Wie regionale Energiewende funktionieren kann, zeigt der Ort Morschenich-Neu im Rheinischen Braunkohlerevier: Seit sechs Jahren versorgen dort zwei Holzpelletkessel rund 130 Gebäude eines Neubaugebiets mit nahezu CO2-neutraler Nahwärme. Störungen: keine; Zufriedenheit: hoch. Diese beiden Attribute brachten der Installation jüngst die öffentliche Belobigung der EnergieAgentur.NRW ein. Sie zeichnete die EE-Anlage zum Projekt des Monats April 2021 aus.
Kessel-Sharing im Trend
In der Eifel denkt man an den regionalen Brennstoff Holz
Freitag, 22.10.2021
Car-Sharing, Fahrrad-Sharing – und Kessel-Sharing am Nordrand der Eifel. „Braucht eigentlich jedes Haus eine eigene Heizungsanlage? Müssen Sie nur mangels Anschaffungskosten auf eine neue, umweltfreundliche Heizung verzichten? Nein. Moderne Wärmekonzepte bringen weder das Klima noch Ihren Geldbeutel ins Schwitzen. Wie das geht? Zum Beispiel mit Nahwärme aus nachwachsenden Rohstoffen.“ Mit solchen Verkündungen rütteln die Stadtwerke Düren (SWD) am Umweltgewissen der Gebäudeeigentümer im Nahbereich einer entsprechenden Wärmetrasse. Das Paradebeispiel Morschenich-Neu geht auf Details ein. Dort füllt SWD das Fernwärmenetz für 130 Gebäude jährlich mit Heizenergie aus zwei Pelletfeuerungen von zusammen 800 kW – mit rund 2,1 klimaschonenden Gigawattstunden.
Im Vergleich mit einer konventionellen Erdgasverbrennung entlastet das die Atmosphäre von circa 380 t Kohlenstoffdioxid pro Jahr. „Das Projekt der SWD zeigt, dass der Einsatz von Großfeuerungen auf Holzpelletbasis sehr förderlich für den Klimaschutz ist. Aber nicht nur das: Bei Holzpellets handelt es sich um einen genormten, effizienten und emissionsarmen Brennstoff, der aus der Region stammt. Somit wird auch die regionale Wertschöpfung gestärkt“, erklärt Heike Frinken, Leitung Themengebiet Biomasse der EnergieAgentur.NRW.
Im Wesentlichen besteht die Heizzentrale aus einer 300 kW und einer 500 kW Holzpellet-Anlage, inklusive Peripherie wie Pumpen und übergeordneter Steuerung sowie einem 30.000 Liter fassenden Pufferspeicher und dem Pelletbunker. Die beiden Kessel verschalteten die Anlagenbauer zu einer Kaskade, wobei die Anforderung über den Füllstand des Speichers erfolgt.
Die Regelung behält die Betriebsstunden jeder Einheit im Blick und achtet darauf, dass sich die Heizarbeit in etwa auf beide Wärmeerzeuger gleichmäßig verteilt. Eine 4,6 Kilometer lange Rohrtrasse verbindet die Kessel mit den Übergabestationen bei den Wärmeabnehmern. Die Wärmeübertrager bedienen sowohl das Heizungs- als auch das Warmwassernetz.
Vorsorge für den Störungsfall
Um einer Versorgungsunterbrechung durch einen störfallbedingten Ausfall der Heizzentale vorzubeugen, integrierten die SWD eine Noteinspeisung in Form der Anschlussmöglichkeit einer mobilen Station. Die turnusmäßige Wartung der Installation und einen 24/7-Entstörungsdienst gewährleisten SWD-Techniker. „Die Wärmebereitstellung mittels Holzpellets und der Einsatz von kompakten Wärmeübergabestationen in den Gebäuden bieten für unsere Kunden gleich mehrere Vorteile.
Beispielsweise werden hierdurch die Anforderungen an die Qualität der Wärmeversorgung für Neubauten erfüllt. Zudem sind die Wärmeübergabestationen durch einen geringen Platzbedarf und eine ruhige Betriebsweise im Vergleich zu dezentralen Versorgungsvarianten gekennzeichnet“, so Ingo Vosen, Vertriebsleiter bei den Stadtwerken Düren. „Dies liegt insbesondere darin begründet, dass beispielsweise keine Vielzahl von Brennstofflagerräumen mit periodischer Befüllung und einigen Beeinträchtigungen für die Anwohner benötigt wird“, ergänzt der Stadtwerker. Das sei auch ein wichtiger Aspekt dafür gewesen, warum die Morschenicher in der Bürgerbefragung in der Vorphase mehrheitlich für das SWD-Fernwärmekonzept abgestimmt hätten.
Das Investitionsvolumen des CO2-neutralen Wärmekonzepts betrug rund 2,1 Millionen Euro. Die Mittel stellten SWD und die Gemeinde Merzenich bereit. Vorab prüften die Investoren die Energiepotentiale, Standortfaktoren, den Einsatz der geeignetsten Technik sowie deren Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit für die Bewohner und Bewohnerinnen.
Die klimafreundliche Wärmeversorgung hat bis heute den Erwartungen entsprochen. Und zwar so überzeugend, dass sich die SWD für eine Pelletfeuerung für einen weiteren großflächigen Gebäudebereich in der Eifel entschied und gegenwärtig in Containerbauweise ebenfalls eine 800-kW-Anlage zur Wärmeversorgung eines Schul- und Internatkomplexes errichtet.
Überhaupt registriert die Branche eine moderate Wiederentdeckung von Holz als Brennmaterial. Prozentual gesehen deutet die Zuwachsrate von fast 140 Prozent in 2020 gegenüber 2019 sogar auf ein starkes Wachstum hin, nur muss man bei der Bewertung natürlich den relativ niedrigen Bezugswert sehen: Im Corona-Jahr 2020 kletterte der Absatz nach den Statistiken des BDH auf etwa 55.000 Holzkessel (Pellets, Hackgut und Stückholz). Diese Form der Biomassenutzung hat damit immer noch nur einen Anteil von 6,4 Prozent bei Neuanlagen gegenüber drei Prozent des Vor-Corona-Jahres 2019.
Das gestiegene Interesse kann als Reaktion auf das seit Anfang 2020 geltende Bundesförderprogramm und die in diesem Jahr in Kraft getretene CO2-Bepreisung fossiler Brennstoffe gewertet werden. Sieht man es noch positiver, steht die CO2-arme Nah- und Fernwärme vor einem riesigen Potential. Die Energie aus den Heiz- und Heizkraftwerken – fossil oder erneuerbar – temperiert aktuell etwa zwölf Prozent der Haushalte. 32 Prozent seien möglich, sagt die Denkfabrik Agora Energiewende. Und die denkt natürlich nur in erneuerbaren Energien.
Zu den Holzpelletkesseln
In Morschenich-Neu stehen Bioflamm-Kessel der Typenreihe „SR-EB“. Die sogenannten Integralkessel stammen von der LaSa-energy GmbH aus Overath bei Köln. Integral deshalb, weil die Konstrukteure den Vorschubrost mit dem Brennstoff in den Wärmeübertrager integrierten.
Der Hersteller legte bei der Entwicklung ein besonderes Augenmerk auf eine optimale Brennraum-Geometrie. Im Verbund mit der speziellen Formgebung und der Anordnung der Sekundärluftdüsen entsteht eine stark ausgeprägte Rotation der Flamme, damit eine verbesserte Durchmischung von Brenn-gas und Verbrennungsluft und eine Verlängerung der Verweilzeit, was demnach zu einem nahezu vollständigen Ausbrand führt. Die Abregelung auf einen Tiefstwert geht des Weiteren nicht zu Lasten der Betriebsbereitschaft. Die soll selbst bei gerade mal fünf Prozent der Nennleistung voll erhalten bleiben. Darüber hinaus investierte LaSa-energy in die Wartung. So kann die gesamte Rostfeuerung zur Reinigung und für Servicearbeiten mit wenigen Handgriffen aus dem Kessel herausgefahren werden.
Das Leistungsspektrum der Modelle reicht von 130 kW bis 6 MW. Es handelt sich um Anlagenbau – Leistung und Wirkungsgrad von Neuinstallationen kontrolliert der TÜV für die BAFA-Listung vor Ort, sodass sie auch die Förderung in Anspruch nehmen können.
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