Erneuerbare Energien

Lieferfähigkeit als wichtiger Erfolgsfaktor

Interview mit Holger Thiesen von Mitsubishi Electric Europe B.V.

Dienstag, 22.03.2022

Die Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik hat ein außergewöhnliches und erfolgreiches Jahr hinter sich – mal wieder.

Das Bild zeigt ein Planetarium.
Quelle: Mitsubishi Electric
Das Projektgeschäft hat sich im vergangenen Jahr wieder belebt und Mitsubishi Electric ein Wachstum beschert.

Zumindest die politischen Rahmenbedingungen sehen so aus, dass sich der positive Trend weiter fortsetzen wird. Doch genauso können Corona-Pandemie, Fachkräftemangel und Materialengpässe der Entwicklung einen Dämpfer verpassen. Holger Thiesen, General Manager Living Environment Systems und Vice President der deutschen Niederlassung von Mitsubishi Electric Europe B.V., gibt im Interview mit dem HeizungsJournal einen Überblick über die Entwicklungen des vergangenen Jahres und wagt einen Ausblick.

Zu Beginn des vergangenen Jahres prognostizierten wir bereits viele Unwägbarkeiten für die Branche. Wie hat sich das Jahr 2021 aus Ihrer Sicht entwickelt?

Zunächst einmal: Die Branche bewegt sich genauso wie ein Großteil der Wirtschaft in einem extrem instabilen Fahrwasser. Dafür verantwortlich ist letztendlich die Pandemie mit ihrer kaum kalkulierbaren Entwicklung. Zudem spielen Rohstoff-, Material- und Komponentenverfügbarkeit eine entscheidende Rolle. Wir alle haben die Erfahrung machen müssen, wie schnell globalisierte Lieferketten der wirtschaftlichen Entwicklung einen Dämpfer verpassen können.

Grundsätzlich hat die Branche in 2021 aber eine positive Entwicklung gezeigt.

Ja – in jedem Fall. Kennzeichnend sind nachhaltige Trends zur Klimatisierung und Lüftung sowie der Wunsch nach einer hohen Indoor-Air-Quality (Anm. d. Red.: Raumluftqualität). Dazu kommt die Energiewende in der Heiztechnik. Sie gibt der Branche mit dem Ziel der Dekarbonisierung und Elektrifizierung der Wärmeerzeugung über die Wärmepumpen-Technologie einen weiteren starken Wachstumsimpuls.

Gibt es Unterschiede in den Teilmärkten der Branche?

Bei Klein-Klimaanlagen hat sich die enorme Hektik des Vorjahres etwas abgeschwächt. Das hat allen etablierten Anbietern gutgetan, um „Luft zu holen“. Die Auftragsvorlagen sind nach wie vor auf sehr hohem Niveau, bewegen sich aber wieder im empfundenen Bereich der Normalität. Auch das Projektgeschäft, in dem wir mit einem Minus gerechnet hatten, hat sich im zweiten Halbjahr 2021 wieder belebt und uns bei Mitsubishi Electric sogar ein Wachstum beschert. Das betrifft sowohl die VRF-Technologie als auch Kaltwassersätze sowie den mittleren Bereich der Klimatisierung und Wärmeversorgung beispielsweise für das Retail-Geschäft. Der Heiztechnikmarkt mit Wärmepumpen ist weiterhin stark gewachsen.

Das Bild zeigt eine Mitsubishi Anlage.
Quelle: Mitsubishi Electric
Bei VRF- und HVRF-Anlagen ging der Markt 2021 leicht zurück. Mitsubishi Electric konnte dagegen weiter wachsen.

Welche Gründe sehen Sie für die Belebung des Projektgeschäftes? Insbesondere im Hotel- und Bürobereich waren die Investitionen doch bestimmt nach wie vor gering.

Eine Branchenerhebung hat gezeigt, dass der Markt für Hotelprojekte um 19 Prozent zurückgegangen ist. Viele Planungen, zum Beispiel für die Erneuerung der technischen Gebäudeausrüstung, sind jedoch einfach nur verschoben worden. Wir sehen insbesondere, dass die Investitionsbereitschaft der großen internationalen Ketten weiterhin besteht. Im Gegenteil: Man sieht die Chance, sich an neuen attraktiven Standorten etablieren zu können. Auch das Geschäft in Bürogebäuden entwickelt sich weiterhin gut – wenn auch mit veränderten Konzepten. Es wird hier viel mehr Wert auf eine besonders flexible technische Ausstattung der Gebäude gelegt. Das kommt unserer Technologie sehr entgegen. Wir haben bereits zahlreiche Projekte umgesetzt, in denen das Konzept flexibler Arbeitsplätze mit unterschiedlichen Grundrissen sehr gut verdeutlicht wird. !PAGEBREAK()PAGEBREAK!

Wie hat sich die Entwicklung ganz speziell bei Mitsubishi Electric dargestellt?

Egal, ob wir hierzu eine Betrachtung nach Produktgruppen, Teilbereichen oder Ländern herunterbrechen – wir blicken in 2021 wiederum auf eine Entwicklung weit über unseren Erwartungen zurück. Dabei konnten wir in mehreren Bereichen unsere Marktposition nochmals ausbauen und Marktanteile gewinnen. Durch eine organisatorische Neuaufstellung konnten wir unseren Kunden zudem einen noch besseren Service bieten. Hier haben wir aus den vergangenen Jahren gelernt und Lieferketten sowie Verfügbarkeiten genau analysiert. Dementsprechend waren wir zum überwiegenden Teil lieferfähig – ein Vorteil gegenüber der allgemeinen Situation am Markt. Dabei konnten wir sowohl auf unsere Pufferlager in Europa als auch eine Substituierbarkeit von Technologie aus unserem breiten Produkt- und Systemangebot setzen.

Das Bild zeigt Holger Thiesen, Mitsubishi.
Quelle: Mitsubishi Electric
„Die wichtigste Botschaft für 2022 ist, dass wir uns als Branche gemeinsam noch intensiver um den Nachwuchs kümmern und junge Menschen für uns begeistern müssen“, betont Holger Thiesen.

Wenn Sie für uns dennoch einmal Ihre Produktgruppen mit ihrer jeweiligen Entwicklung aufschlüsseln könnten?

Betrachten wir den Markt der professionellen Anwendungen insbesondere im Projektgeschäft, sind wir mit einer sehr vorsichtigen Erwartung herangegangen. Das gilt beispielsweise für unser VRF- und HVRF-Geschäft im „City Multi“-Bereich. Hier haben wir einen leicht rückläufigen Markt und ein Wachstum für unsere Technologien gesehen – sprich: Wir konnten Marktanteile gewinnen. Der Markt für Kaltwassererzeuger war mehr oder weniger stabil mit einem leichten Wachstum. Wir als Mitsubishi Electric haben uns hier mit unserer Marke Climaveneta überproportional entwickelt.

Im mittleren Leistungssegment mit den „Mr. Slim“-Produkten, das auch in den kommerziellen und vor allen Dingen in den Retail-Markt geht, hatten wir mit einer deutlich schlechteren Marktentwicklung gerechnet. Unsere Zahlen sind aber in jeder Hinsicht überraschend positiv gewesen. Auch in puncto Projektierung sehen wir, dass die Investitionsbereitschaft viel schneller als erwartet wieder angesprungen ist.

Der Markt für Klein-Klimageräte mit unserer „M“-Serie hat sich nicht mehr dermaßen extrem wie noch in 2020 verhalten. Wir sind 2021 zwar weiter gewachsen, aber nicht mit der rasanten Entwicklung wie in 2020. Der Heizungs- und Wärmepumpenmarkt ist extrem interessant geworden und wir profitieren davon, dass wir hier schon sehr früh in den Markt eingestiegen sind und ihn mit unserer „Zubadan“-Technologie auch geprägt haben. Wir partizipieren hier vom allgemeinen Wachstum und haben eine sehr gute Entwicklung gesehen.

Sie hatten vorhin bereits das Thema der Lieferverfügbarkeiten und Materialengpässe angesprochen. Wie bewerten Sie die Entwicklung im vergangenen und dem aktuellen Jahr?

Um auch in 2021 bestmöglich lieferfähig zu bleiben, haben wir verschiedene Strategien kombiniert und konnten dadurch an vielen Stellen Lösungen bieten, an denen es keine Verfügbarkeit im Markt gab. Das hat uns nicht nur Aufträge, sondern auch eine hohe Zufriedenheit bei Neukunden eingebracht, die dauerhaft zu uns gewechselt sind.

Welche Strategien in puncto Lieferfähigkeit sprechen Sie hier konkret an?

Zunächst einmal hatten wir in 2021 zuverlässig kontinuierliche Wareneingänge, die für den benötigten Nachschub gesorgt haben. War vorübergehend die eine oder andere Variante für eine oder zwei Wochen nicht lieferbar, konnten wir das mit unserer Lagerstruktur in Europa abfangen. War auch das nicht möglich, können wir auf ein extrem großes Produktprogramm zurückgreifen, das so variabel ist, um beispielsweise Leistungsgröße A durch Leistungsgröße B ersetzen zu können. Auch die breite Konnektivität unserer Innen- mit unseren Außengeräten spielt uns dabei in die Karten. Insofern haben wir es fast immer geschafft, dass unsere Kunden Probleme bei der Verfügbarkeit gar nicht bemerkt haben. Und darüber hinaus konnten wir auf unser Werk in der Türkei zurückgreifen, in dem wir seit 2021 Split-Klimageräte zusätzlich zu den bereits bestehenden europäischen Kapazitäten produzieren.

Wird sich dieser Trend in Sachen Lieferverfügbarkeit und Materialknappheit in 2022 fortsetzen?

Die Einschätzungen für 2022 sind nach wie vor extrem schwierig und letztendlich davon abhängig, wie sich der Pandemieverlauf darstellen wird. Die Branche steht jedoch so stabil da, dass sie sich auch in 2022 positiv entwickeln kann. Nach wie vor bestehen Unsicherheiten in den Lieferketten und entsprechenden Verfügbarkeiten der Produkte. Davor ist niemand geschützt – auch bei den besten Strategien und Vorbereitungen nicht. Denn das Management dieser kurzfristigen Anforderungen hinsichtlich Verfügbarkeit wird immer herausfordernder. Nach unseren derzeiti-gen Kenntnissen gehen wir aber davon aus, dass die Lage beherrschbar bleiben wird. Dennoch sind mögliche Unwägbarkeiten nach wie vor groß.

Quasi parallel zu dieser Problematik hat sich das Thema „Preissteigerungen“ entwickelt. Wie blicken Sie hierzu auf 2022 – speziell bei Mitsubishi Electric?

Preissteigerungen betreffen nicht nur unsere Branche, sondern quasi alle Märkte. Insbesondere hinsichtlich der benötigten Energieträger, wie beispielsweise Elektrizität und Gas, aber auch der Rohstoffe, die an den internationalen Märkten gehandelt werden, rechnen wir weiter mit einer hohen Dynamik. Die Rekord-Inflationsrate in Deutsch-land ist eines der Anzeichen dafür. Auch wir werden nicht umhinkommen, in 2022 die Kostensteigerungen weiter-geben zu müssen. Das wird aber nicht der tatsächlichen Kostenentwicklung entsprechen, die größtenteils durch unsere Fabriken und Konzerne aufgefangen wird. Anders als sonst werden wir die notwendige Anpassung nicht zum 1.4., sondern erst zum 1.7. des Jahres umsetzen. Das gibt unseren Partnern die Möglichkeit und Zeit, es einzuplanen und vorausschauend zu agieren.

Apropos „Preissteigerungen“: Sie sprachen vorhin von der neuen Produktion in der Türkei. Ist die angesichts der teils enormen Inflation der türkischen Lira mit dem sich parallel entwickelnden Wechselkursrisiko überhaupt planbar?

Zunächst einmal sind wir stolz darauf, auf der transeuropäischen Kontinentalplatte ein sehr hoch automatisiertes Werk aufgebaut zu haben, das hervorragend funktioniert und seinen Zweck in 2021 bereits sehr gut erfüllt hat. Bisher hatten wir hier keinerlei Störungen in der Versorgungskette – im Gegenteil: Unser Werk gehört in puncto Versorgungssicherheit zu unseren zuverlässigsten Standorten. Natürlich ist die Wechselkursentwicklung ein Thema, das uns fordert. Als globaler Konzern zählen Wechselkursrisiken für uns aber zum Alltagsgeschäft, die sich als temporäre Effekte weltweit wieder ausgleichen. !PAGEBREAK()PAGEBREAK!

Global betrachtet, spielt aus unserer Sicht auch der Umgang mit den unterschiedlichen Kältemitteln eine entscheidende Rolle für die Branche. In Europa gibt hier die F-Gas-Verordnung den Weg vor. Derzeit setzt Mitsubishi Electric bei Wärmepumpen auf R32. Der Markt scheint sich aber in Richtung R290 (Propan) zu bewegen. Wie sehen Sie hier die weitere Entwicklung?

Grundsätzlich sind aus unserer Sicht sowohl R32 als auch R290 zwei sehr gute Kältemittel, die tauglich für den Einsatz in Wärmepumpen sind. In den verschiedensten Einsatzbereichen bieten sie unterschiedliche Vor- und Nachteile. R32 hat insbesondere andere Sicherheitsvoraussetzungen im Einsatz als R290. Das führt unter anderem dazu, dass Wärmepumpen mit R290 aktuell fast ausschließlich als Monoblockgeräte mit geschlossenem Kältekreis im Außen-gerät eingesetzt werden. Der internationale Markt ist nach wie vor durch Splitgeräte – mit R32 – dominiert. Aus unserer Sicht werden wir künftig beide Varianten auf dem europäischen Markt benötigen.

Das Bild zeigt ein Wohngebäude mit Wärmepumpen.
Quelle: Mitsubishi Electric
Der Heizungs- und Wärmepumpenmarkt hat eine extrem interessante Entwicklung genommen. Mitsubishi Electric profitiert hier von einem frühen Markteintritt.

Bedeutet das, dass Sie sich ebenfalls mit Wärmepumpen beschäftigen, die mit dem Kältemittel R290 betrieben werden?

Angesichts der Herausforderungen der Energiewende und mit Blick auf den Klimaschutz prüfen wir alle Möglichkeiten und auch alle Kältemittel, die künftig eine Lösung für die anstehenden Aufgaben bieten können. Dazu zählt selbstverständlich auch R290. Wir versuchen permanent, unseren Partnern eine Wahl für die jeweiligen objektspezifischen Notwendigkeiten zu lassen, ohne sie auf eine einzige Lösung zu fixieren. Das gehört zu unserer Unternehmensphilosophie. Deswegen bieten wir insbesondere dem SHK-Fachhandwerk ohne Sachkundenachweis zum Um-gang mit Kältemitteln schon seit Langem auch ein Monoblockgerät – mit einem Kältekreis, der mit R32 gefüllt ist. Dieses Gerät ist ein Teil unseres breiten Portfolios, das wir künftig sicherlich mit weiteren Lösungen ergänzen wer-den.

Bietet der Markt hier nicht ohnehin ein gespaltenes Bild? Aus unserer Sicht sind Hersteller, die vorwiegend von der Heizungsseite kommen, eher auf R290 ausgerichtet und Unternehmen, die aus der Kälteseite heraus Wärmepumpen entwickelt haben, mehr mit R32 unterwegs?

Grundsätzlich ist es das Fachhandwerk aus dem Kälteanlagenbau gewohnt, mit R410A und R32 zu arbeiten – bedingt aus den Erfahrungen in der Kälte- und Klimatechnik. Hierher ist es auch eng mit den Gedanken und Vorteilen von Splitsystemen verbunden und sieht dessen Vorteile hinsichtlich einer höheren Effizienz aufgrund der geringeren Anzahl an Energiephasenwechseln. Für den klassischen SHK-Fachhandwerker ist das Thema Kältemittel immer noch vergleichsweise neu, aber er holt mittlerweile massiv auf, was den Umgang mit Kältemitteln betrifft. Insofern ist es einfach zu erklären, dass jeder Hersteller die angestammten Bedürfnisse seiner traditionellen Klientel bedient. In der Zukunft werden sich die Gewerke hier nicht mehr klar trennen lassen, sondern wir werden über Fachhandwerker reden, die sich mit der Systemtechnik insgesamt auseinandersetzen und als Systemspezialisten stets die beste Lösung anbieten können.

Zum Abschluss, Herr Thiesen, würden wir gerne Ihre Meinung über die Entwicklung der Branche in 2022 erfahren.

Aus unserer Sicht wird sich die Branche in 2022 weiter auf einem relativ hohen Niveau bewegen – vorausgesetzt, dass wir keine drastischen Auswirkungen neuer Pandemiewellen erleben müssen. Grundsätzlich rechnen wir auf dieser Basis in Europa mit einem stabilen Wachstum in allen Bereichen der Branche. Auch das Projektgeschäft scheint nach unseren aktuellen Daten wieder anzuziehen. Die wichtigste Botschaft für 2022 ist aber, dass wir uns als Branche gemeinsam noch intensiver um den Nachwuchs kümmern und junge Menschen für uns begeistern müssen. Wir alle sind dafür verantwortlich, Nachwuchs in unsere Branche zu bringen und ihn zu qualifizieren. Das Handwerk ist hier bereits aktiv und auch wir als Mitsubishi Electric werden in 2022 unsere Anstrengungen nochmals intensivieren und die Nachwuchsförderung sowie die Nachwuchsgewinnung zu einem unserer wichtigsten Ziele machen.

Galerie

  • Das Projektgeschäft hat sich im vergangenen Jahr wieder belebt und Mitsubishi Electric ein Wachstum beschert.
  • Bei VRF- und HVRF-Anlagen ging der Markt 2021 leicht zurück. Mitsubishi Electric konnte dagegen weiter wachsen.
  • „Die wichtigste Botschaft für 2022 ist, dass wir uns als Branche gemeinsam noch intensiver um den Nachwuchs kümmern und junge Menschen für uns begeistern müssen“, betont Holger Thiesen.
  • Der Heizungs- und Wärmepumpenmarkt hat eine extrem interessante Entwicklung genommen. Mitsubishi Electric profitiert hier von einem frühen Markteintritt.
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