezialisten waren in dieser Sache überfordert.“
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