Das "TrigenerationPLUS"-System soll die Kälteenergiequelle LNG kommerziell nutzbar machen. Wie das gelingt, zeigt ein Tiefkühlkost-Vertrieb in Sachsen.
Tri-Generation statt Co-Generation
Neues Kopplungskonzept für Wärme, Strom und Zweifach-Kälte
Montag, 07.01.2019
Progressive Energietechnik und intelligente Versorgungskonzepte finden in Industrie und Gewerbe ein breites potentielles Einsatzfeld. Nach umfangreichen Forschungsarbeiten geht in Mittelsachsen nun erstmalig eine weiterentwickelte Hocheffizienzanlage zur parallelen Erzeugung von Wärme, Strom und (Tieftemperatur-)Kälte in Betrieb. Der Verbund von Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungs-Technologie (KWKK) und LNG-Kälterecycling zeigt bislang ungenutzte Chancen für eine umweltentlastende und ökonomisch solide Energieproduktion auf.
Die Niederlassung eines etablierten Tiefkühlkost-Vertriebs im sächsischen Döbeln zählt damit zu den aktuellen Innovationsstandorten im Bereich dezentrale Energieversorgung. Das Unternehmen ist der erste gewerbliche Abnehmer eines neu konzeptionierten Energieversorgungsystems, das die Effektivität des Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungs-Prinzips (KWKK) und das besondere thermische Potential von Flüssigerdgas (LNG – Liquefied Natural Gas) in einem hocheffizienten Anlagenbetrieb zusammenführt.
Entwickelt wurde das sogenannte "TrigenerationPLUS"-System mit dem Ziel, die künstliche Kälteerzeugung ökologisch wie wirtschaftlich neu auszurichten und dafür die bis dahin unerschlossene Kälteenergiequelle LNG kommerziell nutzbar zu machen. In Zusammenarbeit mit Experten aus Wissenschaft und Industrie entwarf der Kältetechnik-Spezialist Eco ice Kälte GmbH das technologische Konzept, das auf Grundlage speziell gefertigter Systemkomponenten und einer intelligenten Regelungstechnik von Yados umgesetzt wurde. Bereits auf dem Prüfstand einer Prototyp-Anlage in Borna bestätigten sich Leistungsfähigkeit und Effizienzgrad des zweigliedrigen Technologie-Verbunds, der einen deutlich optimierten Primärenergieverbrauch und signifikant gesenkte CO2-Emissionswerte aufwies.
Ob für die Raumklimatisierung, Lager- oder Prozesskühlung: Die Bereitstellung von Kälte zählt zu den teuersten und zugleich umweltbelastenden energetischen Verfahren in Industrie, Gewerbe und im Privatsektor. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz von Flüssigerdgas zur Kältegewinnung in doppelter Weise effektiv, da das komprimierte und auf -162 °C abgekühlte LNG bei seiner Regasifizierung ein extrem hohes Kältepotential ganz nebenbei als thermisches Abfallprodukt freisetzt. Dieser Prozess erfolgt vollständig ohne Ausstoß von Kohlendioxid und benötigt keine zusätzliche Antriebsenergie.
Eine Technologie "state of the art"
Anwendungsbereiche, in welchen Erdgas als Primärbrennstoff genutzt werden kann und wo gleichzeitig ein Bedarf an Kälte vorliegt, bringen besonders günstige Voraussetzungen für eine LNG-basierte Versorgungslösung mit. Dabei eröffnen sich dem derzeit schnell wachsenden LNG-Markt aussichtsreiche Absatzfelder insbesondere in infrastrukturschwachen Gebieten mit fehlender Gasnetzanbindung. Speicherung, Umwandlung und Verteilung von Flüssigerdgas können hier – wie im Fall des mittelsächsischen Tiefkühlkost-Vertriebs – mittels einer Satellitenanlage direkt am Abnahmeort durchgeführt werden.
Der dafür in Döbeln verbaute Außentank besteht aus einem 60 m³ fassenden LNG-Isolierspeicher, in dem das Flüssigerdgas bei einer Temperatur von -149 °C mit 2,5 bar Kompressionsdruck lagert und sich im weiteren Verfahren durch Rückumwandlung in den gasförmigen Aggregatzustand nutzbar machen lässt. Dieser Vorgang erfolgt unter Einsatz einer hochentwickelten energietechnischen Komponente: einem patentierten Wärmeübertrager mit Verdampfer, der das tiefkalte LNG durch Wärmezufuhr rückvergast und die dabei freigesetzte Kälte an ein Überträgermedium abgibt.
Auf diese Weise können Temperaturen von -45 °C gezielt in die energetische Infrastruktur des Standortes eingespeist und dort an die gewählten Abnahmepunkte, etwa das Tiefkühlhaus, geleitet werden. Der Prozess des Kältetransports wiederholt sich im Zirkulationsprinzip: Das Übertragerfluid gelangt über den Rücklauf erneut in den Wärmeübertrager, um wiederum Kälte aus dem Regasifizierungsprozess aufzunehmen bzw. Wärme abzugeben.
Prozesswärme effektiv nutzen
Anders als in bisher gängigen LNG-Anwendungen erfolgt die Regasifizierung im "TrigenerationPLUS"-System nicht allein mit dem Ziel, Kraftstoff für zumeist konventionelle Verbrennungsverfahren zu gewinnen. Durch den funktionalen Zusammenschluss mit einer leistungsoptimierten KWKK-Anlage kann vielmehr das Effizienzpotential des Primärenergieträgers Erdgas maximal ausgeschöpft werden: durch vierfache Nutzung zur Produktion von Wärme, Kälte und Strom sowie zur Kälterückgewinnung aus LNG.
Das duale Energieerzeugungskonzept wird baulich in zwei zentralen technologischen Einheiten realisiert. Die LNG-Kälterecyclinganlage arbeitet im Verbund mit einer KWKK-Energiezentrale, die als Redundanzsystem in doppelter nahezu identischer Ausführung von Eco ice geplant und von Yados gefertigt wurde. Die funktionale Kernkomponente der Zentrale bildet ein 50-kWel-Blockheizkraftwerk (BHKW), das zur Produktion von elektrischem Strom regasifiziertes LNG verbrennt und dabei eine Abwärmeleistung von 81 kW produziert.
Diese Prozesswärme dient in einem weiteren Schritt als Antriebsenergie für eine Absorptionskältemaschine (AKM), die auf Basis eines Ammoniak-Wasser-Kältemittels vollständig chemikalienfrei arbeitet. Mit einem Treibhaus- und Ozonabbaupotential von jeweils null (sprich: 0 GWP bzw. 0 ODP) stellt das Funktionsprinzip einer solchen Diffusions-AKM nicht nur eine wirtschaftlich, sondern auch ökologisch wirksame Alternative zur nach wie vor dominierenden, kostenintensiven Kompressionstechnik dar. Der Tiefkühlkost-Vertrieb kann den Einsatz von Kompressionskälte dadurch auf besondere Bedarfsfälle begrenzen, etwa zur Spitzlastabdeckung oder zur Ausfallsicherung. Der hierfür benötigte Strom wird dabei durch das BHKW bereitgestellt.
Temperaturen, die weit unter -6 °C liegen, generiert die Verbundanlage durch Zuschaltung einer Tiefkühlkaskade mit einem speziellen CO2-Kälteverdichter: Ihr thermischer Output liegt bei 20,4 kW und sichert ein konstantes Frostniveau zwischen -28 und -31 °C.
Der Effizienzgrad des KWKK-Prozesses lässt sich durch Nutzung eines weiteren thermischen Abfallprodukts – der AKM-Abwärme – zusätzlich erhöhen. In der Energiezentrale wird die Außenluft für den BHKW-Betrieb durch diese Abwärme vortemperiert. Auf diese Weise können insbesondere bei niedrigen Außentemperaturen im Winter energetisch wertvolle Einsparungen erzielt werden. Darüber hinaus ist die Abwärme zwischen 20 und 30 °C sinnvoll für Abtaumaßnahmen oder auch zur Lagerbeheizung (hier: Trockenlager) einsetzbar.
Neue Perspektiven für ein breites Anwendungsfeld
Mit "TrigenerationPLUS" verfügt der Tiefkühlkost-Vertriebsstandort aktuell über eine der fortschrittlichsten Lösungen für die kombinierte dezentrale Kälteerzeugung. Die erfolgreiche Umsetzung und Inbetriebnahme des Gesamtsystems besitzt eine Leuchtturmfunktion für Betriebe unterschiedlichster Branchenzugehörigkeit: Lebensmittelindustrie (Bäckereien, Fleischereien) und Landwirtschaft (Milchproduktion und -kühlung), Gastronomie und Hotelgewerbe, Kunststoffindustrie, Chemieunternehmen und viele weitere sind prädestinierte Einsatzfelder für ein netzunabhängiges LNG-KWKK-System.
Durch den energetisch neu aufgestellten Betrieb seines Tiefkühlhauses kann das Döbelner Unternehmen seinen Input von fossiler Primärenergie drastisch senken und erzielt eine Reduktion von rund 300 t Kohlendioxid im Jahr. 46 kg eingespartes CO2 pro Kubikmeter LNG entfallen dabei allein auf das LNG-Kälterecycling. Mit einer deutlich optimierten Wirtschaftlichkeits- und Ökobilanz zeigt das gewerbliche Pionierprojekt also neue Wege in die nachhaltige und kosteneffiziente Energieversorgung auf – mit der Perspektive, sich in den kommenden Jahren als ein zentraler technologischer Hebel für den Klimaschutz zu etablieren.
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