Je geringer der Wärmebedarf eines Neubaus ist, umso häufiger sind konventionelle Wärmeerzeugungs- und -verteilsysteme überdimensioniert. Hinzu kommt der Investitionsbedarf, um über aktive Kühlung sommerliche Wärmelasten abzuführen. Der Haustechnikplaner Dipl.-Ing. Peter B. Schmidt aus Wennigsen bei Hannover löst diese komplexe Herausforderung daher aus einer ganzheitlichen Betrachtung heraus bevorzugt mit einem Luftheizungssystem, das als integriertes Komplettsystem auch über eine aktive Kühlfunktion verfügt. Im Interview mit dem HeizungsJournal erklärt er seine Philosophie dahinter.
"Heizung und Kühlung zusammen betrachten"
Interview mit TGA-Fachplaner Dipl.-Ing. Peter B. Schmidt
Donnerstag, 28.06.2018
Das Hannoveraner Neubaugebiet "zero:e park" ist gewissermaßen die Blaupause für ökologisch vorbildliches Bauen. Denn hier wird über ein komplettes Quartier hinweg in unterschiedlicher Detailschärfe gezeigt, was heute schon an energetischer Effizienz der Stand der Technik und damit real machbar ist. Und das ökologische Nullsummen-Spiel, das kommt dann über die ganzheitliche Betrachtung des gesamten Wohngebietes, mit einem projektierten Wasserkraftwerk zum Ausgleich der nicht dezentral erzeugten Energie.
Eines dieser Häuser hat der Architekt Ulf Schirmer (Architekten LSM, Hannover) gebaut: Ein 170 m² großes Einfamilienhaus auf Passivhaus-Niveau mit einem Heizwärmebedarf von weniger als 15 kWh/m²a – aber in offener Bauweise mit Raumhöhen bis 2,85 m und großzügigen, bodentiefen Fensterflächen. Die Bodenplatte hat eine zweilagige 24er-XPS-Perimeterdämmung, der massive Wandaufbau besteht überwiegend aus 17,5er-Kalksandstein plus 30 cm Mineralwolldämmung, Holzfaserdämmplatte als Putzträger sowie abschließend Mineralputz.
Erreicht wurde die bemerkenswerte Kombination aus Architektur und Ressourcenschonung nicht zuletzt durch die von Dipl.-Ing. Peter B. Schmidt (PBS PlanungsBüro Schmidt, Wennigsen bei Hannover) konzipierte Haustechnik. Anstelle eines konventionellen Wärmeerzeugers mit typischerweise wassergeführter Verteilung ließ er eine "Genius"-Luftheizung von Systemair installieren.
Neben der Heiz- und Kühlfunktion mit bis zu 5 bzw. 3,5 kW Leistung sowie der kontrollierten Lüftung mit Wärme- sowie Feuchterückgewinnung ist auch die Warmwasserbereitung mit einem 150-Liter-Speicher in das bodenstehende Kompaktgerät integriert. Die Energieversorgung der Anlage erfolgt über eine hauseigene Photovoltaik-Anlage, die mehr als 65 Prozent des eigenen Strombedarfs abdeckt.
Herr Schmidt, was war hier die besondere Herausforderung bei der Entwicklung des Haustechnik-Konzeptes?
Bei Niedrigstenergie- und Passivhäusern ist es eigentlich mittlerweile immer dieselbe: Es geht nicht mehr primär um Wärmeerzeugung oder -verteilung, sondern um die Kühlung des Gebäudes im Sommer. Aufgrund hervorragender Dämmung ist der Heizwärmebedarf nämlich generell stark abgesunken, der sommerliche Wärmeeintrag durch die aktuelle Bauweise mit großzügigen Fensterflächen aber gleichzeitig massiv gestiegen. Und diese Wärme muss irgendwo hin.
Warum dann aber ein solches luftgeführtes System? Wesentlich gängiger sind doch beispielsweise Flächentemperiersysteme, kombiniert mit einer elektrischen Luft/Wasser-Wärmepumpe…
Das stimmt, wird aber durch die weite Verbreitung nicht unbedingt richtiger. Dafür muss man jedoch das Gesamtpaket aus Heizen/Lüften/Kühlen und Warmwasserbereitung betrachten, statt lediglich auf die Heizlast oder die Luftwechselrate zu schauen. Denn letztlich werden bei der konventionellen Haustechnik immer drei Systeme installiert: die Heizung mit Wärmeerzeuger und Wärmeverteilung, die Wohnungslüftungsanlage für den notwendigen Luftaustausch und möglicherweise auch noch eine Klimatisierung zur aktiven Kühlung. Das ist aufwändig, in einem solchen Objekt mindestens 10.000 Euro teurer und vor allem äußerst schwierig aufeinander abzustimmen – von der Bedienung durch den Endkunden gar nicht zu sprechen.
Und das ist bei dem hier eingesetzten luftgeführten System nicht der Fall?
Nein, denn hier sprechen wir von nur einem einzigen Gerät, bodenstehend und kompakt, in das die Funktionalitäten komplett integriert sind. Das spart nicht nur Platz, sondern vereinfacht durch die gemeinsame Steuerung vor allem die Bedienung durch Endkunden, die üblicherweise dafür kein Technikstudium als Voraussetzung mitbringen möchten. Und ganz nebenbei: Bei der Anlage handelt es sich ja auch im Prinzip um nichts anderes als eine energieeffiziente und ressourcenschonende Luft/Luft-Wärmepumpe, die um die entsprechenden Funktionalitäten erweitert wurde.
Warum soll das aber im Ergebnis effizienter sein als andere Anlagenkonstellationen?
Die höhere Effizienz liegt, neben der generellen Systemintegration, ganz entscheidend an dem in dieser Anlage integrierten Sekundärluft-Kreis. Der reduziert speziell im Winter den Primärenergieeinsatz und sorgt gleichzeitig für eine als sehr angenehm empfundene Luftqualität. Denn gerade in der kalten Jahreszeit, wenn also der Heizwärmebedarf am höchsten ist, muss ja für die benötigte Wärmemenge entweder die Lufttemperatur oder das Luftvolumen erhöht werden. Die Anhebung der Lufttemperatur ist aber aus Komfortgründen nur bis etwa 50 °C maximal akzeptabel.
Bei der Systemair-Anlage wird daher mit einem höheren Luftvolumen gearbeitet. Das kommt dann hier aber nur zu einem geringen Teil aus der kalten Außenluft, da die sehr trocken ist und energieaufwändig aufgeheizt werden muss. Stattdessen wird energetisch und feuchtemäßig optimal das benötigte Zuluftvolumen aus der Raumluft zurückgewonnen und der parallel zugeführten Außenluft beigemischt. Das sorgt neben der Energieeinsparung dafür, dass selbst im Winter eine behagliche Luftfeuchte herrscht. Als Regelungsgrößen gelten bei diesem System im Übrigen die Außenlufttemperatur in der Außenluftansaugung sowie die Messwerte der Raumthermostate im Erdgeschoss und im Obergeschoss.
Das, was bisher beschrieben wurde, betraf überwiegend die Heizungsseite. Wie sieht es aber mit der Kühlleistung aus?
Die 3 bis 3,5 kW Leistung des Gerätes reichen in einem Gebäude dieser Größenordnung auf jeden Fall für eine Temperaturabsenkung um etwa 6 K aus. Dieses ∆t ist dabei im System bereits hinterlegt und entspricht im Übrigen der Temperaturdifferenz, die von Medizinern als Maximalwert empfohlen wird.
Alternativ wäre es aber auch denkbar, die aktive Kühlung mit einem Festwert von beispielsweise 23 °C zu fahren. Das kann der Nutzer letztlich analog zu seinen Komfortansprüchen individuell entscheiden.
Die Raumluftkonditionierung ist bei Luftheizungen aber bekanntlich immer nur eine Wohlfühlkomponente, die andere sind die Luftströmungen…
Das stimmt! Und genau deswegen ist es wichtig, dass sich schon in der frühen Planungsphase Architekt und Haustechniker darüber abstimmen, wo die Lüftungskanäle gezogen und die obligatorischen Zuluft- bzw. Abluftventile gesetzt werden sollen.
In diesem speziellen Fall war das durch die anspruchsvolle, offene Innenarchitektur zusätzlich herausfordernd. So wurde die komplette Lüftungsführung für das offene Wohnzimmer als 200er-Edelstahlrohr über das Obergeschoss verzogen und verjüngt dann auf einen 160er-Durchmesser, um die sonst üblichen, gekofferten Lüftungskanäle unter der Decke im offenen Essbereich zu vermeiden. Außerdem wurden in diesem 30 m² großen Bereich des Hauses aus optischen Gründen auch nur zwei, dafür aber vergleichsweise große Luftauslässe gesetzt. Das war strömungstechnisch sicherlich nicht optimal. Durch eine sehr präzise Einregulierung sind die Luftströmungen aber trotzdem selbst in unmittelbarer Nähe der Ventile kaum spürbar. Die Platzierung dieser Ventile in den Zimmerecken unter der Zimmerdecke ist zudem akustisch optimal – sie sind dort auch nicht mehr hörbar.
Zum Schluss trotzdem noch eine kritische Frage: Was machen Sie als Ingenieur und Fachplaner aber bei jenen Bauherren, die trotzdem solchen innovativen Heiz-/Kühl-Systemen kritisch gegenüberstehen und auf konventionelle Wärmetechnologien setzen, weil sie sich von denen generell mehr Leistung versprechen?
Diese Bauherren mit Diagrammen und detaillierten Berechnungen zur maximalen Heizlast oder zu Spitzenlasten beim Warmwasserbedarf zu "bombardiere", macht tatsächlich wenig Sinn. Aber spätestens, wenn ich auf die Wärmepumpe für die Raumwärmeerzeugung und Warmwasserbereitung mit "kostenlosem" Sonnenstrom vom eigenen Hausdach verweise, habe ich die erste Hürde genommen.
Und für die zweite, die besonders kalten Wintertage, kann es noch eine Elektroflächenheizung geben, beispielsweise in einer Wand im Esszimmer. Dank des Solarstroms würde deren Betrieb ja ebenfalls keine nennenswerten Kosten verursachen – gebraucht wird sie in der Praxis in unseren Breitengraden letztlich dann doch nur begrenzt, zeigt meine Erfahrung. Insofern sind Bauherren von Niedrigenergiehäusern mit solch einer zentralen, platzsparenden Luftheizung tatsächlich in jeder Hinsicht rundum bestens bedient.
Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!