Installation

Wie die richtige Fußbodenheizung zur Wertsteigerung beiträgt

Objekt-Report-Special - Folge 8

Montag, 02.03.2015

Durch die Nachhaltigkeits-Zertifizierung eines Gebäudes erhält der Wohnungskäufer erstmals vergleichbare Anhaltswerte über die tatsäch­liche Qualität und den Wert seiner Immobilie. Er erfährt auch, wie sich die Nutzungskosten und der Wiederverkaufswert der Wohnung über die Zeit entwickeln könnten. Die Heizungsanlage spielt im Komplex Nachhaltigkeits-Beurteilung eine wichtige Rolle.

Modell des Milaneo in Stuttgart.
Quelle: Aldinger Wolf
Nachhaltiges Bauen am Beispiel des Milaneo in Stuttgart.

Bisher war der Fokus hauptsächlich auf die Energieerzeugung und die Energieeffizienz gerichtet. Diese Größen sind aber gebäudeabhängig, daher sind gesicherte Aussagen dazu über den gesamten Lebenszyklus nicht möglich. Die Energie­kosten schwanken derzeit extrem. Die technische Entwicklung, insbesondere auf dem Gebiet der Wärme­­er­zeugung, schreitet sehr rasant fort. Energieeffizienz ist nicht alles – Qualität und wartungsarme Anlagenteile sind gefragt.

Das Milaneo – ein neues Stadtquartier in Stuttgart – demonstriert, wie heute nachhaltig gebaut wird. "Der Entwurf von RKW Rhode Kellermann Wawrowsky Architektur + Städtebau Düsseldorf bietet eine sensible und zugleich prägnante Lösung für die Entwicklung eines modernen und nachhaltigen Stadtquartiers. Zusammen mit unseren Partnern ECE und Strabag bilden wir eine Kooperation, um ein Stück Stuttgart zu entwickeln und ein lebendiges Quartier zu schaffen, das die Bereiche Wohnen, Arbeiten und Leben dynamisch miteinander verbindet", beschreibt Dr. Jürgen Büllesbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bayerischen Hausbau, das Projekt.

Auf dem Dach des dreigeschossigen Einkaufszentrums mit 43.000 m² entstehen 415 Wohnungen, ein Hotel mit 165 Zimmern und Büroflächen von 7.400 m² auf vier weiteren Etagen. Ein gigantisches Projekt.

Computermodell des Milaneo.
Quelle: formtool
Das Milaneo soll ein lebendiges Quartier sein, in dem Wohnen, Arbeiten und Leben möglich ist.

Es verwundert nicht, dass der Nachhaltigkeitsgedanke bei der Realisierung des Projektes mit an vorderster Stelle stand. Das gesamte Milaneo ist als Pilotprojekt für Quartiers-Zertifizierungen von der Deutschen Gesellschaft für Nachhal­tiges Bauen – DGNB e.V. mit einem "Gold"-Vorzertifikat ausgezeichnet worden. Die Bayerische Hausbau ist dafür bekannt, dass die Nachhaltigkeitskriterien in allen ihren Bauvorhaben schon seit einigen Jahren berücksichtigt und umgesetzt werden, unabhängig von einer offiziellen Zertifizierung.

Was ist nachhaltiges Bauen?

Ein nachhaltiges Gebäude zeichnet sich durch hohe ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle Qualität aus. Diese drei Hauptsäulen der Nachhaltigkeit werden über die gesamte Lebensdauer, dem "Lebenszyklus" des Gebäudes (z.B. 30 Jahre), betrachtet. In die Beurteilung, die "Gebäudezertifizierung", werden alle Phasen des Lebenszyklus – Planung, Errichtung, Nutzung und Betrieb sowie Abbruch oder Rückbau – mit einbezogen.

Die ökologische Qualität beinhaltet Ressourcenschonung, Umweltschutz und Reduzierung des Gesamtenergiebedarfs des Gebäudes: Diese Säule der Nachhaltigkeit ist unterteilt in Flächen­inanspruchnahme, Bauweise, Baustoffe, Dämmung und Wärmeschutz, Energieträger, Anlagentechnik, Wassertechnik und -nutzung, Abfallaufkommen und Entsorgung. So paradox es klingt, es gibt Geräte und Anlagenteile, für deren Herstellung mehr Energie verbraucht wird, als nachher damit eingespart werden kann.

Die ökonomische Qualität: Die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes wird in allen Phasen des Lebenszyklus öko­nomisch bewertet. Im Gegensatz zu der konventionellen Planungs- und Bauweise werden nicht nur Anschaffungs- und Baukosten, sondern auch die zu erwartenden Gesamtkosten für den gesamten Lebenszyklus analysiert. Das sind Betriebskosten für Heizwärme, Warmwasser, Strom, Lüftung, Wasser und Abwasser und gebäudespezifische Kosten wie Instandhaltung, Reinigung und Pflege. Auch die Aufwendungen für Rückbau sind hier enthalten.

Die ökologischen und ökonomischen Faktoren stehen immer in Wechselwirkung. So können beim Bau teurere Systeme beispielsweise die späteren Betriebskosten reduzieren. In der Praxis kommt es vor, dass die Erstellung der Heizungsanlage durch "Fabrikatsfreigabe" einige Euro billiger wird, diese gesparten Anschaffungskosten können aber später im Laufe des Lebenszyklus ein Vielfaches an Mehrkosten generieren. Wenn man in diesem Zusammenhang – aus der Perspektive der Nachhaltigkeit – Produkte oder Systeme auf ihre Gleichwertigkeit untersucht, wird man die Unterschiede deutlich erkennen.

Die sozio-kulturelle Qualität: Hier kann die Haustechnik insbesondere die Gesundheit, Lebensqualität und Behaglichkeit beeinflussen.

Für den Eigentümer oder Investor behalten nachhaltig gebaute Gebäude langfristig einen hohen Wert, weil sie wirtschaftlich effizient, umweltfreundlich und gesund für die Nutzer sind und sich gut in das sozio-kulturelle Umfeld einfügen.

Nach einer Schätzung der DGNB entfallen bei einem Lebenszyklus von 30 Jahren nur etwa 1/4 bis 1/3 der Gesamtkosten auf die Errichtung des Gebäudes, der größere Teil auf die "Bewirtschaftung", also Folgekosten. Nachhaltig errichtete Wohngebäude tragen diesem Umstand Rechnung und reduzieren durch die richtige Wahl der Baustoffe und Systeme die Folgekosten.

Um die Nachhaltigkeit eines Gebäudes zu dokumentieren, kann im Auftrag des Bauträgers ein Nachhaltigkeitsreport mit Zertifizierung durchgeführt werden. Mit einem Gütesiegel kann die Qualität der Nachhaltigkeit dokumentiert werden.

Die Versorgung des Quartiers

Caverion Deutschland stattet das Milaneo mit Gebäudetechnik aus. Die Wärmeerzeugung erfolgt im ­Milaneo über Fernwärme, daher macht es Sinn, die Brauchwarmwasserbereitung über Wohnungs­stationen zu bewerkstelligen. Das Versorgungsnetz des "Zwei-Leiter-Systems" aus der Zentrale in die Wohnungen besteht neben Frischwasser nur aus Heizungsvorlauf und -rücklauf. Brauchwarmwasser und Zirkula­tion entfallen. Hinsichtlich Energieeinsparung, Komfort und Hygiene ergeben sich folgende Vorteile gegenüber konventionellen Systemen:

  • Reduzierung der Verteil­verluste zwischen Zentrale und Wohnungen.
  • Keine Speicherverluste.
  • Keine Zirkulationsverluste.
  • Keine Zusatzenergie für Zirkulationspumpe.Unbedenkliche Wasser­hygiene und Schutz gegen Verbrühung und Verkalkung.
  • Höherer Heizkomfort, z.B. in Bädern außerhalb der Heizperiode.
  • Verbrauchsgenaue Abrechnung der Kosten für Energie und Wasser. Zähler in Küche und Bad entfallen.
  • Fast alle Regelgeräte in der Wohnungsstation arbeiten ohne Hilfsenergie.

In der Wohnung gilt die Fußbodenheizung als Niedertemperaturheizung derzeit als wirtschaftlichstes Wärmeverteilsystem, das auch später über den ganzen Lebenszyklus des Gebäudes mit allen zukünftigen Wärmeerzeugern kompatibel sein wird.

FußbodenheizungFußbodenheizung

Der verantwortliche Fachplaner und Berater des Bauherrn hat durch die Wahl des nachfolgend dargestellten Fußbodenheizungssystems die volle Nachhaltigkeit ausgeschöpft. Zwei Parameter unterscheiden das hier gewählte "Unidis"-System von Oventrop von der konventionellen Fußbodenheizung:

Bei der gewählten Bodenkonstruktion des Fußbodenheizungssystems sind außerdem folgende Vorgaben berücksichtigt worden:

  • Erhöhter Trittschallschutz, Rohre auf dem Rohfuß­boden in schalldämmenden Kompakt-Dämmhülsen verlegt und mit schallentkoppelnden Systembefestigungen verankert (erhöht die Lebensqualität – sozio-kulturelle Qualität).

  • Die Vorlaufleitungen von der Wohnungsstation zu den Raumthermostaten sind ebenfalls in Kompakt-Dämmhülsen verlegt. Das verhindert die unkontrollierte Wärmeabgabe im Wohnungsflur (spart Energie – ökonomische Qualität).

Die gesetzlich vorgeschrie­bene Raumtemperaturregelung für die Fußbodenheizung, hier die "Unibox EBV", verfügt über einen patentierten Bypass.

Bei der Entwicklung der dezentralen Verteilung wurde primär auf die seit Jahren bekannten Probleme und Reklamationen im Wohnungsflur reagiert: Bei der alten, zentralen Verteilung liegen die Zuleitungen vom Verteiler zu den Heizkreisen der Räume im Estrich.

Schema einer Fußbodenheizung mit zentrale Verteilung mit Wohnungsstation.
Quelle: Oventrop
Traditionelle Fußbodenheizung – zentrale Verteilung mit Wohnungsstation.

Die daraus resultierenden Probleme im Wohnungsflur, wie z.B. nicht regelbare, unkontrollierte Wärmeabgabe, überheizter Wohnungsflur, Parkettschäden, sind bekannt.

Die dezentrale Verteilung kann jedoch mehr:

Schema einer Fußbodenheizung mit dezentrale Verteilung mit Wohnungsstation.
Quelle: Oventrop
Intelligente Fußbodenheizung mit Oventrop-"Unibox EBV" mit Rücklaufsammler – dezentrale Verteilung mit Wohnungsstation.

Die gesetzlich geforderte Raumtemperaturregelung vereint Raumfühler und Regler in einer Armatur. Deshalb entfallen – anders als bei der zentralen Verteilung – der elektrische Antrieb und die Verbindung zwischen Raumfühler und Stellantrieb durch Elektrokabel oder Funk.

Die Vorteile der dezentralen Verteilung aus der Perspektive der Nachhaltigkeit sind:

  • Kein Energieverlust durch unkontrollierte Wärmeabgabe der Zuleitungen vom Verteiler zum Raum (ökonomische Qualität).
  • Kein Komfortverlust durch Aufheizen des Flures durch unkontrollierte Wärmeabgabe (sozio-kulturelle Qualität).
  • Komfortverbesserung durch eigenen, regelbaren Heiz-/Temperierkreis im Flur (sozio-kulturelle Qualität).

Die Vorteile des Raumtemperatur-Reglers aus der Perspektive der Nachhaltigkeit sind:

  • Keine Zusatzenergie für die Regelung (ökonomische Qualität).
  • Keine elektrischen Stellantriebe, Regelungen und Installationen (Ressourcen).
  • Keine elektromagnetischen Wellen/Elektrosmog (Gesundheit, Komfort – sozio-kulturelle Qualität).
  • Stetigregler statt Auf/Zu-Regler (Komfort – sozio-kulturelle Qualität).
  • Wartungsfrei, kein periodischer Ersatz oder Wartung der Stellantriebe (ökonomische und ökologische Qualität).
  • Einfache Bedienbarkeit (sozio-kulturelle Qualität).

Ein Raumtemperatur-Regler.
Quelle: Oventrop
Der Raumtemperatur-Regler (im Bild: "Unibox EBV") arbeitet ohne elektrische Hilfsenergie.

Die Vorteile des Bypasses im Raumtemperatur-Regler aus der Perspektive der Nachhaltigkeit sind: 

  • Energieeinsparung durch niedrigere Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung (ökonomische Qualität).
  • Niedrigere Oberflächentemperatur für Gesundheit, Lebensqualität (sozio-kulturelle Qualität).
  • Komfortverbesserung durch geringere Temperaturwelligkeit (sozio-kulturelle Qualität).
  • Um etwa 60 Prozent schnellere Aufheizzeit nach Absenkphase (sozio-kulturelle Qualität).
  • Materialeinsparung durch Rohr­abstände >20 cm (Ressourcen – ökologische Qualität).
  • Energieeinsparung und Komfort­verbesserung durch Verringerung des Überdimensionierens durch größere Rohrabstände (ökonomische und sozio-kulturelle Qualität).

In anderen Bewertungssystemen für den nachhaltigen Wohnungsbau sind ­zusätzlich zu den drei Säulen der Nach­haltigkeit auch "Technische Qualität" und "Prozess­qualität" ausgewiesen. Zur "Prozessqualität" gehören einige wichtige Punkte, die oft vernachlässigt werden:

  • Objekt- und Produktdokumentation: Bestandsunterlagen sind oft mangelhaft, aber für spätere Um- oder Nachrüstungen absolut notwendig.
  • Inbetriebnahme und Einregulierung: Eine sorgfältige Einregulierung und die Dokumentation der Vorein­stellwerte gehört zwingend in die Bestandsunterlagen.
  • Einweisung/Bereitstellung von Informationen für den Nutzer: Mangelnde Information führt zu Reklamationen. So wird z.B. die Funktion der thermostatischen Einzelraumregelung bei Fußboden­heizung wegen fehlender Aufklärung häufig fehlinterpretiert. Die Fußbodenheizung ist eine träge Speicherheizung, die mit einer Zeitverzögerung von einigen Stunden auf das Schließen oder Öffnen des Raum­thermostaten reagiert. Ein kurzzeitiges Absenken der Raumtemperatur führt zu keiner nennenswerten Energie­einsparung, aber mit Sicherheit zu einem Komfortverlust wegen zu langer Aufheizzeit.

Kurioses Nutzerverhalten vergeudet Energie

Bei Untersuchungen wurde festgestellt, dass die elektrischen Raumthermostate fast immer auf 20 °C Soll-Raumtemperatur oder höher vom Nutzer eingestellt waren. Auf dem Handrad des hier eingebauten mechanischen Raumthermostaten "Unibox EBV" sind Merkziffern statt Temperaturen angegeben. Der Nutzer findet seine, für ihn angenehme Temperatur also bei unterschiedlichen Merkziffern. Die Wohlfühl-Temperaturen der mit der "Unibox" ausgerüsteten Räume lagen nach anschließender Messung – wie erwartet – bei Temperaturen zwischen 18 und 19 °C.

Der Raumtemperaturregler der Fußbodenheizung in einem Raum.
Quelle: Oventrop
Unauffällig und unaufdringlich integriert sich der Regler im Raum.

Es ist bekannt, dass die als angenehm empfundene Lufttemperatur bei Fuß­bodenheizung aufgrund hoher Temperaturen der Raum-Umschließungsflächen bei 18 bis 19 °C und nicht bei 20 °C liegt. Die Werbung verspricht eine Energieeinsparung von sechs Prozent pro Grad abgesenkter Raumtemperatur. Das bedeutet, dass die Merkziffern zu einer zusätzlichen Energieeinsparung von sechs bis zwölf Prozent führen können.

Von Peter Gabanyi
Dipl.-Ing. (FH) Energie- und Versorgungstechnik
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