Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation: Die Zeiten sind so unsicher wie lange nicht mehr. Und der Blick in die Zukunft stimmt nicht unbedingt optimistisch. Die nächsten Monate könnten ungemütlich werden, insbesondere in puncto Energieversorgung – stimmen uns die Politiker bereits mit eindringlichen Warnungen und Befürchtungen auf den Ernst der Lage ein. In dieser Gemengelage erlebt ein im Prinzip schon totgesagter Energieträger eine Renaissance: das Heizöl. Im HeizungsJournal-Interview schildert Wolfgang Dehoust, Leiter der Fachabteilung Tanksysteme beim Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH), seine Eindrücke vom aktuellen und künftigen Marktgeschehen.
Comeback der Ölheizung?
Interview mit Wolfgang Dehoust, Leiter der BDH-Fachabteilung Tanksysteme
Freitag, 17.02.2023
Herr Dehoust, der BDH hat in seiner jüngsten Bilanz zum deutschen Wärmemarkt für die Monate Januar bis September 2022 festgestellt, dass der Absatz im Bereich Öl-Wärmeerzeuger um 15 Prozent zugelegt hat – so seien 40.000 Öl-Heizgeräte verkauft worden. Bei den Tanksystemen verbuchte der BDH im gleichen Zeitraum ebenfalls ein Plus von 15 Prozent (26.500 Stück). Erleben wir gerade eine Renaissance der Ölheizung?
Die aktuelle geopolitische Krisensituation hat alle bis vor kurzem geltenden energiepolitischen Parameter auf den Kopf gestellt. So steht plötzlich auch wieder die Ölheizung als wirksame Brückentechnologie im Fokus. Und wenn man die heute schon mögliche Beimischung von regenerativen Brennstoffen mit im Blick hat, dann würde ich die Ölheizung sogar als eine ökologisch wie ökonomisch attraktive Alternative für die nächsten Jahrzehnte bezeichnen. Darüber hinaus ist eine moderne Ölheizung mit Brennwerttechnologie voll kompatibel mit regenerativen Energiequellen wie Solar und Wärmepumpe.
Immer mal wieder ist ja von einem drohenden „Verbot der Ölheizung“ die Rede …
Es gibt weder im Moment noch perspektivisch ein Verbot der Ölheizung im Bestand oder bei Neuanlagen. Diskutiert wird allenfalls eine Begrenzung der Nutzungszeit einer Ölheizung auf 20 Jahre und die Kombination mit erneuerbaren Energien. Bis jetzt liegt diese bei 30 Jahren. Bei Bestandsanlagen müsste eine Umstellung auf die ressourcenschonende Brennstofftechnologie erfolgen. Ebenso sollte eine Überprüfung der Tankanlage erfolgen, ob diese noch geltenden Qualitätsanforderungen entspricht. Moderne doppelwandige, platzsparende Heizöltanks sind oft die optimale Lösung und vom Fachmann schnell montiert.
Grundsätzlich unterstützen wir als BDH-Fachabteilung Tanksysteme ganz klar die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung und damit auch die Zielsetzung, als Bundesrepublik Deutschland in naher Zukunft klimaneutral zu werden. Hierzu gehört auch die Forderung der Koalition, 65 Prozent regenerative Energie bei der Neuanschaffung von Heizsystemen einzubinden. Das eröffnet aber auch wieder neue Spielräume für die Öl-Brennwertheizung, da sich diese aufgrund ihrer problemlosen Kompatibilität mit anderen regenerativen Energiequellen hervorragend als bivalentes bzw. hybrides Heizsystem eignet. Die Ölheizung bleibt also ein aktiver Begleiter Deutschlands auf dem Weg zu 0 CO2-Emissionen.
Bekanntlich boomt der Markt für elektrische Heizungswärmepumpen – fast 160.000 Stück wurden, nach aktuellen BDH-Angaben, in den Monaten Januar bis September 2022 in Deutschland verkauft. Sind aus Ihrer Sicht hybride Heizsysteme nach dem Motto: Öl-Brennwert plus Wärmepumpe, tatsächlich eine praktikable Lösung?
Bei einer Kombination mit der Ölheizung muss die Wärmepumpe nicht auf eine Spitzenlast ausgelegt werden, sondern bei sehr niedrigen Außentemperaturen kann dann auf die Ölheizung als Backup zurückgegriffen werden. Die Wärmepumpe ist also nur auf die Abdeckung der Normallast ausgerichtet und arbeitet dabei im effizienten Bereich. Im Hinblick auf Versorgungssicherheit eine optimale Kombination, da Heizöl – sei es in fossiler oder synthetischer Form als E-Fuels – die größte Energiedichte im Speicher hat. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bei der viel diskutierten Dunkelflaute im Strommarkt die Wärmepumpe abzuschalten, wenn nicht genügend elektrische Energie vorhanden ist. Auf der Fachmesse SHK Essen wurde eine derartige Gerätekombination von führenden Kesselherstellern bereits als brandneue Produktentwicklung vorgestellt.
Man liest aktuell über Industrieunternehmen, die in der Energieversorgung – sei es in der Produktion oder bei der Gebäudebeheizung – von Erdgas auf Heizöl umsteigen. Das müsste doch auch von der Politik wahrgenommen werden, die Heizöl ja lieber heute denn morgen als Energiequelle streichen würde …
Ich hoffe natürlich, dass das so wahrgenommen wird. Denn die zunehmende Rückkehr zum Heizöl in der Industrie basiert ja auf dem Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen. Gerade Industrieunternehmen, respektive das produzierende Gewerbe, müssen ja dafür sorgen, dass ihre Produktion gesichert ist und nicht durch ein kurzfristiges Abschalten der leitungsgebundenen Energie zum Stillstand kommt. Deshalb wird nun bei vielen Unternehmen Heizöl als zusätzliche zweite Quelle der Energieversorgung eingesetzt.
Die in letzter Zeit spürbar gestiegene Nachfrage am Markt nach groß dimensionierten Tankbehältern belegt diese Entwicklung. Das Verhalten der Industrie ist auf jeden Fall ein weiterer Beleg für die Zukunftsfähigkeit des Heizöls als effiziente Form der Energieversorgung, was von der Politik nun hoffentlich auch mal entsprechend gewürdigt wird.
Als ein Energieträger der Zukunft werden die so genannten E-Fuels bezeichnet – das Stichwort fiel eben schon einmal. Sind die synthetischen Kraft- und Brennstoffe für Sie inzwischen ein realistisches Projekt geworden, mit dem ein effizienter Beitrag zur Klimawende erzielt werden kann?
Wir haben uns alle auf 0 Emissionen bis 2040 oder 2050 verpflichtet. Bis dahin werden sicherlich noch einige technologische Weiterentwicklungen sowohl bei gasförmigen als auch bei flüssigen, synthetischen Brennstoffen stattfinden. Wobei eine breite private Nutzung von klimaneutralen Brennstoffen wohl eher in Richtung Flüssigbrennstoffe geht, da die Speicherung von grünen Gasen, beispielsweise in Form von Wasserstoff, nach heutigen Gesichtspunkten im privaten Sektor nur sehr schwer zu realisieren sein dürfte.
Warum würden insbesondere Besitzer von Heizölanlagen von einem Markteintritt der E-Fuels profitieren?
Besitzer von Heizölanlagen haben den großen Vorteil, für den Betrieb und die Speicherung von Flüssig-brennstoffen bereits die komplette Infrastruktur im Keller stehen zu haben. Diese Verbraucher könnten also vollkommen problemlos auf E-Fuels umstellen und sind somit schon jetzt für die Zukunft gerüstet. Für Besitzer von Ölheizungen hat eigentlich schon jetzt die Zukunft begonnen, da sie heute schon die Möglichkeit haben, klassisches Heizöl, E-Fuels und Bio-Heizöl zu mischen und den Anteil an klimaneutraler Energie in den nächsten Jahren kontinuierlich hochzufahren bis zur CO2-Neutralität.
Welchen Zeithorizont für eine flächendeckende Wärmewende sehen Sie denn als realistisch an? Oder anders gefragt: Wie lange bleibt die Ölheizung als „Brückentechnologie“ relevant?
Die Ölheizung ist meiner Meinung nach vielmehr als eine attraktive Brückentechnologie, deren Nutzungszeit nach 20 Jahren – wenn die Ziele der Wärmewende erreicht worden sind – beendet ist. Wobei, nebenbei bemerkt, 20 Jahre eine längere Laufzeit bedeutet als die durchschnittliche Lebensdauer eines Verbrennungsmotors für ein Kraftfahrzeug. Wenn man die Verfügbarkeit von E-Fuels mit ins Kalkül zieht, dürfte die Öl-Brennwertheizung mit entsprechend modernen doppelwandigen Kunststofftanks in angepasster Größe auch über 2050 hinaus eine gewichtige Rolle in der Wärmeversorgung spielen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Unabhängigkeit, Versorgungssicherheit und Verfügbarkeit wohl die beherrschenden Themen in der Energieversorgung sind und wohl auch bleiben werden. Und bei diesen Leistungseigenschaften braucht die Ölheizung mit sicheren Vorratstanks wirklich keinen Vergleich mit anderen Formen der Energieversorgung zu scheuen.
Weitere Informationen unter: www.behaelterverband.de www.zukunftsheizen.de
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