Außen grün und innen – grau. Der Begriff „Greenwashing“ meint das. Er umfasst PR-Aktivitäten im Bereich des Klima- und Ressourcenschutzes, die „Grau“ für „Grün“ verkaufen. Ziel ist, ohne hinreichende Grundlage dem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein verantwortungsbewusstes und dem Produkt ein umweltfreundliches Image zu verleihen. Die EU schiebt dem jetzt mit der EU-Taxonomie einen Riegel vor. Die erste Stufe greift bereits 2022.
Schluss mit „Greenwashing“
Nach EU-Taxonomie ist nicht jede Wärmepumpe nachhaltig
Dienstag, 11.01.2022
Anleger, die in zukunftsfähige Technologien auf Basis von deren Nachhaltigkeit investieren wollen, müssen sich bis dato überwiegend an den Flyern und Veröffentlichungen der Anbieter orientieren. Es mangelte an einer genormten Definition für die nachgefragte Eigenschaft „nachhaltig“. Die war und ist noch schwammig. Mit „Greenwashing“ rückten und rücken deshalb einige Interessensvertreter ihre Angebote zumindest in die Nähe der Umweltfreundlichkeit.
Als typisches Beispiel dafür kann der Verkauf von Erdgas und erdgasverbrauchenden Erzeugnissen gelten. Deren Nachhaltigkeit reklamiert die Erdgaswirtschaft mit dem geringeren Schadstoffanteil im Abgas im Vergleich mit dem Wettbewerbs-Brennstoff Heizöl. Spezifisch stößt eine Gasheizung pro Kilowattstunde rund 200 Gramm Kohlendioxid aus. Damit quellen bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr, typisch für ein älteres Einfamilienhaus, jährlich rund vier Tonnen CO2 aus dem Schornstein. Zwar kommt ein Ölkessel in diesem Beispiel auf mindestens fünf Tonnen CO2, doch trägt die Erdgasheizung mit der gerade mal eine Tonne weniger Kohlendioxid genauso zur befürchteten Klimakatastrophe bei wie die Ölfeuerung. Nur verschiebt sich das Gau-Datum um ein paar Jahre nach hinten.
Von Rumänien bis Schweden
Die Verordnung (EU) 2020/852 legt nun ein einheitliches Rahmenwerk für die Definition von „nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten“ in der Europäischen Union von Rumänien bis Schweden fest. Dies erleichtert Investoren ihre Anlageentscheidungen in nachhaltige Unternehmen und Technologien. So müssen Anbieter von grünen Wertpapieren, beispielsweise Fonds und Banken, nachweisen, inwiefern die investierten Finanzmittel an Unternehmen fließen, die im Einklang mit der EU-Taxonomie wirtschaften. Zusätzlicher Bestandteil dieses Regelwerks sind Offenlegungspflichten für Unternehmen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Die Taxonomie bemisst die Umweltverträglichkeit von Produkten und Tätigkeiten an folgenden sechs Umweltzielen:
▪ Klimaschutz,
▪ Anpassung an den Klimawandel,
▪ nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen,
▪ Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling,
▪ Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,
▪ Schutz gesunder Ökosysteme.
Tabellarisch listet der Taxonomie-Kompass Sektoren auf, beispielsweise „Energieversorgung“ oder „Baugewerbe“, und benennt Tätigkeiten innerhalb dieser Wirtschaftssektoren: Im Bereich Energieversorgung unter anderem „Installation und Betrieb von elektrischen Wärmepumpen“. An diesen Unterpunkt hängt sie Informationen und Grenzwerte zu jedem der sechs Umweltziele an, die die Tätigkeit berühren.
Eine Nuss zu knacken
Und damit haben beispielsweise die Wärmepumpenhersteller gleich eine Nuss zu knacken. Denn einen Beitrag zu Ziel Nummer 1 „Klimaschutz“ leisten nach den Festlegungen der EU-Kommission Wärmepumpen nur, wenn sie als „wesentliches Beitragskriterium“ ein Kältemittel verwenden, dessen GWP den Wert 675 nicht überschreitet. Der genaue Wortlaut:
„Die ‚Installation und der Betrieb von elektrischen Wärmepumpen‘ erfüllten die beiden folgenden Kriterien:
– Kältemittelschwelle: Treibhauspotenzial überschreitet nicht 675;
– Anforderungen an die Energieeffizienz in den Durchführungsverordnungen gemäß der Richtlinie 2009/125/EG sind erfüllt.“
Das heißt, Wärmepumpen mit den verbreiteten Kältemitteln R134a oder R410A mit einem GWP von 1.430 beziehungsweise 2.088 gelten demnach ab Januar 2022, mit Inkrafttreten der Taxonomie-Verordnung, als nicht nachhaltig nach EU-Definition. Abgesehen von den natürlichen Fluiden halten den Grenzwert von 675 von den verbreiteten synthetischen Kältemitteln R1234yf und gerade noch R32 ein. Vermutlich hat sich die Kommission an R32 orientiert. Folgen kann das für die nationale Förderpolitik haben. Das bezweckt ja gerade die EU mit der Verordnung, nämlich „Grün“ von „Grau“ ohne Überschneidungen und Weichmacher voneinander zu trennen. Die Wärmepumpenanbieter hatten sich bis dato an die F-Gase-Verordnung gehalten. Die gibt sich moderat beziehungsweise belegt nur Kälte- und Klimaanlagen mit Kältemittelverboten. Wärmepumpen erwähnt sie nicht direkt. Nun konzentrieren sich trotzdem die Hersteller bei den Neuentwicklungen auf die beiden Punkte: Reduzierung von Kältemitteln und Verwendung von Kältemitteln mit niedrigem GWP. Eine Deadline ist ihnen bisher indes nicht gezogen.
So, und nun kommt ihnen die EU-Taxonomie dazwischen. Sie und die zugehörigen delegierten Rechtsakte sollen in zwei zeitlichen Stufen in Kraft treten, wie gesagt, die Formulierungen zu den beiden ersten Umweltzielen „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ schon am 1. Januar 2022. Das zur Nachhaltigkeit von Produkten. Wie definieren sich nachhaltige Unternehmen, „nachhaltiges Wirtschaften“, wie es die Taxonomie ausdrückt? Unter anderem am Umsatz mit nachhaltigen Produkten, ferner an den langfristigen Investitionsausgaben (Capex) eines Unternehmens – etwa in Maschinen zur Herstellung eines umweltfreundlichen Angebots, in E-Fahrzeuge statt Diesel oder Benzin –, an den laufenden Betriebsausgaben (Opex), also Ökostrom statt Strommix. Die Verordnung bemüht sich um eine Balance zwischen dem technisch Möglichen und dem wirtschaftlich Machbaren.
Der Umkehrschluss
Die Taxonomie-Kriterien erfassen bislang nur solche „grünen“ Aktivitäten, die eindeutig einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten (häufig als „dunkelgrüne Aktivitäten“ bezeichnet). Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass Aktivitäten, die nicht „ökologisch nachhaltig“ im Sinn der EU-Definition sind, weil sie zum Beispiel a.) die Taxonomie-Kriterien nicht erfüllen oder b.) bislang überhaupt keine Kriterien vorliegen, „nicht nachhaltig“ oder gar „nicht zukunftsfähig“ sind.
Beispiel Kraft-Wärme-Kopplung (KWK): Zunächst einmal muss man sich hier an eine erweiterte Begriffsbestimmung gewöhnen. KWK meint damit auch PVT-Kollektoren zur Gewinnung von Solarstrom (PV) und Solarwärme (Solarthermie/Thermie = T). Diese Systeme arbeiten nachhaltig.
Klassischen BHKW dagegen billigt die EU dieses Attribut nicht zu. Sie sagt, selbst mit Biogas betreibbare Blockheizkraftwerke erfüllen deshalb nicht die Vorgaben der Taxonomie, weil es einfach kein BHKW gibt, das nur Biogas und kein Erdgas verträgt. Biogas soll nun mal laut amtlicher Bestimmung exakt erdgasgleich sein, um den Wechsel von dem fossilen Energieträger auf den nachhaltigen Brennstoff ohne Eingriffe in die Wärmekraftmaschine zu ermöglichen. Mit der Konsequenz, dass KWK mit BHKW durch das „Taxonomie-Sieb“ fällt, da die Aggregate erdgasfähig sind und vom Hersteller nicht gewährleistet werden kann, dass sie ausschließlich ein pflanzliches Bioprodukt oder ein anderes Synthesegas klimaneutral verfeuern. Jeder Betreiber könne, wenn er will, auf fossiles Erdgas umschwenken.
Förderung nicht ausgeschlossen
Selbstverständlich darf natürlich nachweisbar mit Biogas betriebene KWK weiterhin vom BAFA und der KfW gefördert werden. Die EU-Taxonomie will das in keiner Weise ausschließen. Sie will lediglich verhindern, dass Hersteller ihre Komponenten mit „CO2-neutral“ labeln, wenn es dem Nutzer überlassen bleibt, sich daran zu halten.
Was ist mit VW, Mercedes, Renault usw., mit Automobilherstellern, die sowohl Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren (fossil) als auch E-Mobile bauen? Die Unternehmen sind teilnachhaltig und die E-Mobile nachhaltig. Allerdings nachhaltig nur, wenn ihre Produktion das Kriterium „klimaneutral“ erfüllt, mithin die Arbeiter am Fließband nicht Mengen von Einzelelementen verschrauben, die diesem Anspruch nicht genügen beziehungsweise die nicht der EU-Taxonomie entsprechen. Die fossile Abteilung von etwa VW dagegen hebt die Nachhaltigkeit der VW-E-Mobile nicht auf.
Die Taxonomie deckt folgende Wirtschaftssektoren ab:
▪ Forstwirtschaft,
▪ Landwirtschaft,
▪ Herstellung von Waren/verarbeitendes Gewerbe,
▪ Energieversorgung,
▪ Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen,
▪ Verkehr und Lagerung,
▪ Information und Kommunikation,
▪ Baugewerbe.
Liste schädlicher Technologien in Erarbeitung
Diese Sektoren verantworten zusammen 93,5 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU. Noch nicht abgedeckt sind See- und Luftverkehr sowie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden. Und noch nicht gelistet sind jene Tätigkeiten, die erheblich die Umwelt schädigen. Die EU-Kommission ist jedoch mittels einer Überprüfungsklausel bis Ende 2021 aufgefordert, die Bedingungen einer Erweiterung der EU-Taxonomie auf diese Aktivitäten zu eruieren. Von den sechs Umweltzielen bedürfen fünf keiner weiteren Erläuterung. Was verbirgt sich indes hinter dem genannten Punkt 2 „Anpassung an den Klimawandel“? Nehmen wir Stromerzeugung durch Wasserkraft: Wenn es sich um CO2-arme Laufwasser-Kraftwerke unterhalb eines Stausees handelt (im Gegensatz zu Pumpspeicherwerken), gilt, dass Wasserkraftwerke durch Wetterextreme infolge des Klimawandels beeinträchtigt werden können und daraufhin eine Frühwarnanlage zu installieren ist (vgl. Flutkatastrophe Bad Neuenahr-Ahrweiler). Die damit verbundenen Aufwendungen tragen zum Ziel 2 bei und können entsprechend als „ökologisch nachhaltige“ Capex ausgewiesen werden.
Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!