Das neue ICE-Werk der Deutschen Bahn in Köln ist ein Leuchtturmprojekt für den Einsatz innovativer und zukunftsfähiger Umwelttechnologien.
Nachhaltige Temperierung mit Geothermie
CO2-neutrales ICE-Werk setzt auf hocheffiziente Heizung und Kühlung
Donnerstag, 27.12.2018
Für die Deutsche Bahn ist das neue ICE-Instandhaltungswerk im Kölner Stadtteil Nippes ein Prestigeprojekt in Sachen Klimaschutz. Das Unternehmen will Umweltvorreiter werden und dafür bis 2030 die spezifischen CO2-Emissionen im Vergleich zu 2006 um 50 Prozent senken. Im Zuge dessen wurden rund 220 Millionen Euro investiert, um nicht nur Europas modernstes Fernverkehrswerk, sondern gleichzeitig auch ein Leuchtturmprojekt für den Einsatz innovativer und zukunftsfähiger Umwelttechnologien zu errichten. Es ist im laufenden Betrieb CO2-neutral und spart damit jährlich 1.000 t Kohlendioxid ein.
Das Ende Februar 2018 feierlich eingeweihte Instandhaltungswerk soll für mehr Qualität und Zuverlässigkeit im Fernverkehr sorgen. Auslöser war das Betriebschaos im Katastrophen-Winter 2009/10, wo von damals 250 ICE-Zügen auf einmal nur noch 150 einsatzbereit waren. In der 22.250 m² großen Werkstatt-Halle können pro Nacht bis zu 16 ICE gewartet werden, was die Kapazitäten am wichtigen Verkehrsknoten Köln vervierfacht. Zum Komplex gehören darüber hinaus noch Verwaltungs-, Sozial- und Lagergebäude.
Energiekonzept setzt vollständig auf Erneuerbare
Um das ICE-Werk CO2-neutral zu betreiben, setzte die Deutsche Bahn vollständig auf Erneuerbare Energien. Bei der Erkundung des Erdreichs wurde eine 12,5 °C warme Wasserader entdeckt, die optimale Voraussetzungen für die Nutzung von Geothermie bietet. Zehn eigens für diesen Zweck erschlossene Brunnen dienen hier als Wärmequellen und -senken für eine 4,9 MW Großwärmepumpen-Verbundanlage von Zent-Frenger Energy Solutions. Für die Temperierung sämtlicher Gebäude des Werkkomplexes sind hier allein drei "Geozent Profi"-Energiezentralen in Verbindung mit einer weitreichenden Betonkernaktivierung zuständig.
Die Trinkwassererwärmung übernimmt ein 180 m² großes Solarthermiefeld auf dem Hallendach mit bis zu 100 kW Gesamtleistung. Bei Bedarf unterstützen die Energiezentralen über eine Heißgasauskopplung, mit der im Parallelbetrieb ebenfalls hohe Vorlauftemperaturen zur Erwärmung des Trinkwassers bereitgestellt werden können. Eine vierte Energiezentrale verantwortet die Warmwasserbereitung für die ICE-Enteisungs- und Waschanlage. Den Strom für die Wärmepumpen liefert eine rund 2.100 m² große Photovoltaikanlage mit einer installierten Leistung von 300 kW. Reicht der selbst erzeugte Solarstrom nicht aus, kommt ohne Ausnahme Ökostrom zum Einsatz.
Die Herausforderung bei der Konzeptionierung der Geothermienutzung lag darin, sowohl das Quellenmanagement als auch die Leistungsregulierung optimal aufeinander abzustimmen und damit die Wärmequellen und -senken gemäß ihres nutzbaren Potentials auszuwählen und zu betreiben. Gleichzeitig galt es, die großen Heiz- und Kühlleistungen ohne technische Einschränkungen und mit möglichst geringem Wartungsaufwand auf verhältnismäßig kleinem Raum zu realisieren.
Aufgrund der langjährigen Erfahrung mit derart komplexen Anlagenanforderungen übernahm Zent-Frenger die Planung und Auslegung einer entsprechenden Systemlösung. Diese beinhaltet eine Verschaltung der vier speziell auf das Projekt zugeschnittenen, kompakten Energiezentralen mit allen fünf Förder- und Schluckbrunnen. Gleichzeitig lieferte das Unternehmen auch die dafür notwendige Regelungstechnik.
Drei Großspeicher als hydraulische Weichen
Dreh- und Angelpunkt des Anlagenkonzepts sind ein 5.140 l großer Verteilspeicher auf der Quellenseite sowie zwei Pufferspeicher für Kalt- und Warmwasser mit einem Volumen von 4.400 bzw. 9.077 l auf der Bereitstellungsseite. Als hydraulische Weichen sorgen diese für ausgeglichene Verhältnisse in der Gesamtanlage, sodass eine Über- oder Unterversorgung einzelner Großwärmepumpen in jeder Betriebsphase vermieden wird. Das hohe Puffervolumen des Quellenverteilers sowie redundant ausgelegte Kältemittel- und Hydraulikkreisläufe in den Wärmepumpen sichern hier den Systembetrieb zusätzlich ab.
Zum Schutz der Energiezentralen vor unzureichender Wasserqualität wurden die Brunnen, die insgesamt über eine Förderleistung von bis zu 600 m³/h verfügen, zudem mit fünf Trenn-Wärmeübertrager-Modulen ausgestattet. Diese Stationen vereinen Wärmeübertrager, Zubringer-Pumpe sowie einen Schaltschrank mit Frequenzumformer, Sensorik und Bus-Technik auf einem einfach zu wartenden Modulrahmen. Gleichzeitig dienen sie als Schnittstelle zum Wärmequellenmanagement, indem sie eine regelungstechnische Anbindung der Brunnenanlage mit Pumpen, Pegelsonde und Temperaturfühlern ermöglichen.
Das Grundwasser zirkuliert mithilfe der fünf Brunnenpumpen, von denen drei über Frequenzumformer drehzahlgeregelt sind, durch die Trenn-Wärmeübertrager. Von dort gelangt die Quellenenergie über einen separaten Kreislauf in den großen Verteilspeicher, auf den wiederum die Energiezentralen zugreifen. Im Zuge eines Kaskadenmanagements werden die einzelnen Brunnen hier schrittweise zugeschaltet, sobald die Temperatur im Quellenspeicher vom Sollwert abweicht.
Großwärmepumpen für Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung
Die drei für die Gebäudetemperierung zuständigen "Geozent Profi"-Energiezentralen verfügen über eine Leistung von jeweils 1,3 MW. Abhängig vom Wärme- und Kältebedarf wählen die Anlagen immer die energieeffizienteste Betriebsweise und schonen gleichzeitig die Wärmequelle Grundwasser so weit wie möglich. Priorität hat dabei der sogenannte Dualbetrieb, mit dem sich Heiz- und Kühlanforderungen im ICE-Werk gleichzeitig abdecken lassen. Für diesen Prozess dienen die zwei Pufferspeicher auf der Bereitstellungsseite als Wärmequelle bzw. -senke für die Kälteerzeugung, während die Brunnenanlage nur unterstützend den Wärme- oder Kälteüberschuss ausgleicht.
Ist ausschließlich Kälteleistung gefordert, arbeiten die Großwärmepumpen möglichst im Naturalkühlbetrieb. Sobald die Temperatur des Grundwassers ausreicht, wird die überschüssige Wärme aus dem Gebäude ohne Nutzung der sauggasgekühlten Schraubenverdichter direkt über die Brunnen abgegeben. Da so nur noch die Antriebsenergie für die Heizungs- und Soleumwälzpumpen benötigt wird, sinken die Betriebskosten erheblich.
Eine weitere Energiezentrale mit 1 MW Leistung ist zudem für die Warmwasserversorgung der ICE-Enteisungs- und Waschanlage zuständig. Diese besprüht die vorbeirollenden Züge mit 2.000 Litern Wasser pro Minute und wird parallel sowohl von der Großwärmepumpe als auch aus einem drucklosen 450.000 l Betonspeicher gespeist. In den Ruhezeiten erwärmt die Energiezentrale den Wasserspeicher nach und nach auf eine Temperatur von maximal 53 °C.
Dabei erhält ein ausgeklügeltes Be- und Entladungskonzept die Temperaturschichtung im Speicher, so dass dieser nicht durchmischt wird und Leistungspotential verloren geht. Auf diese Weise wird die für Warmwasserbereitung zur Verfügung stehende Leistung auf 2 MW verdoppelt. So konnte hier auf eine weitere Energiezentrale verzichtet und gleichzeitig auch das Grundwasser als Wärmequelle geschont werden.
Maßgefertigte Energiezentralen mit integrierter Hydraulik
Alle vier "Geozent Profi"-Energiezentralen wurden für das Projekt maßgefertigt und dabei sämtliche Komponenten wie Verdichter, Kältemittelkreisläufe, Wärmeübertrager und Hocheffizienzpumpen speziell auf den Anwendungsfall hin ausgelegt. Die Anlagen sind mit einer integrierten Hydraulik ausgestattet und können durch geschickte Verschaltung von Wärmeübertragern, drehzahlgeregelten Pumpen und allen erforderlichen Regel- und Stellorganen sämtliche Betriebszustände selbst abdecken und regeln. Dementsprechend musste zwischen den Energiezentralen, dem Quellenspeicher sowie den Pufferspeichern für Kalt- und Warmwasser lediglich die Rohrleitungsinstallation umgesetzt werden.
Dies war besonders wichtig, weil in den beiden Technikzentralen für die sehr hohe Anlagenleistung nur verhältnismäßig wenig Platz zur Verfügung stand. Hier neben den Großwärmepumpen noch eine aufwändige externe Hydraulik zu realisieren, wäre kaum möglich gewesen und hätte den Installationsaufwand maßgeblich erhöht. Demgegenüber sind die Energiezentralen für ein einfaches Handling auf der Baustelle mehrteilig in Modulbauweise konstruiert. So konnten die Anlagen trotz der beengten Räumlichkeiten problemlos eingebracht und anschließend einfach zusammengesetzt werden.
Mithilfe der integrierten Heißgasauskopplung können die Energiezentralen zudem die Solarthermieanlage bei der Trinkwassererwärmung unterstützen. Mit dieser Methode kann eine zweite, höhere Vorlauftemperatur aus dem Wärme- bzw. Kälteprozess ausgekoppelt werden, ohne dabei das gesamte Druckniveau des Verdichters anzuheben. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise im Heizbetrieb bei einer Vorlauftemperatur von 50 °C noch einmal 70 °C für die Warmwasserbereitung gewinnen. Grundsätzlich können etwa zehn Prozent der Verdichterleistung in Form von Heißgas ausgekoppelt werden. Damit stellen die drei für die Gebäudetemperierung zuständigen Energiezentralen zusätzlich also noch einmal jeweils 130 kW für das Trinkwarmwasser bereit.
Herstellereigene Regelung als übergreifender Energiemanager
Den Kern der ganzheitlichen Systemlösung bildet allerdings die frei programmierbare Regelung. Diese steuert die komplexen Abläufe der verschiedenen Heiz- und Kühlprozesse optimal und sorgt im Zuge dessen stets für hydraulisch ausgeglichene Verhältnisse in der Gesamtanlage. Die MSR-Technik basiert dabei auf einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS), die sämtliche Funktionen der Energiezentralen entsprechend den Parametervorgaben regelt und selbst über die jeweils wirtschaftlichste Betriebsart entscheidet.
Deutliche Effizienzvorteile ergeben sich hier etwa daraus, dass die Energiezentralen den komplexen Ablauf des Heiz- und Kühlprozesses, der ja auch gleichzeitig auftritt, über denselben Kältemittelkreislauf zur Verfügung stellen können – und zwar, ohne diesen dafür umschalten zu müssen. Die Regelung gewährleistet dies für vier Großwärmepumpen mit unterschiedlichen Leistungen, die zudem noch in zwei Technikzentralen in 300 m Entfernung voneinander untergebracht sind. Die Drehscheibe für diesen stetig gleitenden Prozess der Energieverschiebung ist der große Quellenverteiler, der im Zuge dessen auch dafür sorgt, dass die fünf Förder- und Schluckbrunnen so wenig wie möglich beansprucht werden.
Weiterhin werden im Rahmen eines Monitorings sämtliche Parameter und Betriebszustände – wie etwa die Pegelstände der Brunnen, Differenzdrücke an jeder Pumpe sowie die Temperaturen an den Pufferspeichern – kontinuierlich überwacht. Alle Betriebsabläufe der Energiezentralen lassen sich zudem mithilfe der integrierten Prozessvisualisierung entweder über das zentrale Servicecenter von Zent-Frenger oder vom Kunden selbst standortunabhängig nachvollziehen. Auf dieser Basis findet auch eine umfassende Fernbedienung, -wartung und -optimierung der Anlagen statt.
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