Bedarfsheizung Teil 1: Analyse des Regel- und Wirkkreises "Fußbodenheizung".
Fußbodenheizung: Der Markt ist reif für Veränderung
Mittwoch, 05.08.2020
In den Jahren nach Corona werden die Mittel für den Klimaschutz so knapp, dass Förderungen vermutlich nur noch für nachweislich energieeffiziente Maßnahmen bereitgestellt werden können. Die Höhe der Zuschüsse wird dann im Wesentlichen an die Höhe der möglichen Energieeinsparung geknüpft sein. Alle derzeitigen Förderungen werden demnach sukzessive auf den Prüfstand kommen. Dafür bedarf es allerdings Sachverstand bei allen Marktpartnern – vor allem im politischen Betrieb.
Oder anders ausgedrückt: Es werden Ingenieure statt Funktionäre benötigt! Wer sonst sollte Größen wie CO2-Einsparung oder Primärenergieeinsparung messen? Wer die Wirtschaftlichkeit oder Ökoeffektivität eines gebäudetechnischen Systems bewerten? Aufgaben gibt es reichlich in der SHK- bzw. TGA-Branche: Die Zeit ist also reif für Veränderung und Investitionen.
Die Zeit ist reif, sogenannte "bewährte Systeme" auf ihre Zukunftsfähigkeit hin zu überprüfen. Das gilt auch und gerade für die Fußbodenheizung – der folgende Beitrag wagt eine Analyse.
Energieeffizienz (Schlagwort: "Efficiency first") und Erneuerbare Energien sind bekanntlich die tragenden Säulen der deutschen bzw. europäischen Anstrengungen rund um die Energiewende. Zusätzlich nimmt – aktuell rasant – das Thema "Wasserstoffwirtschaft/-nutzung" an Fahrt auf und emanzipiert sich gegebenenfalls zur "dritten Säule". In Europa wird über den "Green Deal" sowie im Zuge der andauernden Corona-Pandemie über "Green Recovery" (frei übersetzt: Grüne Genesung) gesprochen. Und nicht zuletzt brach jüngst die Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 an.
"Milliardenschwere Konjunkturmaßnahmen müssen zielgerichtet eingesetzt werden, um die Transformation der europäischen Gesellschaft und Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität zu beschleunigen. Die Modernisierung des europäischen Gebäudesektors bietet hier ein besonders ergiebiges Anwendungsfeld, da wirtschaftliche Chancen mit dem Klimaschutz verknüpft werden. Deshalb muss Deutschland die Renovation Wave zu einer Priorität seiner Präsidentschaft erklären. Die besondere Bedeutung des Gebäudesektors für das Erreichen der europäischen Klimaschutzziele ist eindeutig; dementsprechend prominent ist die Renovation Wave in der Kommunikation zum Green Deal sowie im Arbeitsprogramm 2020 der EU-Kommission als zentrale Maßnahme platziert. Europaweit ist der Gebäudesektor für ca. 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Damit wird deutlich, dass es einen treibhausgasneutralen Kontinent ohne einen modernisierten Gebäudebestand nicht geben kann. [...] Gebäudemodernisierung vereint dabei hohe lokale Wertschöpfung mit großen Exportchancen für die deutsche Wirtschaft. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Renovation Wave müssen europaweit milliardenschwere Investitionen in Planungs-und Handwerksleistungen, Erneuerbare Heizungen, Gebäudehülle und -technik ausgelöst werden", betonten die Verbände BEE, BWP, NABU, BuVEG und DENEFF Mitte Juni 2020 in einer gemeinsamen Erklärung.
Heizungsmarkt braucht neuen Wettbewerb
Das kann man aus Sicht der SHK- bzw. TGA-Branche natürlich direkt unterschreiben. Nur: es ist eben keine neue Erkenntnis! Auch wird die Wichtigkeit und Dringlichkeit der energetischen Gebäudesanierung nicht allein dadurch hochgestuft, wenn man mit "Renovation Wave" einen neuen Anglizismus einführt.
Wohl aber haben sich die Vorzeichen für das Meta-Thema "energetische Gebäudesanierung" geändert im Zuge von Corona. Jede und jeder muss mittlerweile verstanden haben, dass nur Innovation – besser: Erfindungsgeist – wirklich helfen kann, Krisen bzw. Herausforderungen zu überwinden. Geld allein hilft nicht, denn es ist endlich; Finanzspritzen und Kredite sind keine Garantie für "programmiertes Wachstum".
Sprich: Die Heizungsindustrie, die Fachplaner sowie die Fachhandwerker können sich mit einem guten Quantum "Erfindungsgeist" erhebliche Wachstumschancen sichern. Wie das aussehen kann, soll im Folgenden anhand des Systems "Fußbodenheizung" skizziert werden. Diese Art der Wärmeübergabe gilt landläufig als "bewährt" und "zu Ende entwickelt" – ist sie, in der Tat, aber keinesfalls, was in diversen Veröffentlichungen bewiesen wurde, welche eine neue Form der Regelung von Fußbodenheizungen zum Inhalt hatten (vgl. "Beimisch-Regelung"). Gerade weil die Fußbodenheizung in Europa millionenfach eingebaut wurde und wird, in Neubauprojekten als "Stand der Technik" gilt, ist sie geradezu prädestiniert, die erwähnten Stichwörter "Efficiency first" und "Renovation Wave" konkret mit Leben zu füllen – auf dass heute eingebaute Systeme nicht zu den Sanierungsfällen von morgen gehören!
Von der Angebots- zur Bedarfsheizung
Jeder Erfindung geht freilich eine gründliche Analyse der "Grundlagen" – der grundlegenden Probleme des Status quo – voraus. Gezeigt wurde so unter anderem schon mehrfach, dass die aktuelle thermostatische Raumtemperatur-Regelung ("Drossel-Regelung") für Systeme der Fußbodenheizung nicht geeignet ist, da sie nicht "selbstlernend, adaptiv und bedarfsorientiert" arbeitet. Wo doch eigentlich von den modernen Endkunden Ressourcenschonung, hoher thermischer Komfort und "Smart Home"-Funktionalitäten gefordert werden. Der Entwicklungsauftrag für die Fußbodenheizung ist demnach klar beschrieben. Sie muss von einer Angebotsheizung zu einer Bedarfsheizung transformiert werden!
Hierfür gilt es, zunächst den Regel- und Wirkkreis "Fußbodenheizung" zu untersuchen, mit folgender bekannter Basis:
- Die Fußbodenheizung ist im Wesentlichen eine Strahlungsheizung.
- Die "Wärmespeichermasse" des Bodens ist konstant und nicht regelbar.
Der Boden und die angestrahlten Umschließungsflächen geben noch Stunden Wärme ab, obwohl der Stellantrieb nach Erreichen der Soll-Raumtemperatur geschlossen hat. Ergo: Der Raum/Die Räume wird/werden überversorgt; Überversorgung bedeutet "Vernichtung" von Energie.
Aus diesem Grunde kann man an dieser Stelle auch nicht von "Regelung" einer Fußbodenheizung sprechen, denn "Regelung" heißt definitionsgemäß: "Ein Regelkreis ist ein geschlossener Wirkungsweg aus Regelstrecke und Regeleinrichtung, in dem eine Regelung durchgeführt wird". Ein laufend erfasster Istwert wird mit einem Sollwert verglichen und auf Abweichungen wird sofort reagiert. Mit einer Fußbodenheizung heutiger Bauart samt ihrer "Drossel-Regelung" ist dies aber nicht zu machen. Hier findet bestenfalls eine Raumtemperatur-gesteuerte Heizwassertemperatur-Begrenzung statt. Man könnte auch von einer permanent überversorgten Bodentemperierung sprechen.
"Regelkreis" mit undefinierten Dämpfungsgliedern
Der Wärmetransport im "Regelkreis" der Fußbodenheizung setzt sich aus allen Formen der Wärmeübergabe, Wärmeleitung, Wärmestrahlung und Konvektion zusammen. Diese Parameter sind indes in jedem Raum anders. Um die Raumluft, die im Wesentlichen den Raumthermostaten beeinflusst, aufzuheizen, werden in verschiedenen Wärmetransport-Phasen mehrere unterschiedliche "Heizflächen" bemüht – das ist der Weg der Heizenergie vom Heizwasser aus dem Heizungsrohr zum Raumthermostaten.
Phase 1:
Die Wärme aus dem Heizwasser wird durch die Rohrwandung, den Estrich und den Bodenbelag an die Bodenoberfläche geleitet (= Wärmeleitung). Der Heizestrich, inklusive Belag, wird zum "warmen Körper". Die Oberfläche dieses warmen Körpers, die Bodenoberfläche, wird zur Abstrahlfläche (s. Abb. 1, dunkelrot) – sie ist jedoch keine Heizfläche. Die einzig wirklich regelbare Heizfläche ist die Oberfläche des Heizungsrohres. Nur die Rohroberfläche wird in allen folgenden Phasen über den Raumthermostat (R) und Stellantrieb (M) direkt beeinflusst.
Phase 2:
In dieser Phase wird über die Abstrahlfläche (Bodenoberfläche) des "warmen Körpers" Energie im langwelligen Infrarotbereich an die kältere Umgebung abgestrahlt (s. Abb. 2, hellrot). Erst beim Auftreffen auf die kältere Umgebung (z. B. Wände, Decke, Möbel) wird die Strahlungsenergie wieder in Wärme umgewandelt. Die abgestrahlte Wärmeleistung hängt dabei von der Größe, der Beschaffenheit und der Temperatur der Abstrahlfläche und dem Temperaturunterschied zu den kälteren Umgebungsbereichen ab.
Die Oberflächen des abstrahlenden "Senders" und des angestrahlten "Empfängers" sollten einen möglichst hohen Absorptionsgrad haben. Die Oberflächentemperatur der angestrahlten Flächen soll zum Schluss etwa der der abstrahlenden Bodenoberfläche entsprechen. Kalte Flächen, wie beispielsweise schlecht wärmegedämmte Bauteile und insbesondere Fensterflächen, werden extrem angestrahlt und "vernichten" Energie durch Leitung und Strahlung nach draußen.
Die Wärmeleitfähigkeit des Estrichs und des Bodenbelags, die für die Strahlung relevante Oberflächenbeschaffenheit (Absorption bis Reflexion) sowie Größe, Art und Masse der Ab- und Anstrahlflächen eines jeden Raumes sind vielfältig und rechnerisch kaum darstellbar.
Phase 3:
In der dritten Phase strahlen alle vorher angestrahlten und inzwischen warmen Raumumschließungsflächen Heizenergie über langwellige Infrarotstrahlung an kältere Bereiche ab (s. Abb. 3).
Phase 4:
In der vierten Phase wird die Raumluft an den warmen Umschließungsflächen, wie Boden, Wänden, Decke, Möbel, über senkrechte und waagerechte Konvektion aufgeheizt (s. Abb. 4). Hier führen die Luftbewegung im Raum und die geringe spezifische Wärmekapazität der Luft zum konvektiven Aufheizen.
Nach diesem langen Weg des Wärmetransports erreicht die Raumluft-Temperatur schließlich den Soll-Wert – der Raumthermostat misst diese und schließt den Stellantrieb. Dieser ganze Prozess läuft außerdem raumweise unterschiedlich "schnell" ab und kann durchschnittlich sechs Stunden dauern. Dazu kommt das unterschiedliche Nutzerverhalten. Thermodynamisch muss man sich dabei vor Augen führen, dass die Überversorgung der Fußbodenheizkreise die Oberflächentemperaturen der Strahlungsflächen erhöht. Die Strahlungsleistung wiederum wächst mit der 4. Potenz der Oberflächentemperatur der Strahlungsfläche (vgl. Stefan-Boltzmann-Gesetz).
Wie kann nun sichergestellt werden, dass dem Raum/den Räumen über diesen "Irrweg" nicht zu viel Heizenergie zugeführt wird (Stichwort: Überversorgung)? Das System der raumweisen, bedarfsorientierten "Beimisch-Regelung" von Fußbodenheizungen liefert die Antwort.
Rolle des menschlichen Körpers
Apropos "Überversorgung": Warum wird die Überversorgung der "klassischen Fußbodenheizung" mit dem Resultat einer zu hohen Oberflächentemperatur der Strahlungsflächen von den Nutzern in der Regel nicht als störend empfunden?
Das liegt unter anderem daran, dass die Oberflächentemperaturen der Umschließungsflächen, an denen sich die Raumluft erwärmen soll, mit durchschnittlich unter 24 °C niedrig sind. Innerhalb des Raumes gibt der menschliche Körper (37 °C) also zwangsläufig Wärme über Strahlung an die kälteren Raumumschließungsflächen ab (s. Abb. 5). Gleichzeitig gibt der menschliche Körper auch Wärme über Konvektion an die kältere Raumluft (20 °C) ab.
Für ein positives Wärmeempfinden (vgl. Thermische Behaglichkeit) sind, neben den weiteren Faktoren Luftfeuchte und -geschwindigkeit, die Temperaturen der Raumluft und die der Raumumschließungsflächen wechselseitig verantwortlich. Kältere Umschließungsflächen müssen durch eine höhere Raumluft-Temperatur kompensiert werden und umgekehrt. Jeder Mensch empfindet diese sogenannte "operative Raumtemperatur" anders.
Fazit
Ein Regel- und Wirkkreis "Fußbodenheizung", in dem zwischen "Actio" und "Reactio" Stunden vergehen, ist gerade im digitalen Zeitalter gegenüber einem "Kunden von heute" nicht mehr vertretbar. Energieverschwendende Angebotsheizungen müssen deshalb dringend durch energieeffiziente Bedarfsheizungen ersetzt werden, um den Forderungen nach Energieeinsparung, Ressourcenschonung und thermischem Komfort gerecht zu werden.
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