Weniger ist mehr – beim GWP.
Langfristiger Trend zu natürlichen Kältemitteln in Wärmepumpen
Dienstag, 22.09.2020
Die meisten der bisher in Wärmepumpen eingesetzten Kältemittel sind inzwischen als klimaschädigend eingestuft. Mit der seit 1. Januar 2015 gültigen F-Gase-Verordnung werden die bisher verwendeten Kältemittel auf der Basis teilhalogenierter Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) drastisch verknappt. Im Hinblick auf weiter steigende Absatzzahlen bei kälte- und klimatechnischen Geräten sowie bei Wärmepumpen gilt das umweltschonende Kältemittel R290 (Propan) als Favorit für Wärmepumpen und viele andere kältetechnische Geräte.
Die "Verordnung (EU) Nr. 517/2014 über fluorierte Treibhausgase" – kurz: F-Gase-Verordnung – hat gravierende Folgen für alle Arten von kältetechnischen Geräten und Anlagen und damit auch auf den Bestand und den künftigen Einsatz von Wärmepumpen. Entscheidend für die Wahl eines Kältemittels ist seit 2015 der GWP-Wert (Greenhouse Warming Potential bzw. Global Warming Potential), also das Treibhauspotential eines Kältemittels. Der GWP-Wert definiert die mittlere Erwärmungswirkung einer chemischen Verbindung bzw. eines Kältemittels auf die Erdatmosphäre über einen Zeitraum von 100 Jahren im Vergleich zur gleichen Menge an Kohlenstoffdioxid (CO2). Er entspricht also dem CO2-Äquivalent eines chemischen Stoffes. Der ODP-Wert (Ozone Depletion Potential = Ozonabbaupotential) eines Kältemittels ist ein weiterer Kennwert, der die Eigenschaften einer chemischen Verbindung beschreibt. Der dimensionslose ODP-Wert beschreibt den relativen Effekt des Abbaus der Ozonschicht, der durch einen Stoff ausgelöst werden kann. Referenzwert für den ODP-Wert 1 ist die Substanz Trichlorfluormethan, besser bekannt unter der Kältemittelbezeichnung R11. Werte über 1 sind also stärker ozonabbauend, Werte unter 1 weniger ozonabbauend als R11.
Zur Gruppe der ozonabbauenden Stoffe gehören die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und die teilhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (HFCKW). Im Zuge des FCKW-Ausstiegs (Montreal Protokoll, September 1987) in den 1990er-Jahren wurden fast alle ozonabbauenden Kältemittel verboten und durch teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) ersetzt. Dabei wurde jedoch das Treibhauspotential dieser Ersatzstoffe unterschätzt. Die stärkere Beachtung der Gesamttreibhausbelastung (Total Equivalent Warming Impact, TEWI) brachte mehr Transparenz in die Zusammenhänge zwischen Kältemittel und Treibhauspotential. Mithilfe dieser Berechnungsmethode ist es möglich, die CO2-äquivalente Treibhausbelastung einer Kälte- bzw. Wärmepumpenanlage über deren Lebenszyklus, inklusive der Sekundäremissionen durch die Bereitstellung der Betriebsenergie, individuell zu beurteilen. Allerdings berücksichtigt der TEWI-Kennwert nur die Auswirkungen auf den Treibhauseffekt während der Betriebsperiode einer Kälteanlage; die gesamten ökologischen und ökonomischen Aspekte werden dabei nicht betrachtet.
Noch einen Schritt weiter geht die gesamtheitliche Betrachtung von ökologischen und ökonomischen Aspekten, was insbesondere für Hersteller und Investoren immer wichtiger wird, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Mithilfe des Bewertungssystems "Ökoeffizienz" wird neben rein ökologischen Kriterien auch die ökonomische Leistungsfähigkeit einer Technologie mit einbezogen. Dazu zählen unter anderem die gesamten Umweltlasten, zum Beispiel direkte und indirekte Emissionen, die Investitionssumme, die Betriebs- und Entsorgungskosten sowie die Kapitalkosten. Diese Betrachtungsweise wird vor allem von den Lebensmittelketten bei der Investition in Supermarkt-Kälteanlagen berücksichtigt. In dieser Branche spielen natürliche Kältemittel eine zunehmend größere Rolle, da deren Einsatz langfristig meist wirtschaftlicher ist.
Natürliche Kältemittel liegen vorn
Seit dem 1. Januar 2015 regelt die F-Gase-Verordnung den Einsatz bzw. die Verwendung von Kältemitteln. Neu ist, dass Kältemittel nicht mehr in Kilogramm, sondern nach ihrem Treibhauspotential GWP gewichtet werden. Bezugspunkt für den vorgesehenen Ausstieg aus Kältemitteln mit hohem GWP ist der Jahresdurchschnitt der Gesamtmenge der in den Jahren 2009 bis 2012 in der EU in Umlauf gebrachten Kältemittel, umgerechnet in CO2-Äquivalent. Durch die im Januar 2015 begonnene schrittweise Reduzierung der zur Verfügung stehenden Menge an HFKW-Kältemitteln in CO2-Äquivalenten will der Gesetzgeber den betroffenen Branchen einen technologieoffenen Umstieg ermöglichen. Ziel ist, das für den Ausgangspunkt berechnete CO2-Äquivalent (= 100 Prozent) bis zum Jahr 2030 auf 21 Prozent zu senken. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Kältemittelverbote, beispielsweise für Haushaltskühl- und -gefriergeräte (GWP ≥ 150 ab 2015), für gewerbliche Kühl- und Gefriergeräte (bis 3 kg Füllmenge) und ortsfeste Kälteanlagen (GWP ≥ 2.500 ab 2020 und GWP ≥ 150 ab 2022).
Ab 2025 werden zusätzlich Mono-Splitklimageräte mit mehr als 3 kg Kältemittelfüllmenge und einem GWP ≥ 750 verboten. Fachleute gehen davon aus, dass der sogenannte "F-Gase Phase Down" und die damit zusammenhängen-de Verknappung an Kältemitteln mit hohem GWP zu enormen Preissteigerungen und technischen Verwerfungen am Kältemarkt führen werden. Von der Teuerung sind insbesondere Geräte und Anlagen betroffen, die regelmäßig gewartet werden müssen.
Kältemittel für Wärmepumpen im Vergleich
Nach dem Verbot der ozonschädigenden FCKW favorisierten die Hersteller von Wärmepumpen weitgehend sogenannte teilhalogenierte Kältemittel (HFKW). Dabei erwies sich R410A wegen seiner großen volumetrischen Kälte-leistung als ideales Kältemittel für Haus-Wärmepumpen. Wegen des relativ hohen Treibhauspotentials von R410A mit einem GWP-Wert von 2.088 wird dieses Kältemittel im Rahmen des "Phase Downs" nach und nach aus dem Markt gedrängt. Viele Wärmepumpen-Hersteller bevorzugen neuerdings das Kältemittel R32, das sich bereits als Bestandteil vieler Kältemittelgemische bestens bewährt hat. Mit einem GWP-Wert von 675 gilt es jedoch eher als Übergangskältemittel, bis GWP-günstigere Lösungen angeboten werden.
Eine gute und auch verbindliche Übersicht, welche Kältemittel sich künftig für welche Anwendungen eignen, bietet die Empfehlung des "Arbeitskreises Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen" (AMEV) mit dem Titel "Kälte 2017, Hinweise zur Planung, Ausführung und Betrieb von Kälteanlagen und Kühlgeräten für öffentliche Gebäude". Unter der Rubrik "Kältemittel für Neuanlagen" ist dort das Kältemittel R32 nur als "eventuell zukunftssicher" aufgeführt. Dagegen wird das Kältemittel R290 (Propan) mit einem GWP-Wert von 3 im AMEV-Leitfaden als "zukunftssicher" gelistet.
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) schließt sich der AMEV-Beurteilung an und warnt gleichzeitig vor möglichen hohen Folgekosten durch Geräte und Anlagen mit hohem GWP. Dabei gehe es nicht allein um höhere Wartungskosten für Hoch-GWP-Anlagen, sondern – zumindest bei Neuanlagen – auch um mögliche Regressforderungen des Bauherrn gegenüber dem Planer. Im DGNB-Bewertungssystem sei es deshalb vorstellbar, dass der Bauherr künftig mit seiner Unterschrift bestätigt, dass er vom Planer über die Kältemittelproblematik und mögliche Folgen auf die Betriebskosten oder die Ökobilanz (Entsorgungskosten) aufgeklärt wurde. Schon heute werden Kälteanlagen bzw. Kältemittel im DGNB-Zertifizierungssystem entsprechend ihres GWP-Wertes bewertet. Positiv eingestuft werden Kältemittel mit einem GWP ≤ 150, das heißt, Wärmepumpen und Kälteanlagen mit dem Kälte-mittel R32 (GWP = 675) werden mit Strafpunkten belastet.
In der DGNB-Schrift "Kostenfalle Kältemittel" weisen die Autoren darauf hin, dass die Handhabung neuer Kältemittel bedeutend anspruchsvoller sein wird und höhere Anforderungen an kältetechnische Komponenten, Dimensionierung und Betrieb stellt. Bereits jetzt sei zu beobachten, dass sich der Markt hin zu den umweltverträglichen, natürlichen Kältemitteln dreht.
Ökoeffizienz beachten
Die Anschaffung einer Wärmepumpe ist eine Entscheidung für die nächsten 25 Jahre und länger. Umwelt- und Kostenvorteil einer Investition sollten deshalb sehr sorgfältig geprüft werden. Bislang reicht das Zeitfenster des "F-Gase Phase Downs" bis zum Jahr 2030. Aufgrund der aktuellen Klimadiskussion ist jedoch damit zu rechnen, dass der Ausstieg aus den synthetischen Kältemitteln nach 2030 fortgesetzt wird. Nüchtern betrachtet, haben Kältemittel mit einem GWP ≥ 150 dann kaum mehr eine Chance auf Akzeptanz. Hinzu kommt, dass Kältemittel mit einem höheren GWP-Wert als 150 durch die Verknappung zunehmend teurer werden. Das bedeutet, für heute preisgünstige Wärmepumpen mit Hoch-GWP-Kältemitteln können hohe Folgekosten durch Wartung und Entsorgung entstehen. Wer seine Investition in eine Wärmepumpe langfristig absichern will, sollte dies ins Kalkül ziehen. Der Kauf einer R290-Wärmepumpe (GWP = 3) neuester Bauart gegenüber einer gängigen R410A-Wärmepumpe (GWP 2.088) zahlt sich aus, weil die Investition auf die gesamte Lebenszeit der Wärmepumpe abgesichert ist.
Die Vorteile von Wärmepumpen mit R290 (Propan) als Kältemittel lauten:
- Vorlauftemperaturen von bis zu 70 °C auch bei tiefen Außentemperaturen.
- Hoher COP (Coefficient of Performance = Leistungszahl) von 4,65 bei A2/W35 nach DIN EN 14511 ("Luftkonditionierer, Flüssigkeitskühlsätze und Wärmepumpen für die Raumbeheizung und -kühlung und Prozesskühler mit elektrisch angetriebenen Verdichtern") erreichbar.
- Hoher EER (Energy Efficiency Ratio = Kälteleistungszahl) von 5,92 bei A35/W18 nach DIN EN 14511 erreichbar. Dieser Wert ist besonders interessant, wenn die Wärmepumpe zum Heizen und Kühlen eingesetzt wird.
Bei vergleichbaren R410A-Wärmepumpen liegt der COP um 0,2 bis 0,4 Punkte niedriger; auch die erreichbaren Vorlauftemperaturen liegen unter denen von R290.
Zu beachten ist jedoch: R290 ist brennbar und gemäß DIN EN 378 ("Kälteanlagen und Wärmepumpen – Sicherheitstechnische und umweltrelevante Anforderungen") der Sicherheitsgruppe 3 zuzuordnen. Aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen, insbesondere an die Dichtheit der Anlage, liegen die Kältemittelverluste von R290-Anlagen und -Geräten bei Null. Durch die sehr guten thermodynamischen Eigenschaften, vergleichbar mit dem Allround-Kältemittel R22 (seit 1. Januar 2015 verboten), wird Propan zudem heute in vielen, meist im Außenbereich aufgestellten Kaltwassersätzen mit kleineren Füllmengen sowie für Solekühlsätze (Lebensmittelmärkte) eingesetzt. Aber auch steckerfertige Kühlmöbel für Lebensmittelmärkte und andere Verkaufsräume arbeiten inzwischen weitgehend mit dem Kältemittel R290.
Die überzeugenden ökologischen wie auch ökonomischen Vorteile von R290 haben Wolf Heiztechnik, Mainburg, dazu bewogen, parallel zu seiner R410A-Wärmepumpe eine R290-Wärmepumpe ins Portfolio aufzunehmen. Das Thema "Sicherheit" wurde dadurch gelöst, dass der kältetechnische Teil der Luft/Wasser-Wärmepumpe ("CHA-Monoblock") komplett in der Außeneinheit untergebracht ist. Das heißt, für die Montage wird kein Kälteschein benötigt. Durch die systemisch hohen Vorlauftemperaturen von bis zu 70 °C ist die Wärmepumpe auch für Renovierungen/Sanierungen gut geeignet.
Fazit
Die F-Gase-Verordnung und der "F-Gase Phase Down" verändern den Blickwinkel auf die Kältemittel zugunsten natürlicher Stoffe, zu denen auch R290 (Propan) gehört. Neben der rein ökologischen Betrachtung rücken auch ökonomische Kriterien, wie die Wirtschaftlichkeit auf die Lebenszeit einer Anlage, in den Fokus von Bauherren und Investoren.
Wegen des geringen GWP, der niedrigen Kosten, der problemlosen Entsorgung und der quasi unbegrenzten Verfügbarkeit der natürlichen Kältemittel rücken halogenfreie, organische Kohlenwasserstoffe in das Blickfeld vorausschauender Wärmepumpenanbieter. Millionen Herde, Grills und Campingausrüstungen in der Hand von Endverbrauchern liefern den Beweis, dass die Brennbarkeit von R290 gut beherrschbar ist. Letztendlich gibt es mittelfristig keine nennenswerte Alternative zu den natürlichen Kältemitteln in punkto Effizienz, Umweltverträglichkeit und langfristige Verfügbarkeit.
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