Bisher werden Gewerbeimmobilien, (Produktions-) Prozesse und Versorgungssysteme immer noch zu wenig als Einheit gesehen und damit einhergehend ...
Optimierung nur mit Messdaten-Wissen
Energieeffizienz-Potentiale im Sektor Industrie gezielt heben
Mittwoch, 28.02.2024
... nicht auf die wirklich benötigten Energiebedarfe ausgerichtet. Mithilfe von smarten Ultraschall-Wärmemengenzählern von Molliné forscht das Institut PTW der TU Darmstadt auf Basis hochpräziser Daten an praxisnahen Ansätzen, wie das künftig ressourcenschonend geändert werden kann.
Um die eingeleitete Wärmewende erfolgreich umzusetzen, ist eine drastische Verringerung des Anteils an fossilen Energieträgern und des allgemeinen Energieverbrauchs zwingend notwendig. Eine maßgebliche Rolle kommt dabei auch dem Sektor Industrie zu. Er ist allein für etwa 22 Prozent der inländischen Treibhausgasemissionen, also auch des CO2-Ausstoßes, verantwortlich (Quelle: Agentur für Erneuerbare Energien). Aktuell konzentriert sich die öffentliche Diskussion dabei im Wesentlichen auf die Reduktion des Bedarfs an Raumwärme mit dem inhaltlichen Fokus auf verringertem Einsatz fossiler Brennstoffe.
Ein in diesem Kontext deutlich zu wenig betrachteter Bereich ist aber die Frage, speziell an die Handelnden im Sektor Industrie, ob eigentlich die anliegenden Energiebedarfe in der aktuellen Größenordnung notwendig sind. Sagt beispielsweise Fabian Borst von der Technischen Universität (TU) Darmstadt. Er ist als Gruppenleiter „ETA – Energietechnologien und Anwendung in der Produktion“ am dortigen Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) forschend tätig.
Seit 2020 untersucht er gemeinsam mit Projektleiter Lukas Theisinger am Beispiel der ETA-Fabrik, wie sich thermische Energieströme (hier: Heißwasser 70 bis 80 °C, Warmwasser 30 bis 40 °C und Kaltwasser ca. 15 °C für Kühlung) unter Realbedingungen verhalten – genauer betrachtet, geht es um die Aufwendungen für die Energiebereitstellung über die Verluste in der Verteilung bis hin zu den variierenden Lasten während der durch unterschiedlichste, wechselnde Faktoren beeinflussten Nutzungsprozesse.
Fabian Borst fügt hinzu: „Das Einsparpotential, das im industriellen Umfeld bei den energetischen Aufwendungen für Wärme und Kälte besteht, ist enorm. Bislang wird es aber noch viel zu wenig beachtet, weil zum einen die Verbräuche häufig als »fix« angesehen werden. Zum anderen stehen gerade bei vorhandenen Produktions- und Industrieanlagen hinter diesen thermischen Verbräuchen oftmals sehr komplexe technologische Zusammenhänge. Sie im ersten Schritt detailliert zu erfassen und im zweiten dann energetisch zu optimieren, ist aber vergleichsweise aufwändig – also zunächst mit Kosten verbunden, bevor die entsprechenden Einsparungen erzielt werden können.“
Die ETA-Fabrik soll dabei als ein praxisnahes Beispiel Bewusstsein schaffen, wie zielführend und ressourcenschonend es für Betreiber von Industrieanlagen sein kann, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Sie steht für ein skalierbares, bezüglich der Anforderungen flexibles System mit den drei beschriebenen thermohydraulischen, praxistypischen Versorgungssystemen. Genau wie die Bereitstellung der thermischen Leistung über zwei Blockheizkraftwerke (BHKW, gesamt: 35 kW) sowie zwei Wärmepumpen (gesamt: 18 kW).
Anders als in der Praxis bisher angewendet, müssen jedoch die Maschinen als Teil des thermischen Gebäudesystems und das Gebäude als „Maschine um die (Produktions-) Maschinen“ neu gedacht und verstanden werden, laut Lukas Theisinger: „Es geht darum, die Wärme- und Kälteflüsse in ihrer Gesamtheit zu sehen, um dann bislang ungenutzte Abwärmepotentiale zurückzuführen und auch die Wärmeüberschüsse des Gebäudes zu nutzen.“
Anwendungsbedingte Auswahl von Wärmemengenzählern entscheidend
Auf dem Gelände der ETA-Fabrik wurde deswegen in einem Container eine äußerst kompakte Haustechnikzentrale errichtet, über die die Wärme- und Kältelasten des Gebäudes wie der Produktion geführt, gemessen und hocheffizient wieder verteilt oder in zwei HVFA-Betonzisternen gespeichert werden (HVFA = „High Volume Fly Ash“ = thermischer Betonspeicher). Die EKS-Tec GmbH aus Messel hat dafür nicht nur ein sehr platzsparendes Rohrsystem in Dimensionen bis DN 50 installiert, welches einem „Schlangennest“ ähnelt. Sondern jeden Wärme- und Kältekreis mit kompakten Wärmemengenzählern mit Ultraschalltechnologie von Molliné ausgestattet.
Ultraschallzähler sind das Mittel der Wahl, wenn auf engem Raum auch bei geringen Anlaufwerten plausible Verbrauchswerte bei höchsten Abtastraten erfasst werden müssen. Der Dynamikbereich bei Ultraschall-Wärmemengenzählern liegt höher als beispielsweise bei mechanischen Messgeräten. Weitere Wärmemengenzähler der „Ultramess“-Reihe befinden sich in kompakter und Split-Variante an den Wärme- und Kälteversorgungsanlagen im Heizungskeller des Instituts. Sämtliche Wärmemengenzähler sind auf die jeweils anliegenden Temperaturbereiche ausgelegt und per M-Bus auf die Gebäudeleittechnik der ETA-Fabrik aufgeschaltet.
„Im Sinne der Praktikabilität ist das somit die einfachste Variante, ein umfassendes Monitoring der Wärmemengen sicherzustellen“, so Molliné-Vertriebsleiter Oliver Ebelshäuser, der ergänzt: „Gerade in Industriebetrieben ist eine Vielzahl unterschiedlichster Datenstandards in Anwendung. Wir sehen unsere Aufgabe aber darin, die Messdaten so einfach und so breit nutzbar wie möglich zur Verfügung zu stellen. Dafür ist der M-Bus mit Abtastfrequenzen von bis zu zehn Sekunden (mit Stromversorgung) optimal und mehr als ausreichend.“
Was sich in der Praxis umso mehr auszahlt, als es generell eine Herausforderung ist, die für ein aussagefähiges Monitoring anfallende Menge an unterschiedlichsten Daten und Protokollen dann zu einem konsistenten Datenmodell zusammenzuführen, aus dem sich später eine Betriebsstrategie entwickeln lässt – so Fabian Borst: „Für unser Forschungsprojekt benötigen wir natürlich eine sehr hohe Abtastfrequenz, um aus zeitlich hoch aufgelösten Lasten auch mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) belastbare Prognosemodelle zu entwickeln. In realen Anwendungen wären aber gerade bei recht trägen thermisch-hydraulischen Versorgungssystemen auch Abtastintervalle von mehreren Minuten bis hin zu einer Viertelstunde oder sogar einer Stunde schon ausreichend.“
Felix Förster, Kundendienstleiter der EKS-Tec GmbH, sieht deswegen – mit gleichzeitigem Blick auf Industriekunden mit Bestandsobjekten – auch einen wesentlichen Vorteil in dem breiten Produktprogramm, das ihm Molliné zur Verfügung stellen kann: „Schon bei diesem Forschungsprojekt mit sehr guter Vorplanung zeigt sich an den drei verschiedenen Wärmemengenzähler-Typen, wie unterschiedlich die Anforderungen sein können. Die Messgenauigkeit spielt dabei genauso eine wichtige Rolle wie beispielsweise die Einbaumaße oder die Frage, wie verschleißarm ein Mengenzähler arbeitet. Hier hilft nur der enge Austausch mit einem breit aufgestellten Spezialisten weiter. Denn gerade in Bestandsobjekten sind die Aufgabenstellungen ja meist noch wesentlich komplexer als in weitestgehend neu aufgesetzten Systemen wie diesen.“
Entsprechend eng war in der Planungsphase auch die Zusammenarbeit mit den Spezialisten von Molliné zur Klärung, welche Messgeräte für den jeweiligen Anwendungsfall am besten sind. „Hier hat sich einmal mehr bestätigt, wie notwendig gerade bei derart ambitionierten Projekten eine frühzeitige Beratung und Unterstützung durch den Hersteller ist“, so Oliver Ebelshäuser: „Denn letztlich muss auch die Messdatenmenge und -genauigkeit immer vor einem wirtschaftlichen Hintergrund gesehen werden und handhabbar bleiben. Schließlich sind Daten zwar die alles entscheidende Basis für Energieeffizienz. Ein Zuviel der Daten kann gerade am konkreten Objekt, also außerhalb eines Forschungsumfelds, aber auch kontraproduktiv wirken. Hier sehen wir mit unserem Beratungsteam die Aufgabe, den Kunden mit der notwendigen Expertise zur Seite zu stehen.“
Chance für Fachhandwerk und Fachplaner
Unabhängig vom Komplexitätsgrad und losgelöst von Neu- oder Bestandsanlagen zeigt das Forschungsprojekt „ETA im Bestand“ (Förderkennzeichen: 03EN0248A-I) des PTW an der TU Darmstadt aber auf jeden Fall, wie notwendig die frühzeitige Auseinandersetzung mit dieser Thematik für Betreiber von Industrieanlagen ist, erklärt Fabian Borst: „Das Bewusstsein, die vorhandenen Prozesse unter dem Aspekt der Energieeffizienz zu verbessern, ist ja bereits da. Das zeigt nicht zuletzt die Vielzahl der in den vergangenen Jahren neu eingebauten Hocheffizienzpumpen.
Das sind aber letztlich alles nur Einzellösungen mit begrenzten Effekten. Was jetzt notwendig ist, ist ein Verständnis für den umfassenden Ansatz, also eben die Betrachtung von sich gegenseitig permanent beeinflussenden Prozessen und Gebäuden und Versorgungssystemen als eine Einheit, als Querschnittsaufgabe in einem Unternehmen.“
Denn genau daran hapere es laut den beiden Forschern aber in der Praxis: „Es besteht hier für Fachhandwerk und TGA-Fachplaner eine hervorragende Chance, sich gegenüber ihren Kunden als kompetent zu profilieren. Und zwar, indem sie zum Beispiel bei Neubauten anfangen, die Energiesysteme für Wärme, Kälte und Druckluft oder die Liegenschaften wie Produktions- bzw. Bürogebäude nicht isoliert zu betrachten, sondern deren energetische Wechselwirkung zu berücksichtigen.“
Das setze zwar mehr Aufwand für Planung voraus, zahle sich aber perspektivisch auf jeden Fall durch deutlich reduzierte Betriebskosten aus. Genauso sei aber ein Umdenken auf Betreiberseite notwendig: „Das Facility Management sollte nicht mehr die Energieverbräuche der Liegenschaften isoliert von den energetischen Aufwendungen – und Verschwendungen durch Abwärme! – in der Produktion betrachten, und umgekehrt. Hier ist dringend ein viel intensiverer Austausch und ein intelligentes Verknüpfen der thermischen Netze angeraten.“ Was vor dem Hintergrund von künftig immer kostspieliger werdenden CO2-Zertifikaten im Übrigen nicht zuletzt im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu sehen ist.
Fazit
Ein deutliches Mehr an Energieeffizienz in Industrieunternehmen ist nur über die Datentransparenz zu erreichen,
- wo in dem Unternehmen welche energetischen Lasten anliegen,
- wie sich diese Lasten in einem definierten Zeitraum im Betriebszyklus entwickeln und
- wie im Rahmen einer umfassenden Betriebsstrategie energetische Überschüsse entsprechend umgeleitet bzw. gespeichert werden können, um einen möglichst hohen Effizienzgrad sicherzustellen.
Diese Daten möglichst lückenlos zu erfassen, zusammenzuführen, über die gesamte industrielle Wertschöpfungskette hinweg intelligent auszuwerten und dann in ein aktives/ reaktives energetisches Modell umzusetzen, das sich permanent selbst optimiert, dürfte angesichts der steigenden Energiekosten zu einer der wesentlichen Managementaufgaben der Zukunft werden.
Die Basis dafür lässt sich aber bereits heute mit jeder (Teil-)Erneuerung eines jeden hydraulischen Systems legen, wenn über vernetzte Wärmemengenzähler die energetischen Leistungen bzw. die Energiebedarfe konsequent am Ort ihres Entstehens oder ihres Verbrauchs abgegriffen und in ein möglichst lückenloses Monitoring überführt werden. Aus diesem Ansatz heraus ergeben sich dann wiederum realistische Prognosemodelle und letztlich Regelkreise für eine kontinuierliche Prozessoptimierung mit dem Ziel einer sich permanent verbessernden Energieeffizienz.
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